Samstag, April 20, 2024
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Sex, Lügen und Videos: Über die Five Eyes, die auch in Ihrem Schlafzimmer live dabei sein dürfen

Sex, Lügen und Videos“ – so hieß ein erfolgreicher US-amerikanischer Schmuddelfilm aus den 80er Jahren. Mittlerweile wurde diese Trias von staatlichen Behörden zu einem hochprofessionellen Geschäftsmodell gemacht.

In einem jüngsten Leak von Edward Snowden erfährt man, dass die NSA gezielt das Sexualleben der Bürger ausspäht, um kompromittierendes Material zur Verfügung zu haben, das bei Bedarf zur Erpressung eingesetzt werden kann (die Veröffentlichung der Dokumente ist in einem neuen Buch Snowdens noch Ende dieses Jahres angekündigt).

“This pornographic material which is stolen from cell phones and computers around the world, is then analyzed and sorted in terms of potential value. Many of these images are then used to blackmail politicians and other influential people, forcing them to collaborate with the agency or face public sex scandals.”

Laut Snowden würde das intime Material nicht nur von Smartphones und PCs rund um den Erdball gestohlen (Was Geheimdienste mit Smartphones alles anstellen (Video)), sondern die NSA würde auch selbst mit Kameras in den Privatbereich eindringen und kompromittierende Sexvideos anfertigen. Das explizite Ziel dabei sei es, Menschen in „erniedrigenden oder peinlichen Positionen zu filmen, um Zielpersonen in der Folge ausschalten oder manipulieren zu können“.

Snowden erzählt, dass das Material dieses Programms bereits dazu verwendet wurde, um viele namhafte Politiker zu stürzen (aus einem Interview mit dem Moscow Tribune: „Da sich die meisten Opfer der Erpressung beugen, kann ich schwer sagen, wie viele Personen von der NSA unter Druck gesetzt wurden. Aber ich kann Ihnen sagen, dass es Tausende sind, und viele davon sind sehr einflussreiche Personen.“). 

Als konkrete Opfer des Programms nennt er z.B. den früheren CIA-Direktor David Petraeus und den New Yorker Gouverneur Eliot Spitzer, die nach dem Publikwerden von Sexskandalen zurücktreten mussten. Weiters den Fall des früheren Malaysischen Gesundheitsministers Chua Soi Lek, der von einer versteckten Kamera beim Intermezzo mit einer jungen Frau gefilmt wurde und in der Folge zurücktreten musste.

Für welche Gesundheits- oder Umweltstandards sich der Malaysische Gesundheitsminister eingesetzt hat, die den legitimen Profitinteressen der US-Konzerne im Weg standen, habe ich nicht nachrecherchiert. Denn damit würde ich die rote Linie überschreiten und den Tatbestand des Bildens von „Verschwörungstheorien“ erfüllen.

Und das Bilden solcher Theorien ist ja gemeinen Kleinbürgern wie mir seit einiger Zeit strikt verboten (siehe dazu auch ein aktuelles Interview mit dem Publizisten Mathias Bröckers, wonach „Verschwörungstheoretiker“ auf der nach unten offenen Denunziations- und Diffamierungsskala derzeit nur knapp über „Kinderschänder“ rangiert).

Doch dem Geheimdienst geht es nicht nur um prominente Köpfe, manchmal werden ja auch ganz unbekannte Menschen plötzlich zu Volkstribunen und gefährden etablierte Machtstrukturen und gutgehende Geschäfte  – für solche Fälle braucht man geeignetes Material, um diese Personen schnell wieder auf Linie bringen zu können. Nach Aussage von Snowden verfügt die NSA derzeit über 20 Milliarden pornographischer Fotos und über 500 Millionen Stunden an Videos, die fein säuberlich klassifiziert und mit Namen der darauf ersichtlichen Personen getaggt sind.

