Donnerstag, April 25, 2024
StartPolitikRichtungskampf im Bundestag: Diese Abgeordneten spielen besondere Rolle

Richtungskampf im Bundestag: Diese Abgeordneten spielen besondere Rolle

Am Mittwoch haben die Fachausschüsse im Bundestag nach einer historisch langen Pause ihre Arbeit aufgenommen. Bereits in der ersten Sitzung ging es dabei teils heiß her: Bei der Wahl des jeweiligen Ausschuss-Vorsitzenden sorgte die Kandidatur von AfD-Abgeordneten für Streit. Sputnik gibt einen Überblick, wer nun in welchem Ausschuss das Sagen hat.

In den Fachausschüssen des Bundestages findet die eigentliche politische Arbeit statt. Von Wirtschaft bis Verkehr, Innen- und Außenpolitik, Finanzen oder Verteidigung: In 23 ständigen Ausschüssen ringen die Abgeordneten aller Fraktionen um Gesetzentwürfe und gemeinsame Beschlüsse. Dabei sind die Parteien entsprechend ihrer Stärke bei der vergangenen Bundestagswahl vertreten.

Im Ältestenrat des Bundestages wurde in der vergangenen Woche festgelegt, an welche Partei der jeweilige Vorsitz eines Ausschusses gehen soll. Dabei wurde bereits vorausgesetzt, dass eine neue Große Koalition zustande kommen wird. Der wichtige Haushaltsausschuss soll wie bisher von der größten Oppositionspartei geführt werden, was nun die AfD sein wird. Auch sonst hat sich die Verteilung an vielen Stellen geändert. Hier ein Überblick über den Vorsitz der wichtigsten Ausschüsse:

Auswärtiger Ausschuss

Norbert Röttgen (CDU)
© Foto: Deutscher Bundestag:  Norbert Röttgen (CDU)

Der Auswärtige Ausschuss begleitet die Außenpolitik der Bundesregierung vor allem im Vorfeld wichtiger außen- und sicherheitspolitischer Entscheidungen. Grundsätzlich arbeitet er hinter verschlossenen Türen, denn seine Themen sind hochsensibel. So beraten seine Mitglieder federführend, ob die Bundesregierung beispielsweise deutsche Soldaten zu Auslandseinsätzen entsenden darf.

Den Vorsitz übernimmt erneut der CDU-Politiker Norbert Röttgen. Der einstige Umweltminister ist seit 2014 Leiter des Ausschusses. Röttgen ist ein großer Kritiker Russlands und ein Mitglied der Atlantik-Brücke. Als der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) 2016 ein Nato-Militärmanöver an der russischen Westgrenze kritisierte, nannte Röttgen dies „ungeheuerlich“. Der gebürtige Rheinländer war zudem 2014 Teilnehmer der privaten Bilderberg-Konferenz in Kopenhagen.

Ausschuss für Wirtschaft und Energie

Klaus Ernst (Linke)
© Foto: Deutscher Bundestag   Klaus Ernst (Linke)

Der Arbeitsbereich des Ausschusses für Wirtschaft und Energie deckt sich mit den Zuständigkeiten des gleichnamigen Ministeriums. Er ist nicht nur für die Industrie- und Außenwirtschaft zuständig, sondern ebenso für Fragen des Klimaschutzes und Erneuerbare Energien. Auch der globale Wettbewerb spielt eine Rolle.

Der Vorsitz des Ausschusses geht in dieser Legislaturperiode an die Linksfraktion im Bundestag. Diese hatte zuvor Wirtschaftsfachmann und Partei-Urgestein Klaus Ernst als Vorsitzenden bestimmt. Ernst ist einer der größten Kritiker an der Agenda 2010 des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Der Bayer ist für eine gerechtere Verteilung von Vermögen, höhere Steuern für Superreiche sowie für eine Anhebung des Mindestlohns. Ernst setzt sich außerdem für ein Exportverbot von deutschen Waffen ein.

