Donnerstag, März 28, 2024
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Politischer Selbstmord? Der Abstieg der Volksparteien

Die Parteienlandschaft in Deutschland verändert sich – das zeigen auch jüngste Umfragen. Dort belegt die AfD nun erstmals Platz zwei hinter der Union, die „GroKo“ verliert weiter massiv an Stimmen. Woran das liegt, darüber hat Sputnik mit Prof. Dr. Ursula Münch gesprochen, Politologin an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.

Frau Prof. Münch, die Union ist weiter auf Talfahrt. CDU und CSU kommen im aktuellen Deutschlandtrend zusammen nur noch auf 28 Prozent. Hängt das auch mit dem Dauerstreit zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel zusammen?

Meines Erachtens ja. Das hat ganz viel mit dem Streit zwischen den beiden zu tun. Und ganz aktuell natürlich auch mit dem Streit innerhalb der Koalition über die Zukunft des bisherigen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen. Das ist also eine deutliche Auswirkung. Andererseits ist es natürlich auch so, dass eine amtierende Bundesregierung immer solche Talsohlen in Umfragen erlebt und dass die Oppositionsparteien dann einen Aufwind haben. Das ist nicht ungewöhnlich.

Sehr lange schon ist die SPD in dieser Talsohle. Die Sozialdemokraten rutschen in den Umfragen nur noch auf Platz drei mit rund 17 Prozent. Zerlegt sich da gerade die älteste Partei Deutschlands selbst?

Das sieht so aus. Die SPD hat ja vor allem ein ganz großes Problem in dieser Causa Maaßen. Da hat die Parteivorsitzende Andrea Nahles eine Entscheidung getroffen, die die Partei in eine ganz große Zwickmühle bringt. Einzelne Landesverbände der SPD, wie beispielsweise in Bayern, haben sich davon ganz klar distanziert. Und wir wissen aus der Vergangenheit: Wenn die deutschen Wählerinnen und Wähler irgendetwas nicht mögen, dann ist es Streit innerhalb einer Partei. Die SPD ist ohnehin schon seit Jahren in einer sehr schlechten Phase, auch wegen der Großen Koalition, und jetzt ist es noch dramatischer.

Die Flensburger SPD-Oberbürgermeisterin Simone Lange hat sogar den Rücktritt von Andrea Nahles gefordert. Wäre das eine Lösung? Und was müsste die SPD tun, um wieder Aufwind zu bekommen?

Die SPD hat ja gar keine Zeit, das zu tun, was sie eigentlich nach der Bildung der großen Koalition versprochen hatte: Die Kritik aus der Bevölkerung und der Mitglieder aufzugreifen und einen Kurs der Erneuerung umzusetzen. Aber wegen der Konflikte innerhalb der Koalition, für die die SPD am Anfang gar nichts konnte, hat man sich dafür keine Zeit nehmen können. Das war damals der Konflikt zwischen CDU und CSU zur Flüchtlingsfrage.Für den aktuellen Konflikt, da kann die SPD etwas, da hat sie tatsächlich falsch taktiert. Ob es allerdings hilft, Führungspersonal auszutauschen, das ist die andere Frage. In der Vergangenheit hat das der SPD nicht geholfen und man sieht, mit Personen allein hat es ja nichts zu tun.

Nutznießer des Koalitionsstreits ist die AfD, sie liegt im aktuellen Deutschlandtrend erstmals auf Platz zwei – mit 18 Prozent knapp über der SPD. Was macht die Partei denn richtig?

Die anderen machen vor allem vieles falsch. Die AfD muss eigentlich nur in ihren sozialen Netzwerken und in ihren Online-Kanälen die Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionsparteien mit Häme kommentieren. Das findet eine rapide und schnelle Verbreitung und viel mehr muss die AfD nicht machen.

Gleichzeitig zeigen aber auch die Umfrageergebnisse zu den bayerischen Landtagswahlen, dass die AfD nicht nur im Aufwärtstrend ist. Der jüngste Deutschlandtrend ist zwar ein Schlaglicht, das den Regierungsparteien auch zeigt, dass das, was man im Augenblick betreibt, in der Bevölkerung nicht ankommt. Aber gleichzeitig können die Ergebnisse der AfD, wie in Bayern, auch wieder nach unten gehen. Das hängt auch immer mit den aktuellen Themen und dem Umgang damit zusammen.

Eine Partei, die in Bayern und bundesweit in Umfragen zulegen konnte, sind die Grünen. Sie erreichen im Deutschlandtrend aktuell 15 Prozent. Worauf ist das zurückzuführen?

Die Grünen scheinen im Augenblick alles richtig zu machen. Die haben ein frisches und in der Öffentlichkeit überwiegend gut ankommendes Führungspersonal. Sie sind nicht mehr so dogmatisch, wie man die Grünen früher wahrgenommen hat. Ich erinnere nur an die leidige Diskussion um den so genannten „Veggie-Day“. Davon ist man weggekommen, man will also nicht mehr ständig die Bevölkerung umerziehen. Das kommt nämlich überhaupt nicht gut bei den Menschen in Deutschland an. Die Grünen versuchen tatsächlich, Alternativen aufzuzeigen, und es gelingt ihnen deshalb leichter als der SPD, weil sie nicht in der Koalition sind.

Außerdem können die Grünen anscheinend Themen besetzen, die die Bevölkerung umtreiben. Wir haben beispielsweise einen sehr heißen Sommer hinter uns und die meisten wissen, dass der Klimawandel durchaus menschengemacht ist. Das ist ein Thema, das die Grünen konsequent besetzen. Und deshalb erscheinen sie attraktiv für Leute, die früher eher nicht grün gewählt hätten.

Aber: Wir wissen auch von früheren Bundestagswahlen, dass die Grünen dort vor allem vorher immer Umfragemeister waren, was sich aber dann nicht in konkreten Wählerstimmen im Endergebnis niederschlagen konnte.

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