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Sonnenfinsternis: Am 20. März droht Deutschland der doppelte Blackout

sonnenfinsternis

Am 20. März kommt es zu einer totalen Sonnenfinsternis – ein seltenes astronomisches Schauspiel. Allerdings warnen Experten, dass es deswegen Probleme mit der Stromversorgung geben könnte, weil

in dieser Zeit kein Solarstrom erzeugt werden kann.

Stabilität des Stromnetzes möglicherweise in Gefahr

Herausragendes Himmelsschauspiel am 20. März:

Sie wird – wenn das Wetter mitspielt – von Deutschland aus als teilweise Sonnenfinsternis zu sehen sein. Allerdings freuen sich nicht alle gleichermaßen auf das seltene astronomische Ereignis: Wie die „Welt“ berichtet, könnte die Sonnenfinsternis zu Problemen bei der Stromversorgung in Deutschland führen. Hintergrund ist der vergleichsweise hohe Anteil von Solarstrom bei der Stromversorgung hierzulande.

Die Sonnenfinsternis werde viele Solarstromerzeuger in Deutschland und Europa „schlagartig außer Betrieb“ setzen, schreibt die Zeitung. Die Frage sei, wie die Versorger dann das Stromnetz stabil hielten. Je nach Wetterlage könnte zu Beginn der Finsternis eine „Solarstromkapazität von bis zu zehn Gigawatt schlagartig ausfallen“, so die „Welt“ weiter. Das sei „in etwa so, als würden zehn Atomkraftwerke gleichzeitig vom Netz gehen“. Nach Ende der Sonnenfinsternis soll das Problem sogar noch drängender sein: Dann drängten kurzzeitig bis zu 20 Gigawatt zurück ins Stromnetz.

Ausgleich durch Pumpspeicher ausreichend?

Wissenschaftler der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) sehen das Szenario allerdings nicht ganz so dramatisch: In einer Studie vom Oktober 2014 kommt ein Forschungsteam um Professor Volker Quaschning zu dem Schluss, dass die „Schwankungen bei der Solarstromerzeugung“ durch die Sonnenfinsternis ausgeglichen werden können – und zwar „vollständig“ und bei jedem Wetter. Dies sei schon allein durch die Pumpspeicherwerke in Deutschland nötig, schreiben die Ingenieurwissenschaftler. Ergänzend könnten flexibel regulierbare Gaskraftwerke bei der Stabilisierung des Stromnetzes helfen.

Glaubt man den Wissenschaftlern, kann man also in Ruhe die Sonnenfinsternis beobachten, ohne sich Gedanken um die Sicherheit der Stromversorgung zu machen. Für die meisten Orte in Mitteleuropa beginnt das Schauspiel gegen 9.20 Uhr und endet etwa um 12 Uhr. In Berlin werden zum Höhepunkt immerhin 74 Prozent der Sonnenscheibenfläche vom Neumond bedeckt und in München 68 Prozent.

Vier Fünftel der Sonne verdeckt

Das himmlische Spektakel am Tag des Frühlingsbeginns auf der Nordhalbkugel wird von Deutschland aus zwar nicht als totale Sonnenfinsternis wahrnehmbar sein: Der Mondschatten verdeckt hier nur maximal 80 Prozent der Sonne. Doch die Solarstromproduktion geht schon während dieser partiellen Finsternis gewaltig in die Knie.

Nach Berechnungen des Oldenburger Instituts energy & meteo systems im Auftrag der Netzbetreiber könnte bei Beginn der Sonnenfinsternis gegen 9.30 Uhr deutscher Zeit Solarstromkapazität von bis zu zehn Gigawatt ausfallen. Wenn dies ein sonniger Tag ist, wäre das in etwa so, als würden zehn Atomkraftwerke gleichzeitig vom Netz gehen.

