Donnerstag, April 25, 2024
StartPolitikEuropa„Schwerste Völkerrechtsverletzungen“ – Was CDU-Außenpolitiker Moskau vorwirft

„Schwerste Völkerrechtsverletzungen“ – Was CDU-Außenpolitiker Moskau vorwirft

Berlin ist weiter für Gespräche mit Moskau trotz unterschiedlicher Sichten. Das hat der CDU-Außenpolitiker Nobert Röttgen am Dienstag erklärt. Dabei hat er auch gesagt, was Russland aus westlicher Sicht für bessere Beziehungen tun muss. Röttgen hat das erneut mit Vorwürfen an Moskau verbunden, das er für die Situation verantwortlich macht.

Die Begegnungen und Gespräche zwischen deutschen und russischen Spitzenpolitikern, bis hin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Wladimir Putin, deuten nicht in Richtung bessere Beziehungen. So sieht es der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen.

Sie seien nur ein Zeichen für die Bereitschaft, trotz unterschiedlicher Positionen miteinander im Gespräch zu bleiben, erklärte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages am Dienstag in Berlin. Röttgen stellte sich den Fragen der Korrespondenten ausländischer Medien zur deutschen Außenpolitik.Er bestätigte auf Sputnik-Nachfrage seine Vorwürfe gegen Russland, internationales Recht nicht einhalten zu wollen, während der Westen mit seinen Interventionen nur die Regeln verletzt habe. Das begründete er mit der wiederholten Behauptung von der „militärischen Annexion und Intervention Russlands in der Ukraine“. Damit werde gegen das „Fundamentalprinzip der Integrität und Souveränität anderer Staaten“ verstoßen. Er warf Russland auch mit Blick auf Syrien „eklatante und schwerste Verletzungen des Völkerrechts, des humanitären Völkerrechts und auch des Kriegsvölkerrechts“ vor.

Was Moskau tun soll

Bessere Beziehungen seien nur möglich, wenn Russland nicht mehr „solche Maßnahmen als Teil seines außenpolitischen Instrumentariums“ sehe, meinte der CDU-Politiker. Dennoch sei Zusammenarbeit auf Basis von Interessen möglich. Deshalb gebe es weiterhin Treffen und Gespräche deutscher und russischer Politiker.

„Es kann auch zu gemeinsamen Interessen kommen“, betonte Röttgen. Er schätze seit längerem ein, „dass das objektive Interesse Russlands in Syrien nicht darin besteht, permanent Krieg zu führen an der Seite von Hisbollah und Assad“. Es sei dagegen daran interessiert, die militärischen in politische Erfolge zu verwandeln. Deshalb werde Moskau aus Röttgens Sicht „irgendwann einen politischen Prozess“ anstoßen wollen. Dass die russische Führung genau das seit langem versucht, und nicht erst seit dem militärischen Eingreifen vor drei Jahren, ignorierte der Abgeordnete.

Er sprach sich immerhin dafür aus, dass die deutsche und EU-Seite in Fällen wie Syrien die praktische Zusammenarbeit mit Russland „zu gemeinsamen guten Zwecken“ suchen solle. Das sagte er nicht, ohne erneut hinzusetzen, dass die russische Außenpolitik verantwortlich sei für den „Knacks“ in den Beziehungen. Röttgen fügte hinzu, die Gespräche mit Moskau seien nie unterbrochen worden. Es gebe auch keine Politik der Gesprächsverweigerung.

Was Moskau angeblich will und nicht will

Später erklärte Röttgen in der Runde mit Blick auf die Europa-Wahl, dass Russland weiter versuchen werde, Einfluss auf andere Staaten zu nehmen. Auf die entsprechende Frage eines Korrespondenten eines kommerziellen russischen TV-Senders meinte der CDU-Politiker, davon müsse „realistischerweise ausgegangen werden“. Beweise dafür kamen nicht zur Sprache. Die von russischen Politikern in den jüngsten Gesprächen wiederholte Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Europäischen Union (EU) in allen Bereichen erwähnte er nicht.

Moskau lasse nicht erkennen, dass es auf das außenpolitische Instrument der „Einflussnahme auf demokratische Prozesse anderer Länder“ verzichten wolle, so Röttgen dagegen. Zuvor hatte er auf eine Frage zur Lage in der Ukraine erklärt, „dass sich auf russischer Seite der Wille nicht entwickelt hat“, auf Basis des Minsker Abkommens zu einer politischen Lösung für die Ostukraine zu kommen. Der CDU-Außenpolitiker sieht das Abkommen als Mittel für eine grundsätzliche Regelung selbst von Beginn an skeptisch, wie er sagte.Er rechne nicht mit einer Lösung für den Konflikt vor den Wahlen in der Ukraine 2019. Dazu fehle auch auf der Kiewer Seite der Wille, so Röttgen. Die ukrainische Führung zeige zu wenig Reformbereitschaft.

