Mittwoch, April 24, 2024
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Peter Schiff: Brexit – genau, was der Doktor verschrieben hat

Janet Yellen sollte eine Glückwunschkarte an Nigel Farage und Boris Johnson schicken, jene britischen Politiker, die die größte Verantwortung für das Erstarken der Brexit-Kampagne bis hin zur erfolgreichen Umsetzung tragen. Wenn sie schon mal dabei ist, sollte sie auch gleich ein paar Fruchtkörbe, Blumen, Weihnachtskarten und ein aufrichtiges “Danke schön“ mit schicken.

Die erfolgreiche Brexit-Abstimmung und die durch sie in die globalen Märkte gebrachte Unsicherheit und Volatilität, wird die Federal Reserve mit jeder überhaupt nur denkbaren Rückendeckung versorgen, um die Zinserhöhungen in den Vereinigten Staaten zurückzuhalten. So braucht sie nicht schmerzlich zugeben müssen, dass die wirtschaftliche Schwäche im Land der Hauptgrund dafür ist, dass sie die Zinsen weiter bei nahe Null belassen wird.

Seit Monaten ist die Ecke, in die die FED sich selbst hineinmanövriert hat, immer enger geworden. Es wird weiter gesagt, dass eine Zinserhöhung angemessen sei, falls die Daten auf eine starke Wirtschaft hinweisen. Dann zitieren ihre Repräsentanten unsinnige Statistiken, welche eine erstarkende Wirtschaft andeuten, was viele zu der Spekulation verleitet, dass tatsächlich Zinserhöhungen anstehen.

Aber dann, in letzter Minute, zaubert die FED einen zeitweiligen Grund herbei, warum sie die Zinsen “im Moment“ nicht anheben kann und betont, dass sie sich weiterhin verpflichtet fühlt, es in der nahen Zukunft zu tun. Jedesmal aber, wenn sie diese Pantomime durchführt, verliert die FED an Glaubwürdigkeit. Leider haben die FED-Offiziellen bemerkt, dass ihr Nachschub an Glaubwürdigkeit nicht endlos ist – selbst bei jenen, die sehr nachsichtig mit ihnen sind. Die Brexit-Entscheidung rettet sie aber vor all diesen Unannehmlichkeiten.

Wenn Kritiker jetzt den Widerwillen der FED die angeregten Zinserhöhungen abzuliefern in Frage stellen, dann braucht die FED nur auf die “Unsicherheit“ hinweisen, jetzt, da die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt sich von der Europäischen Union löst. Und da dieser Prozess lange dauern wird, chaotisch und voller Ungewissheiten ist (weil es noch niemals vorgekommen ist, dass ein Land die EU verlässt), wird dies eine recht praktische Ausrede sein, auf die die FED sich über Jahre verlassen kann.

Der Brexit könnte auch zu ernsthaften Spannungen und Unsicherheiten in den globalen Devisenmärkten führen. Die Angst vor finanziellen Verlusten könnte Investoren ermutigen, sich Gold und – zumindest für den Moment – dem US-Dollar als sichere Häfen zuzuwenden. Es gibt bereits erhebliche Bedenken, dass der Dollar gegenüber den meisten Währungen zu hoch bewertet ist und dies Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft hervorgerufen hat. Jeder Anstieg des Dollars aufgrund des Brexits, mag von der Federal Reserve mit niedrigeren Zinsen und quantitativer Lockerung bekämpft werden müssen und dies würde die vermeintlich geplante und angeblich Dollar-stärkende Zinserhöhung unmöglich machen. Was Janet Yellen also angeht, haben die Briten ihr ein fortgesetztes Geschenk bereitet.

Auf einer anderen Ebene offenbart die Abstimmung in Großbritannien die fundamentale Ineffizienz der von den dominantesten Zentralbanken und Zentralbürokratien eingeführten Geld- und Finanzpolitik. Jahrelang haben die globalen Eliten uns erzählt, dass Defizitfinanzierung, Regulierung durch die Regierung und Zentralbank-Stimulus der beste Weg sei, die Weltwirtschaft nach der Finanzkrise von 2008 wieder in Schwung zu bringen.

Um dies zu beweisen, haben mit der Regierung, der akademischen Welt und dem Finanzsektor verbundene Elite-Ökonomen auf allerlei Kriterien hingewiesen, mit denen den Erfolg ihrer Politik aufgezeigt werden soll. Aber die einfachen Leute erleben eine vollkommen andere Realität. Sie wissen, dass ihr Lebensstandard gefallen ist, ihre Lebenshaltungskosten gestiegen sind und sich ihre Aussichten auf Arbeit verschlechtert haben. Sie sehen den Vertrauensverlust und die wirtschaftliche Stagnation, obwohl ihnen das Gegenteil versichert wird.

Diese Abkopplung hat die Anti-Establishment-Stimmung beiderseits des Atlantiks angeheizt. In den Vereinigten Staaten hat sie zum Aufstieg aufrührerischer Kandidaten wie Donald Trump und Bernie Sanders geführt. Der unerwartete Erfolg der beiden, spiegelt das tiefe Misstrauen gegenüber dem Establishment wider. Derartigen Missmut würde es nicht geben, wenn die von den Eliten verbreiteten positiven Nachrichten sich im Leben der breiten Masse der Wähler wiederfinden würden.

Dasselbe gilt für die unerwartete Stärke der Anit-EU-Wähler in Großbritannien. Das “Remain“-Lager hatte die Unterstützung praktisch aller elitären Mitglieder der großen politischen Parteien im Vereinigten Königreich, dazu der Medien und der Kulturwelt. Zusätzlich warnten ausländische Führer, darunter auch Präsident Obama beim Staatsbesuch in England, gegenüber den britischen Wählern vor einer wirtschaftlichen Katastrophe, falls die Briten den schwerwiegenden Fehler machen würden, dem guten Rat ihrer “besten“ Ökonomen zu trotzen.

Angesichts all dessen, wurde sich jedoch über die Umfragen, in denen von einer knappen Entscheidung die Rede war, einfach hinweggesetzt. Die Eliten sind davon ausgegangen, dass die britische Wählerschaft auf Linie sei und für den Verbleib stimmen würde – was auch die jüngsten Verschiebungen in Devisen und Finanzmärkten belegen. Stattdessen revoltierte das Volk. Nachdem es so viele Jahre lang von denselben Eliten vorgeführt wurde, die nun auf den Verbleib in der EU drängte, hat die breite Masse sich endlich Geltung verschafft und mit den Füßen abgestimmt.

Die britischen Wähler mögen nicht wissen, was sie mit einem unabhängigen Großbritannien bekommen, aber sie wussten, dass irgendwas faul war – nicht nur im Staate Dänemark, sondern in der ganzen Europäischen Union. Dasselbe gilt für die Vereinigten Staaten. Bis unsere Führung ein realistischeres Bild davon zeichnet, wo wir stehen und wohin die Reise geht, sollten wir mehr “Überraschungen“ erwarten, wie jene die wir gestern erlebt haben.

Peter-SchiffVon Peter Schiff

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