Noch größer wird das Problem allerdings zweieinhalb Stunden später sein, wenn sich die Sonne gegen 12 Uhr wieder hinter dem Mond hervorschiebt. Weil die Sonne dann höher steht, könnten in ganz kurzer Zeit sogar bis zu 20 Gigawatt Solarleistung zurück ins Stromnetz drängen.

Für die Stromnetzbetreiber ist das so, als würden 20 Atomkraftwerke innerhalb kürzester Zeit angeknipst: Ein Rein und Raus von Kilowattstunden in dieser Größenordnung und in diesem kurzen Zeitfenster ist ohne Vorbild im Management des europäischen Stromnetzes.

Denn auf Stromlieferungen aus dem Ausland können die deutschen Netzbetreiber Tennet, Amprion, 50 Hertz und Transnet BW nur bedingt vertrauen: Dort scheint die Sonne ja auch nicht. Mit 18 Gigawatt hat Italien ebenfalls längst eine riesige Solarstromproduktion aufgebaut und muss in diesen Tagen des März um die eigene Versorgungssicherheit kämpfen. Auch Frankreich und Spanien leiden mit jeweils fünf Gigawatt Solarleistung unter der Sonnenverschattung.

“Nie dagewesene Herausforderung” für Netzbetreiber

Der Verband europäischer Stromnetzbetreiber, ENTSO-E in Brüssel, spricht deshalb in einer vorbereiteten Presseerklärung von einer “nie dagewesenen Herausforderung” für das Leitungsmanagement. In ganz Europa würden bei einem klaren Frühlingshimmel am 20. März bis zu 35 Gigawatt schrittweise aus der Stromversorgung herausfallen, “eine Größenordnung, die der von 150 bis 200 konventionellen Kraftwerken mittlerer Größe entspricht”.

“Sonnenfinsternisse hat es auch früher schon gegeben”, heißt es in dem Entwurf der Pressemitteilung des europäischen Verbandes: “Aber wegen des Wachstums der installierten Fotovoltaik besteht heute ein ernsthaftes Risiko.” Deshalb hätten sich die europäischen Stromnetzbetreiber auch “seit über einem Jahr auf die Sonneneklipse vorbereitet”.

Grundsätzlich haben sich die einzelnen europäischen Stromnetzbetreiber darauf verständigt, dass jeder die Folgen des Solarstrom-Einbruchs in seiner eigenen Regelzone beherrschen muss. Die Berliner 50 Hertz Transmission GmbH wäre damit für die Stabilität des Stromnetzes im Osten Deutschlands verantwortlich, die Dortmunder Amprion für den hochindustrialisierten Westen, Tennet für einen langen Streifen in der Mitte, der von Bayern bis hoch nach Schleswig-Holstein reicht.

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Permanenter Telefonkontakt während der Eklipse

Gleichzeitig wollen die Netzbetreiber jedoch über die europäischen Grenzen hinweg ständig in Kontakt bleiben, wenn die Sonne wegbleibt: “Geplant sind permanente Telefonkonferenzen zwischen den Kontrollräumen der Netzbetreiber vor und während der Sonnenfinsternis”, heißt es beim Verband ENTSO-E. Zudem werden die Leitwarten der Netzbetreiber an diesem Tag personell aufgestockt.

Grundsätzlich stehen in Deutschland genug Kraftwerke zur Verfügung, um die an- und abschwellende Solareinspeisung auszugleichen. Sorge bereitet den Netzbetreibern jedoch, dass sich die Stromhändler und Kraftwerksbetreiber während der kritischen Zeit nicht mit der nötigen Genauigkeit an die Produktionspläne halten.