Die möglichen Kanäle, um Bildmaterial aus den privaten Kämmerchen der Bürger zu gewinnen, sind vielfältig. Angezapfte Webcams (Verrückt: Suchmaschine lässt einen auf fremde Webcams zugreifen), smarte Fernseher (siehe Stern –Samsung warnt vor Smart-TV: Vorsicht – Spionfernseher hört mit) und vernetzte Barbiepuppen (siehe ORF –Big Brother Award: Barbie-Puppe hört Gespräche im Kinderzimmer ab) übermitteln das, was in unseren Wohnzimmern so gesagt und getrieben wird, sofort in Echtzeit in eine unterirdische Cloud.

Während es seinerzeit beim bulgarischen Dissidenten Ilija Trojanow noch notwendig war, dass alle als regierungskritisch bekannten Familienmitglieder gleichzeitig zu behördlichen Terminen vorgeladen wurden, damit während ihrer Abwesenheit die Zimmer der Trojanows verwanzt und mit Kabeln verdrahtet werden konnten, während ein Lärmgenerator die Stemmarbeiten übertönen und somit auch für die Nachbarn unbemerkt machen sollte (in seinem Buch „Angriff auf die Freiheit“ schildert Trojanow sein Privileg, jedes Wort, das in seiner Kinderstube gesprochen wurde, heute in veröffentlichten Geheimdienstprotokollen detailliert nachlesen zu können), so schöpft man private Daten der Bürger heute wesentlich smarter und unspektakulärer ab.

Wie der „Guardian“ enthüllte, verfügt der britische NSA-Bruder GCHQ über ein eigenes Programm mit Namen „Optic Nerve“, mit welchem User-Webcams millionenfach gehackt wurden. Nicht ohne Grund kleben daher sogar Nerds wie Mark Zuckerberg die Webcam- und Mikrofoneingänge ihres Laptops ab (ersichtlich auf einem Foto in Computerbild).

Doch das Abkleben von Webcams wird uns nicht mehr lange helfen. Die Geheimdienste arbeiten bereits mit Hochdampf an der Herstellung insektengroßer Kameradrohnen (siehe Spiegel), die auch aus dem letzten Winkel jedes Hauses Bildmaterial in HD-Qualität liefern können.

Snowden in einem „Stern“-Interview: „Indem ich die Daten verbinde und analysiere, die ja jahrelang gespeichert werden können, weiß ich nicht nur, wann Sie ins Bett gegangen sind – ich weiß auch mit wem.“

Durchgeführt wird die intime Datensammlung laut Snowden vom Special Collection Service / SCS, jener strenggeheimen Spezialabteilung der NSA, die auch das Telefon von Angela Merkel über 10 Jahre lang abgehört hat (hier eine Selbstpräsentation des SCS in einem von Snowden geleakten Dokument). Wieviele „erniedrigende oder peinliche“ Details aus dem Privatleben der Bundeskanzlerin auf diese Weise digital verewigt wurden, werden vermutlich erst nachfolgende Generationen erfahren (Deutschland: Totalausfall der Demokratie und Willkür im geheimdienstlichen Komplex).

Aber keine Sorge, da es sich bei den Überwachern ja um „verlässliche Freunde“ handelt, sind die Daten in guten Händen. Vor „verlässlichen Freunden“ braucht man es nicht zu verbergen, ob man die Brustwarzen gepierct hat und welches Tattoo man auf der linken Pobacke trägt.

Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten, das hat doch schon Joseph Goebbels dem Volk mit dem Brustton der Überzeugung erklärt. Und hat doch die Bundeskanzlerin selbst bewiesen, dass man sogar in einer lückenlos überwachten Repressionsgesellschaft unter dem strengen Auge der Blockwarte „wissenschaftliche“ Karriere machen kann, wenn man sich nur richtig benimmt (Forscher können mit WiFi Emotionen lesen und Personen identifizieren (Video)).