Haushaltsausschuss

Peter Boehringer (AfD)
© Foto: Deutscher Bundestag    Peter Boehringer (AfD)

Die Hauptaufgabe dieses Ausschusses liegt in der Beratung des Bundeshaushalts. Dafür werden Berichterstatter eingesetzt, die sich mit den Etatplänen jedes einzelnen Ministeriums auseinandersetzen. Für jeden Einzelplan wird vom Haushaltsausschuss eine separate Beschlussempfehlung abgegeben: Es wird empfohlen, welches Ministerium wie viel Geld bekommen soll. Dies wird in einem abschließenden Haushaltsentwurf zusammengefügt.

Der Ausschussvorsitz geht hier an die größte Oppositionspartei, also an die AfD. Die Partei hatte im Vorfeld ihren Abgeordneten Peter Boehringer als Vorsitzenden ins Rennen geschickt. Der Eurokritiker ist bei den übrigen Parteien umstritten. Das drängendste politische Problem ist für den gebürtigen Schwaben die „kulturelle Überfremdung durch Wirtschaftsflüchtlinge“ und eine „Umvolkung“ durch Migranten. Boehringer ist gelernter Diplom-Kaufmann, den Euro bezeichnete er als „machtpolitische Fehlgeburt“.

Innenausschuss

Andrea Lindholz (CSU)
© Foto: Deutscher Bundestag    Andrea Lindholz (CSU)

Von Ausländer- und Asylpolitik bis zum Zivil- und Katastrophenschutz: Der Innenausschuss hat zahlreiche Aufgaben. Sein selbst definiertes Ziel ist es, die Innere Sicherheit für die Gemeinschaft und Bürgerrechte für den Einzelnen in Einklang zu bringen. Neben der parlamentarischen Kontrolle des Innenministeriums und seiner Bundesbehörden bereitet er auch Gesetzesvorhaben vor, bevor diese im Bundestag beschlossen werden können.

Den Vorsitz übernimmt die CSU-Politikerin Andrea Lindholz. Sie ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. Die Rechtsanwältin ist auch Teil des Verhandlungsteams der Union bei den Koalitionsgesprächen. Einwanderung, Innere Sicherheit, Katastrophenschutz und IT-Sicherheit sind laut ihren Aussagen zentrale Politikfelder. Innenpolitik brauche „sachliche, seriöse und lösungsorientierte Debatten“. Lindholz sieht sich als Vermittlerin zwischen Fraktionen, Behörden und Bundesregierung.

Rechtsausschuss

Stephan Brandner (AfD)
© Foto: Deutscher Bundestag   Stephan Brandner (AfD)

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz berät Gesetzentwürfe zu Verfassungs-, Zivil- und Strafrecht. Außerdem ist er für Beratungen über die Beteiligung des Parlaments an Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zuständig. Auch internationales Recht spielt eine Rolle, beispielsweise bei Gesetzesvorhaben der europäischen Kommission.

Auch dieser Ausschussvorsitz geht an die AfD. Die Partei berief den Abgeordneten Stephan Brandner. Ursprünglich aus dem Ruhrgebiet, trat Brandner 2017 als Spitzenkandidat der AfD Thüringen zur Bundestagswahl an. Brandner war als Jugendlicher Mitglied der Jungen Union, später dann der CDU. Der Rechtsanwalt gilt als Vertrauter des Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke. Brandner fiel mehrfach durch die Beschimpfung politischer Gegner auf. Justizminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete er als „Ergebnis politischer Inzucht im Saarland“.

Verkehrsausschuss

Cem Özdemir (Grüne)
© Foto: Deutscher Bundestag   Cem Özdemir (Grüne)
Die Arbeit des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur umfasst nicht nur die Verkehrswege im gesamten Bundesgebiet, sondern auch die digitale Datenautobahn: Verkehrs- und digitale Infrastruktur ist der zentraler Faktor. Bevor im Bundestag über Gesetzentwürfe, die diese Bereiche betreffen, abgestimmt wird, werden sie in diesem Ausschuss beraten.

