Donnerstag, April 18, 2024
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Pixel statt Panzer: Von der Leyens Cyber-Armee, ein Witz ohne Pointe

Die modernen Schlachtfelder verlagern sich zunehmend in die virtuelle Welt. Das Wort „Cyber-Krieg“ geistert durch die Medien. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen stellte in dieser Woche offiziell eine deutsche „Cyber-Armee“ in den Dienst. Doch die Truppe ist eher ein Witz ohne Pointe: Nachwuchs-Hacker, verloren im digitalen Neuland.

Die Rekruten der Zukunft sollen nach dem Willen der Bundesregierung eher am Laptop als im Schützengraben ihren Dienst aufnehmen. Rund 13.500 Soldatinnen und Soldaten sollen laut von der Leyen in den digitalen Krieg ziehen. In dieser Woche erhielt die Bundeswehr mit dem so genannten Kommando Cyber- und Informationsraum eine sechste militärische Organisationseinheit. Doch die IT-Truppe ist aktuell eher ein bunt zusammen gewürfelter Haufen und noch sehr weit von der gewünschten Stärke entfernt.

Inspekteur und damit Chef des neuen Kommandos ist General Ludwig Leinhos, der jüngst seinen Dienst aufnahm und mit seiner Einheit die deutschen Streitkräfte vor Angriffen aus dem Netz schützen soll. Davon gibt es anscheinend reichlich: Laut Medienberichten waren die Computernetzwerke der Bundeswehr allein in den ersten neun Wochen dieses Jahres mehr als 284.000 Hackerangriffen ausgesetzt. Teilweise sollen die Systeme dabei ausgespäht oder Informationen abgegriffen werden. Doch manchmal handelt es sich dabei auch schlicht um Schadsoftware und Trojaner, wie sie jeder Computerbesitzer von zuhause kennt.

Aber ist die neue Cyber-Armee den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen? Experten bezweifeln das stark. Denn die 13.500 Männer und Frauen dieser Truppe bestehen unter anderem aus Fernmeldesoldaten, Fachleuten für Geodaten – und nur aus einer sehr kleinen Gruppe fähiger IT-Experten. Warum das so ist, liegt auf der Hand: Welcher Hacker, der etwas auf sich hält, möchte seine virtuellen Kenntnisse tatsächlich der angestaubten Bundeswehr zur Verfügung stellen? Noch dazu würde er in der freien Wirtschaft ein wohl deutlich höheres Gehalt kassieren.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Bundeswehr unter Personalmangel leidet. Es ist auch noch nicht lange her, da stellte die Truppe Werbeplakate vor örtlichen Fitnessstudios auf, um den einen oder anderen Bodybuilder direkt nach dem Workout eine mögliche Zukunftsperspektive ans Herz zu legen. Wie soll dies nun bei potentiellen IT-Spezialisten funktionieren? Werbeplakate vor Mediamarkt und Saturn? Wohl kaum. Oder Rekrutierungsbüros in technischen Hochschulen? Schon eher. Apropos Hochschule: Ab 2018 soll an der Universität der Bundeswehr München der Studiengang Cyber-Sicherheit angeboten werden. Es wird mit rund 70 Absolventen pro Jahrgang gerechnet. Im Vergleich zur geplanten Truppenstärke wirkt dies aber eher wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Zumindest in einem Punkt möchte sich die Bundeswehr modern geben: Wer an der Tastatur besonders fit ist, muss seine Leistung nicht unbedingt auch noch beim Hindernislauf zeigen. Der lästige Grundwehrdienst könnte also wegfallen. Ob diese Maßnahme aber einen findigen Hacker hinter dem Bildschirm hervorlockt, sei dahingestellt. Alles in allem wirkt es, als hätte das Verteidigungsministerium das Neuland Internet schlicht ein wenig verschlafen. Andere Nationen haben die neuen Herausforderungen schon vor vielen Jahren erkannt.

Im Falle des Falles soll das Kommando Cyber- und Informationsraum übrigens nicht nur virtuelle Gefahren abwehren, sondern auch Angriffe durchführen können. In einem internen Strategiepapier der Bundeswehr, vom Onlinefachmagazin netzpolitik.org vor knapp zwei Jahren veröffentlicht, heißt es dazu: „Offensive Cyber-Fähigkeiten der Bundeswehr sind als unterstützendes Wirkmittel anzusehen“. Wenn Sie also demnächst eine E-Mail mit dem Absender „Bundeswehr“ erhalten, öffnen Sie besser nicht den Anhang. Es könnte der verzweifelte Versuch einer unterbesetzten Armee sein, einen virtuellen Angriffskrieg zu führen. Marcel Joppa

Quelle: https://de.sputniknews.com/kommentare/

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