Deutsche Sichten und Interessen

Der Ausschussvorsitzende hatte zu Beginn des Pressegesprächs von einem „Epochenwandel“ und einer „historischen Zwischenzeit“ gesprochen, in der sich die Weltordnung befinde. Russland und China hätten ebenso wie US-Präsident Donald Trump die „geopolitische Umgebung durcheinandergebracht“. Für die deutsche Außenpolitik stehe daher die Frage: „Mit wem versucht Deutschland, auf diese Entwicklung Einfluss zu nehmen?“

Röttgen sprach sich dabei für den Zusammenhalt der EU aus 27 Mitgliedsstaaten aus. Zugleich sagte er, die europäische Außenpolitik müsse stärker auf nationalstaatlicher Ebene aufgebaut sein. Dabei wünschte er sich besonders die Zusammenarbeit von Frankreich und Deutschland, aber ebenso mit Polen und „Post-Brexit-Britain“. Der CDU-Politiker hält es für „existenziell“, dass die Bundesrepublik die „Rolle, Interessen, Werte Deutschlands in der Welt“ definiert und eine entsprechende Politik entwickelt.

Die deutsche Außenpolitik müsse sich stärker mit dem Nahen und Mittleren Osten beschäftigen, was sie bisher zu wenig tue. Ebenso gehe es um eine gemeinsame Politik der EU gegenüber China, aber auch gegenüber den USA innerhalb des transatlantischen Verhältnisses. Vor einer Sonderbeziehung zwischen Polen und den USA warnte Röttgen ausdrücklich.

Was gut für die Türkei ist

Den Besuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Freitag und Samstag wollte Röttgen „nicht überhöhen“. Er bedauerte die innere Entwicklung der Türkei „weg vom Rechtsstaat, weg von der Demokratie, weg von Europa“. Das sei auch „nicht im türkischen Interesse“, glaubte der CDU-Mann zu wissen.

Die neuen Beziehungen zu Ankara würden auf Grundlage der neuen Interessen gestaltet, erklärte er. Gleichzeitig würden gemeinsame Interessen bestehen bleiben, unter anderem weil die Türkei eine strategische Rolle in der Region spiele. Röttgen sagte, dass es bei den Gesprächen zwischen Erdogan und Merkel vor allem um Syrien gehen werde.

Perspektive Nahost

Mit Blick auf den Nahen und Mittleren Osten erklärte er das Interesse Berlins, Konflikte auf diplomatischem Weg lösen zu wollen. Er halte es für „verfehlt, anzunehmen, dass man Stabilität im Mittleren Osten gegen Iran etablieren kann“. Das sei der „fundamentale politische Gegensatz zu den USA“, die die Konflikte nur weiter anheizten.Röttgen kritisierte Saudi-Arabien für „kaum gewinnbare militärische Abenteuer“ wie den „schädlichen Vernichtungskrieg im Jemen“. Dem Iran warf er „Expansion mit militärischen Mitteln“ in der Region vor. Für Syrien sieht er „Hoffnungselemente“ in der Form der russisch-türkischen Absprachen zu Idlib. Den Palästina-Konflikt sieht der CDU-Außenpolitiker dagegen in einer Sackgasse. Israel werde zunehmend konservativer, und die Palästinenser seien geschwächt und gespalten, schätzte er ein.

Blick auf Deutschland und Europa

Der frühere Merkel-Intimus gestand gegenüber den Korrespondenten der Auslandsmedien ein, nie für eine neue Große Koalition gewesen zu sein. Er habe eine Minderheitenregierung als das „geringere Übel“ gesehen. Röttgen sprach sich angesichts der Schwierigkeiten der aktuellen Koalition für einen „klaren Schnitt“ aus. Zur Debatte um einen möglichen neuen CDU-Fraktionsvorsitzenden erinnerte er daran, dass das zur Demokratie gehöre.

Für die kommende Europa-Wahl rechnet Röttgen mit einem Erstarken der rechtspopulistischen Parteien. Diese wollten „Europa von innen heraus anders machen“ und zeigten auch mehr Sympathie für Russland und Putin. Das sei derzeit am stärksten in Italien zu sehen. Ziel dieser Kräfte sei ein antiamerikanisches Europa, das sich heraushalten wolle, „nicht ein liberales, engagiertes, sich einsetzendes, verantwortliches Europa“. Was die deutsche Außenpolitik zu dieser Entwicklung beigetragen hat, sagte Röttgen nicht. Er wurde aber auch nicht danach gefragt – auch nicht, warum er die EU mit Europa an sich gleichsetzt.

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