Donnerstag, März 28, 2024
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Rechte Randerscheinungen

Die selbsternannten Retter des Abendlandes (rechts im Bild: Werner Wirth, Sprecher der Pegida Steiermark) haben ein Mobilisierungsproblem.

Innerhalb der rechtsextremen Szene Österreichs haben die mittlerweile völlig zerstrittene Pegida und die bemüht "hippen" Identitären eines gemeinsam: Sie verkaufen altes Gedankengut in neuen Kleider

Jene, die antraten, um das Abendland zu retten, sorgten schon in Deutschland für jede Menge "Peinlichkeiten" – wie einen mittlerweile ehemaligen Chef, der sich als

Hitler fotografierte und ins Netz stellte. Am Sonntag wollen die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des

Abendlandes" vulgo Pegida einmal mehr in Erscheinung treten. Diesmal wieder in Wien, wo die Kundgebung vom 2. Februar in dieser Woche ein aufsehenerregendes Nachspiel hatte. 456 Anzeigen – allerdings aufseiten der Gegendemonstranten und Journalisten wegen "Verhinderns oder Störens einer Versammlung": Damit hat die Bewegung zumindest indirekt Geschichte geschrieben. In den eigenen Reihen gab es unter den rund 300 Pegida-Demonstranten elf Anzeigen wegen NS-Wiederbetätigung.

Unterwegs ohne Marschroute

Die Identiären stehen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes und setzen im Netz und auf der Straße auf Aktivismus. Gerne auch mit Teilen der FPÖ-Jugend.

300 dürften es am Sonntag nicht mehr werden. Die Pegidisten sind in Österreich nämlich mittlerweile ziemlich zerstritten. "Maximal 150", so die Schätzung eines Beobachters der rechten Szene, dürften sich – zufällig am Tag vor Hitlers Geburtstag – einfinden.

Die Veranstaltung wurde laut Wiener Polizei für den Resselpark von acht bis 20 Uhr angemeldet. "Marschroute habe ich keine", sagt Polizeisprecher Thomas Keiblinger auf Nachfrage des Standard. Das mag damit zusammenhängen, dass man Gegendemonstranten nicht verraten will, wo man unterwegs sein wird. Oder aber man hat das "Spazieren" aufgegeben und belässt es bei einer Standkundgebung.

Doch wer sind eigentlich die aktuellen Gesichter der Bewegung? Dem ehemaligen Sprecher der Pegida Wien, Georg Immanuel Nagel, war bekanntlich eine kurze Karriere beschieden. Er trat im Februar wenige Tage nach der Demo in Wien zurück. Sein neuer Feind ist der Eurovision Song Contest, gegen den er auf Facebook mit einer "Großkundgebung" mobilisieren will. Was er gegen den Gesangswettbewerb hat, erklärt er auf seiner Seite "Gegen Dekadenz und Werteverfall", die gerade einmal 130 Personen "gefällt". Als "JournalistIn", wie sich Nagel auf Facebook bezeichnet, verfasst er Texte für die rechte Zur Zeit.

Unkoordinierte Schritte

Nach Nagel ist im März auch der Sprecher der Pegida Oberösterreich, Markus Hametner, zurückgetreten. Am 26. März wurde in Österreich auch eine Partei namens Pegida angemeldet. Mit dieser will aber Nagel nichts zu tun haben, wie er kürzlich in einem Interview in der Presse kundtat, wo er die Parteigründung als "unkoordinierten Schritt" einiger Aktivisten bezeichnete.

Einer dieser Aktivisten ist Werner Wirth. Der 26-jährige Grazer ist Sprecher der Pegida Steiermark und würde optisch vielleicht besser zu den Identitären passen. Bei der ersten Pegida-Demo in Graz marschierten laut Polizei 150 Personen mit. 1000 Gegendemonstranten waren auf einer anderen Route unterwegs.

Ein weiterer Mann hielt sich schon zu jenen Zeiten, als er noch als Berater Nagels galt, lieber im Hintergrund: Markus G. Er dürfte wiederum hinter dem Verein "Pegida Österreich" stecken, der Anfang April gegründet wurde, von dem sich aber diverse Pegida-Gruppen in Österreich schon wieder ausdrücklich distanzieren.

G. kommt parteipolitisch aus der blauen Ecke. Das bestätigt Ewald Stadler. Dieser dockte nun nach Politkarrieren beiFPÖ und BZÖ und der Gründung seiner rechtskonservativen Partei Rekos bei der Pegida an. G. habe er vor Jahren "selbst ausgebildet in einem von mir gegründeten Institut der Freiheitlichen Akademie", erzählt Stadler im Gespräch mit dem Standard.

Stadler ist seit Februar Rechtsberater der Pegida oder zumindest der Wiener und der steirischen Pegida-Gruppen und gibt unumwunden zu, dass die Bewegung in Österreich völlig zerstritten ist: "Die scheinen alle in Konkurenz zueinander zu stehen. Außer die Wiener und die Steirer." Er sei es auch gewesen, der Letzteren zur Gründung der Partei geraten habe: "Um den Namen vor Missbrauch zu schützen", so Stadler. Zu Wahlen trete man aber nicht an.

Stadler drängt Blaue zurück

Nebenbei tut Stadler alles, um die FPÖ in der Pegida zurückzudrängen: "Ich habe die gleich eindringlich gewarnt, sich ja nicht vor den Karren der FPÖ spannen zu lassen." Bei der Demo am Sonntag im Resselpark wird Stadler jedenfalls nicht unter jenen sein, die "Wir sind das Volk" rufen. "Ich habe da Gäste, ich kann nicht kommen", so der Ex-Politiker.