Wer so ungeschickt ist, sich nicht richtig zu benehmen, der gerät eben ins Netz der unten ersichtlichen Spinne (da ich kein gemeinfreies Foto des noch vor Kurzem als „top secret“ klassifizierten Logos der JTRIG-Abteilung finden konnte, habe ich es nur grob abgekritzelt; das Original aus der Dokumentensammlung Edward Snowdens ist hier ersichtlich):

bild2

Die steuerfinanzierten Spiderman von der JTRIG (Joint Threat Research Intelligence Group) übernehmen bei Bedarf jede Art von medialer Drecksarbeit. Ihr Trainingsprogramm nennt sich – sic – „The Art of Deception“ (Die Kunst des Hintergehens/Betrügens) und umfasst hochprofessionelles Handwerkszeug, um die Reputation und wirtschaftliche Existenz von ins Ziel gefassten Personen oder Bürgerbewegungen zu vernichten (siehe die von Glenn Greenwald veröffentlichten Originaldokumente von JTRIG auf The Intercept, wie sie vom britischen GCHQ der NSA und den anderen drei Partnern der englischsprachigen „Five Eyes“-Allianz präsentiert wurden).

Das Symbol einer jederzeit zum Biss bereiten schwarzen Witwe des JTRIG-Logos ist in der Tat treffend gewählt. In den von Snowden geleakten Dokumenten erfährt man, wie zugebissen wird:

Das Handlungsportfolio der JTRIG umfasst Kampagnen zu Verleumdung, Rufmord und Sabotage geschäftlicher Beziehungen, sexuelle Kompromittierung (honeytraps) ebenso wie detaillierte Strategien zur Meinungssteuerung und Manipulation von Internetforen und Social Media (Glenn Greenwald: “…these agencies are attempting to control, infiltrate, manipulate, and warp online discourse”).

Laut eigenem Bekunden auf der geheimdienstlichen Präsentationsfolie ist die Arbeit der JTRIG mit 4 „D’s“ zusammengefasst:

The 4 D’s:  Deny / Disrupt /Degrade / Deceive

(Verleumden / Spalten / Erniedrigen / Irreführen)

 

Ein eigenes Flussdiagramm der JTRIG-Brigade ist dem Thema „Things that pull a group apart“ (Wie man eine Gruppe spalten kann) gewidmet. Wer sich also bisher darüber gewundert hat, warum sich die weltweite „Occupy“-Bewegung trotz geballter Bürgerwut so schnell im Sand verlaufen hat und warum Friedensaktivisten neuerdings als Nazis dastehen, der findet womöglich in den oben verlinkten JTRIG-Dokumenten eine erschöpfende Erklärung. Aber halt – ich nähere mich schon wieder der roten Linie …

Sehen wir das Ganze also lieber positiv und lassen wir die Spider Murphy Gang und ihre digitalen Spinnentiere ruhig weiterkrabbeln. Wie uns der Spiegel, die „Bildzeitung für Abituren“ (Volker Pispers) erklärt, wollen die Geheimdienstbrigaden ja nichts anderes, als die „Herzen und Köpfe der Menschen gewinnen“ (siehe  Spiegel).

Auch passionierte Nudisten brauchen also in Zukunft keine Angst haben, in ihrem Eigenheim zu viel nackte Haut zu zeigen und können ihren Bademantel ruhig in der Mottenkiste liegen lassen.

Unsere verlässlichen Freunde mit der Spinnenfahne wollen ja bloß unsere Herzen und Köpfe gewinnen. Und die kann man ja nötigenfalls bei Amazon als Ersatzteile nachbestellen (Wodurch wir emotional abstumpfen und unsere Menschlichkeit verlieren können (Videos)).

Literatur:

Die globale Überwachung: Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen von Glenn Greenwald

Bürger im Visier der Geheimdienste

NSA, BND & Co.: Die Möglichkeiten der Geheimdienste: Technik, Auswertung, Gegenmaßnahmen von Gilbert Brands

Quellen: PublicDomain/nachrichtenspiegel.de am 24.11.2016

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