Normalerweise müssen die Stadtwerke und Regionalversorger ihren “Bilanzkreis” von Stromnachfrage und Stromangebot stets auf der Basis von 15-minütigen Intervallen ausbalancieren. Nimmt einer dieser “Bilanzkreisverantwortlichen” diese Pflicht nicht so ernst und speist Strom der Einfachheit halber nach den Durchschnittswerten ganzer Stunden ein, könnte das in den kritischen Stunden der Sonnenfinsternis der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Das Risiko liegt damit in den Regeln des deutschen Stromhandels: Denn am Vortag des 20. März dürften die Marktteilnehmer an der Strombörse sogar ganz regulär nur mit Stundendurchschnittswerten für Stromlieferungen am Folgetag handeln. Die genaueren und für den technischen Netzbetrieb wichtigen Viertelstunden-Blöcke müssen an der Börse jedoch erst ab 16 Uhr des Vortages gehandelt werden. Wenn aber erst so spät ein Defizit bei der Regelenergie erkennbar wird, könnte es für die Netzbetreiber schon zu spät sein, mithilfe des Notfallparagrafen 13.2. des Energiewirtschaftsgesetzes Reservekraftwerke anzufordern.

Das ist es, was die Sonnenfinsternis netztechnisch vom einem normalen Sonnenunter- und -aufgang unterscheidet: Das Tempo, mit der fast die gesamte Solarkapazität zur besten Tageszeit ab- und nach kurzer Zeit ausgerechnet zur Spitzenzeit am Mittag wieder hochgefahren wird. Und die Unsicherheit, ob in dieser Ausnahmesituation die komplizierte Schnittstelle zwischen dem Strommarkt mit seinen viertelstündigen Buchungsintervallen noch genau mit dem technischen Netzmanagement korrespondiert.

Im ungünstigsten Fall könnte die zur Verfügung stehende Regelenergie nicht mehr ausreichen, um die Frequenz im Stromnetz überall stabil bei 50 Hertz zu halten. Schlimmstenfalls könnte es dann durch automatische Schutzmechanismen in den Netzknotenpunkten zu regionalen Stromabschaltungen, vulgo Blackouts kommen, die sich – im allerschlimmsten Fall – kaskadenartig in ganz Europa ausbreiten. Nach den Notfallplänen würden zuerst großen Industriebetrieben der Strom abgeklemmt, um das Netz stabil zu halten. Inzwischen will man in Kreisen der Netzbetreiber aber auch das Risiko nicht völlig ausschließen, dass sogar ganzen Regionen oder kleinen Städten zeitweise der Strom abgestellt werden muss.

Österreich leidet mit

Von der plötzlichen Dunkelheit über Deutschland ist auch Österreich stark betroffen. Die 800 Megawatt an Solaranlagen, die dort stehen, wären zwar noch leicht auszugleichen. Doch Österreich und Deutschland teilen sich einen Strommarkt, Grenzen gibt es hier nicht mehr, der deutsche Sonnenstrom schwappt ungehemmt nach Österreich über. Am gestrigen Freitag kaufte Österreich etwa zwei Drittel des gesamten Stroms, der verbraucht wurde, bei den billigeren deutschen Nachbarn ein. Damit importiert Österreich aber auch die deutschen Probleme.

Sterne am Tag zu sehen

Während in Europa und Nordwestafrika die Sonne nur teilweise verfinstert, wird sie in der schmalen Zone, die der Kernschatten des Mondes überstreicht, völlig verdeckt. Es wird in der Totalitätszone – also in der Zone, in der die Sonne vom Mond verdeckt wird – so dunkel, dass man bei klarem Wetter Sterne sehen kann. Um die total verfinsterte Sonne leuchtet ein heller Strahlenkranz, die Korona. Sie ist die äußerste Atmosphärenschicht der Sonne und mit Temperaturen über eine Million Grad viel heißer als die Sonnenoberfläche.

Die nächste von Deutschland aus beobachtbare Sonnenfinsternis findet erst am 10. Juni 2021 statt – wobei aber nur maximal 25 Prozent der Sonnenscheibenfläche vom Neumond bedeckt werden. Wer eine totale Sonnenfinsternis in Deutschland erleben möchte, muss sich noch viel länger gedulden: Dies wird am 3. September 2081 sein.

Quellen: PublicDomain/WeltOnline/FocusOnline/EPA/diepresse.com vom 20.02.2015

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