"Wir sind das Volk" – mit dem flachen Pegida-Stehsatz kann eine andere, relativ neue Truppe aus der rechten Szene eher wenig anfangen: die Identitären. Zwar befand sich bei Pegida-Demonstrationen in Wien eine Abordnung in den ersten Reihen, auch in Dresden tauchte ein Block aus Wien auf. Doch einfach mitmarschieren will man nicht, vielmehr sieht man sich als hippe "Avantgarde" der "neuen Macht", von der ein "revolutionäres Fieber" ausgeht. Pegida: Das ist für die Identitären bestenfalls ein Vehikel. Sie setzen lieber auf Aktionismus.

Am 23. März war es wieder so weit, als ein paar "Patrioten" eine Buchpräsentation im Wiener Kreisky-Forum störten. Sie waren gekommen, um "eine Clique anzuklagen", die ein Experiment betreibe, um das "Volk auszutauschen". Allein, ein Zuruf genügte, und das Häuflein zog wieder ab, nachdem man Fotos für Fans auf Twitter und Facebook geschossen hatte.

Vor drei Jahren trat diese Gruppe in Österreich erstmals in Erscheinug, seitdem drängt sie mit Aktionen in die Medien. Etwa 2013 mit einer "Gegenbesetzung" der von Flüchtlingen besetzten Votivkirche und im September 2014, als Exekutionen der islamistischen Terrormiliz IS vor dem Wiener Stephansdom nachgespielt wurden. Bei einer Demonstration im Mai des vergangenen Jahres kam es in Wien zu Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten und der Polizei.

Abseits der Straße vertraut man konsequent auf Online-Aktionismus. Via Facebook und Youtube wird ein kruder Mix aus Pop- und Jugendkulturchiffren und esoterischen Slogans propagiert: So sehe man sich als "die letzte Generation", die den "großen Austausch" der Bevölkerung durch "verrückte Multikulti-Politiker" verhindern könne. Nazibegriffe wie "Umvolkung" werden aber vermieden. Für Außenstehende mag das bestenfalls wirr klingen. Doch allein die Entstehungsgeschichte der Identitären zeigt, dass sich hier nicht nur Junge mit brav gezogenem Seitenscheitel aufgemacht haben.

In Österreich tauchten sie erstmals auf, als polizeiliche Ermittlungen die Neonaziszene rund um den mehrfach einschlägig vorbestraften Rechtsextremen Gottfried Küssel beutelten. Dieser Ermittlungsdruck stand "an ihrer Wiege, und einige aus dieser Gruppe oder ihrem engsten Umfeld schalteten danach einen Gang zurück", sagt Andreas Peham, Rechtsextremismusexperte des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), dem STANDARD. Die Küssel-Leute hatten mit ihrer Hasswebsite "Alpen-Donau-Info", kurz "Adi", den Bogen überspannt. Anfang 2013 musste Küssel, der als einer der Strippenzieher der Seite agierte, seine Haftstrafe antreten.

Küssels ehemaliger Gefährte

Ein Weggefährte von Küssel hat es mittlerweile zum Mastermind und Gesicht der österreichischen Identitären gebracht. Der Student Martin Sellner marschiert bei Demonstrationen voran, gibt Interviews und nutzt einen Videoblog auf Youtube für minutenlange Monologe. Vor tausenden Zusehern warnt er eloquent vor der Vernichtung der "europäischen Kultur" . Von der Zeit im Umfeld Küssels distanziert er sich heute.

Das Innenministerium verortet die Identitären im aktuellen Verfassungsschutzbericht im Kapitel "Rechtsextremismus". Das DÖW stuft sie als "rechtsextrem neofaschistisch" ein. Alexander Markovics, Obmann der Bewegung in Österreich, sieht das freilich anders. "Antisemitismus, Faschismus und Nationalsozialismus lehnen wir ab." Für Kritiker eine Schutzbehauptung, ist er doch in der schlagenden deutschnationalen Burschenschaft Olympia aktiv. Markovics, der vor Jahren für die Wiener FPÖ auf Bezirksebene kandidierte, ist kein Einzelfall, viele Identitäre betätigen sich in rechten Burschen- und Mädelschaften.

Keine Hakenkreuze

Doch welche Gefahr soll von einer Truppe ausgehen, die Beobachtern der Szene zufolge aus einem harten Kern von gerade einmal 50 Aktivisten besteht und deren enges Umfeld auf 200 bis 250 Personen geschätzt wird?

Zum einen gelingt es den Identitären nicht nur via Internet, mit ihren Slogans und Aktionen durchzudringen und neue "Fans" zu gewinnen. Rechte Ideologie ohne Hakenkreuz – das kommt auch in der Masse an. Zum anderen geben sie in einschlägigen Foren mittlerweile den Ton an. Den hört auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Er verbreitet schon einmal Identitären-Inhalte auf Facebook.

Die Parteijugend geht weiter. So organisiert der Ring Freiheitlicher Jugend mit den Identitären bereits Veranstaltungen und tritt gemeinsam bei Kundgebungen auf. Seite an Seite mit einer "Avantgarde", die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. (Colette M. Schmidt, Markus Sulzbacher,

DER STANDARD, 18.4.2015)

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