Freitag, März 29, 2024
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Schweiz greift nach Erbe des Datendiebes


Der verstorbene Tiroler Wolfgang U. verkaufte einst die Steuer-CD an deutsche Finanzbehörden. Der Fall landet nun vor dem Schweizer Höchstgericht

Wien/Zürich – Das Bankgeheimnis steht in Europa vor seiner Abschaffung, zumindest wenn es um grenzüberschreitende Fälle geht. Österreich und

Luxemburg haben im Vorjahr zugesagt, Kontodaten von EU-Bürgern ab 2017 an ausländische Steuerbehörden zu melden. Am Donnerstag hat die Schweiz angekündigt, ihr Bankgeheimnis für EU-Ausländer abzuschaffen. Die Zwergstaaten

Andorra, Monaco, Liechtenstein und San Marino dürften bald folgen.

 

Die Kreditinstitute fürchten sich vor teuren Prozessen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in den USA, Deutschland und Frankreich. Deshalb haben sie den Widerstand gegen mehr Transparenz aufgegeben.

Mit den Nachwehen des Bankgeheimnisses wird sich die Justiz in Europa voraussichtlich aber noch lange herumschlagen müssen. Ein besonders tragischer Fall mit engen Verflechtungen zu Österreich beschäftigt derzeit die Schweizer Justiz. In der Causa geht es um das strittige Erbe des Datendiebes Wolfgang U.

Geldverteilung

Dieser Tiroler Unternehmer war Mittelsmann beim Verkauf von in der Schweiz gestohlenen Bankkundendaten an Steuerfahnder in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2010. Ein Freund des Tirolers entwendete die Informationen über mutmaßliche Geheimkonten bei seinem Arbeitgeber Credit Suisse. Für den Verkauf der Steuer-CD an die deutschen Fahnder erhielten die beiden 2,5 Millionen Euro vom deutschen Staat. Das Geld wurde auf Konten des Tirolers in Vorarlberg, Deutschland und Tschechien verteilt.

Kurz nach Abschluss des Deals flogen die Männer aber auf. Wolfgang U. wurde verhaftet. Er nahm sich im September 2010 in der Schweizer Untersuchungshaft das Leben. Sein Komplize wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.

Seit Jahren prozessieren die Erben des Tirolers, seine Eltern, um das Geld aus dem Datendeal. Die 2,5 Millionen werden von der Schweizer Bundesanwaltschaft als Erlös aus einer Straftat angesehen und daher beansprucht.

Schweiz soll Geld bekommen

Die Ironie dabei: Alles deutet darauf hin, dass der von den Deutschen bezahlte Kaufpreis für die Steuer-CD größtenteils in der Schweizer Staatskasse landen wird. Denn wie der STANDARD erfuhr, hat das Strafgericht im schweizerischen Bellinzona vor kurzem entschieden, dass die Gelder in Österreich, Tschechien und Deutschland von der Schweiz eingezogen werden dürfen.

Der Verkauf der Bankdaten sei ein klarer Fall von wirtschaftlichem Nachrichtendienst, heißt es im Urteil. Das Bankgeheimnis diene nicht nur einzelnen Kunden, "es hat vielmehr institutionelle Bedeutung und schützt die kollektiven Interessen des schweizerischen Finanzplatzes".

Eine gesonderte Frage betraf das 2012 zwischen Österreich und der Schweiz geschlossene Steuerabkommen: In diesem wurde vereinbart, dass von Österreichern in der Schweiz verstecktes Vermögen nachversteuert wird, ohne dass die Hinterzieher eine Strafe fürchten müssen. In den Vertrag wurde auch eine Klausel zum Schutz von Datendieben aufgenommen: Alle Strafverfahren im Zusammenhang mit Steuer-CDs müssen in Österreich und der Schweiz eingestellt werden. Diese Regel gilt auch rückwirkend.

"Unerhebliche Daten"

Die Anwälte der Erben von U. wollten die Einziehung der Millionen mit dem Hinweis auf diese Klausel bekämpfen. Das Schweizer Gericht lehnte mit einer bemerkenswerten Begründung ab: Wolfgang U. habe Daten an Deutschland verkauft, die für Österreich unerheblich seien. Die Amnestie käme also nicht infrage. Die Anwälte der Familie legten dagegen Einspruch vor dem Höchstgericht in Lausanne ein. Das Finanzministerium in Nordrhein-Westfalen gibt übrigens an, dass 6000 Personen als Folge des Steuer-CD-Kaufs 2010 Selbstanzeige erstatteten. Die Rede ist von Mehreinnahmen in Höhe von 300 Millionen Euro.

(András Szigetvari, DER STANDARD, 21.3.2015)

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