Donnerstag, April 25, 2024
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Schulz‘ letzter Kampf – Wahlarena überrascht gleich mehrfach

In der ARD-Wahlarena hat sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz am Montagabend ein letztes Mal vor der Bundestagswahl den Fragen eines TV-Publikums gestellt – und das überraschte gleich mehrfach: Durch inkompetente Moderatoren, kluge Publikumsfragen und einen teils sehr menschlichen und teils auch penetranten Martin Schulz.

Die Sendung „ARD Wahlarena“ startete, wie schon viele TV-Auftritte der Spitzenkandidaten Schulz und Merkel zuvor: Eine kurze Vorstellung des SPD-Vorsitzenden, dann die Erklärung, dass Martin Schulz die Fragen des Publikums vorher nicht kenne und der Hinweis, dass die Menschen im Studio repräsentativ aus einem Querschnitt der Bevölkerung ausgesucht worden wären. Durch den Abend führten die ARD-Moderatoren Sonia Mikich und Andreas Cichowicz.

Merkel und Schulz beim TV-Duell
© REUTERS/ FABRIZIO BENSCH

Genau dort lag auch das erste Problem des Formats: Die Moderatoren stellten kaum kritische Zwischenfragen an den Kanzlerkandidaten und Mikich, die eigentlich sogar Chefredakteurin des WDR Rundfunks ist, glänzte einzig damit, die brav aufzeigenden Fragesteller im Publikum nach ihrem Kleidungsstil zu benennen: Sie ruft eine Frau mit „Punktebluse“ auf oder einen Mann, „mit schwarzem Hemd“. Und wenn einer einen Pullunder trägt, ist dies ein „Pullover ohne Ärmel“.

Die große Bühne für Martin Schulz

Martin Schulz bot dies eine große Bühne. Gefühlt ein Dutzend Mal rief der SPDler die Anwesenden auf, am 24. September doch die SPD zu wählen, wenn man einen wirklichen Politikwechsel wolle. Das wirkte nicht nur penetrant, sondern auch recht anbiedernd. Aber eines musste man Schulz dabei lassen: Im Gegensatz zur Kanzlerin, die eine Woche zuvor Gast in der ARD-Wahlarena gewesen war, suchte der Herausvorderer den direkten Kontakt zum Publikum. Er verließ häufig sein Rednerpult, reagierte geduldig auf Nachfragen und ignorierte dabei gekonnt mögliche Einwände der beiden Moderatoren.

Linkepolitiker Klaus Ernst (Archivbild)
© AFP 2017/ Uli Deck / dpa

Die besprochenen Themen gaben dabei zunächst kaum neue Erkenntnisse. Breitbandausbau, Investitionen in die Zukunft, gebührenfreie Kitas, Solidarrente, Musterfeststellungsklage gegen VW – all das kündigte Schulz erneut an, sollte er dafür nach der Bundestagswahl eine Mehrheit bekommen. Angesichts aktueller Umfragewerte, die die SPD zwischen 20 und 23 Prozent sehen, eine fast groteske Vorstellung. Doch dann punktete der SPDler doch noch: Als ein Mann aus Essen fragte, warum die 250.000 bei uns geduldeten Ausländer nicht auf Dauer bleiben dürfen, kommentierte Schulz:

„Nicht alle sind integrierbar. Es gibt auch schräge Typen darunter.“

Und auch beim Thema Pflege endlich neue Töne des Kanzlerkandidaten. Die Geschäftsführerin einer Pflegeeinrichtung fragte Schulz, was er gegen die schlechte Bezahlung der Mitarbeiter tun wolle. Der Mann aus Würselen schien vorbereitet, so, als hätte er nur auf das Thema gewartet:

„Ich werde einen kompletten Neustart in der deutschen Pflegestruktur beginnen.“

Er werde in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit als Kanzler dafür sorgen, dass es mehr Personal, um 30 Prozent höhere Bezahlung sowie mehr Pflegeplätze gebe. Das sei Staatsaufgabe Nummer eins.

Wahlplakate am Rand einer Autobahn in Deutschland
© REUTERS/ Kai Pfaffenbach

Der größte Lichtblick des Wahlarena-Abends war dann die letzte Minute der Sendung: Obwohl die Moderatoren – erneut erfolglos – Schulz das Wort verboten, da die Sendezeit eigentlich schon vorüber war, setzte sich der SPD-Kandidat darüber hinweg und forderte: Eigentlich solle ein Kanzler und Regierungschef solch eine „Bürgersprechstunde“ wie die Wahlarena jeden Monat veranstalten. Ein ambitionierter Wunsch mit Seitenhieb auf Angela Merkel, die sich nur selten und anscheinend ungerne öffentlich den Fragen des Volkes stellt.

„Bürgersprechstunde“ jeden Monat?

Das Fazit: Die ARD-Wahlarena war wohl nichts weiter, als eine 75-minütige Wahlkampfveranstaltung für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Im Vergleich zu Kanzlerin Merkel wirkte Schulz aber souveräner und volksnaher. Auch griff er die Bundeskanzlerin bei zahlreichen Themen direkt an und machte sie für ein Versagen in vielen politischen Punkten verantwortlich. So manche  unentschlossene Wähler dürfte dies überzeugt haben. Ob dies aber reicht, um am kommenden Wahlsonntag gegen die Union zu siegen? Martin Schulz bleibt nichts anderes übrig, als fest daran zu glauben.

* Die Meinung des Autors muss nicht mit dem Standpunkt der Redaktion übereinstimmen.

Quelle: https://de.sputniknews.com/kommentare/

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