Nachdem dieser Ausschuss in der vergangenen Wahlperiode von der SPD geleitet wurde, übernimmt nun der Grünen-Politiker Cem Özdemir. Der ehemalige Parteichef gilt als eingefleischter Transatlantiker, er ist außerdem offizieller Unterstützer des Bündnisses „Freiheit statt Angst“ für Datenschutz und gegen staatliche Überwachung. Der Schwabe ist Kritiker von „Stuttgart 21“ und befürwortet den Aufbau eines EU-Militärkomplexes.

Verteidigungsausschuss

Wolfgang Hellmich (SPD)
© Foto: Deutscher Bundestag    Wolfgang Hellmich (SPD)

Eine wesentliche Aufgabe des Verteidigungsausschusses ist die Kontrolle des Bundesministeriums der Verteidigung. In diesem Zusammenhang spielt er eine wichtige Rolle bei der Verabschiedung des Verteidigungsbudgets und bei der Beschaffung von Ausrüstung und Material für die Bundeswehr. Er tagt ebenfalls hinter verschlossenen Türen.

Seit 2015 wird der Verteidigungsausschuss von dem SPD-Politiker Wolfgang Hellmich geleitet, der auch jetzt wieder den Vorsitz übernimmt. Der Westfale ist Mitglied im Förderkreis Deutsches Heer. Hellmich setzt sich für eine Budgeterhöhung bei der deutschen Truppe ein. Mit Blick auf die schlechte und reparaturbedürftige Ausrüstung der Bundeswehr sprach der Sozialdemokrat von einem Desaster, an dem das Verteidigungsministerium Schuld sei.

Finanzausschuss

Bettina Stark-Watzinger (FDP)
© Foto: Deutscher Bundestag   Bettina Stark-Watzinger (FDP)

Neben dem Steuerrecht beschäftigt sich der Finanzausschuss des Bundestages mit der Finanzmarktregulierung. Das heißt, die Mitglieder beschäftigen sich auch mit der Arbeit der Banken sowie dem Wertpapier- und Versicherungsgeschäft. Auch das Zollwesen, also die Regulierung von Einfuhr und Ausfuhr von Gütern und die Erhebung von Zollabgaben und Verbrauchssteuern fallen in diesen Bereich.

Der Finanzausschuss geht in dieser Legislaturperiode an die FDP. Den Vorsitz übernimmt die Abgeordnete Bettina Stark-Watzinger aus Frankfurt am Main. Die Generalsekretärin der hessischen FDP fährt einen klar neoliberalen Kurs. Sie setzt sich für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sowie für eine geringere Belastung durch Steuern und Sozialabgaben ein. Sie fordert ein Ende der Niedrigzinsphase und mehr Investitionen in Bildung.

Kein Freifahrtschein für den Chefposten …

Normalerweise müssen sich die Vorsitzenden der 23 Fachausschüsse nicht zur Wahl stellen, sondern sie werden von ihrer jeweiligen Fraktion bestimmt. Da jedoch mehrere Ausschussmitglieder Widerspruch gegen die nominierten AfD-Politiker anmeldeten, wurde in einigen Ausschüssen eine Wahl notwendig.

Der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer wurde in einer offenen Wahl mit den Stimmen seiner eigenen Partei und der FDP zum Vorsitzenden des Haushaltsausschusses gewählt. Die vier Vertreter der Linken stimmten dagegen. Union, Grüne und SPD enthielten sich nach eigenen Angaben.

Der Rechtsausschuss wählte den AfD-Abgeordneten Stephan Brandner mit knapper Mehrheit zu seinem Vorsitzenden. Nach Angaben von Teilnehmern der Sitzung gab es 19 Ja-Stimmen und 12 Nein-Stimmen. Weitere zwölf Mitglieder des Ausschusses enthielten sich.

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