Freitag, April 19, 2024
StartRechtKriminalitätSpektakuläre Flucht aus Berliner Gefängnis – „CDU blockiert Aufklärung“

Spektakuläre Flucht aus Berliner Gefängnis – „CDU blockiert Aufklärung“

Die Polizei fahndet nach vier Männern, die aus einem Berliner Gefängnis geflohen sind. Die CDU im Abgeordnetenhaus fordert Aufklärung. „Die stellt sich doch quer“, so FDP-Politiker Marcel Luthe im Sputnik-Interview. Schon lange plant er, Missstände bei Polizei und Justiz aufzudecken – blockiert von der Berliner CDU-Fraktion.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und Anstaltsleiter Uwe Meyer-Odewald bestätigen die Flucht der vier Häftlinge aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee in Berlin-Charlottenburg am Donnerstagvormittag. Nach Medieninformationen filmten Überwachungskameras die spektakuläre Flucht: Die Ausbrecher zweckentfremdeten Werkzeuge aus der JVA-eigenen Werkstatt. Sie knackten das Sicherheitsschloss einer Tür und durchtrennten Stahl mit einem Trennschleifer. Schließlich konnten sie durch einen freigelegten Lüftungsschacht nach außen entkommen. Die niedrige Zahl von drei Bediensteten, die an diesem Morgen die Häftlinge in der Werkstatt bewachten, bezeichnete Senator Behrendt als „nicht unüblich“.

Den Ausbruch der Häftlinge kommentierte der Berliner Innenpolitiker Luthe (FDP) mit folgenden Worten: „Sie können der JVA letztendlich gar keinen Vorwurf machen.“ Der innenpolitische Sprecher seiner Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus sagte gegenüber Sputnik: „Das Hauptproblem ist, dass wir in allen Berliner JVAs deutlich zu wenig Personal haben. Und dementsprechend die Überwachung der Gefangenen nicht so funktionieren kann, wie sie in der Theorie funktionieren sollte. Das gilt nicht nur für die Mitarbeiter im Justizvollzugsdienst, sondern genauso für Sozialarbeiter, die auch in den Gefängnissen fehlen.“ Er versuche, solche und andere Missstände bereits seit Ende November durch einen Untersuchungsausschuss im Berliner Landtag aufklären. Doch bisher fehle dazu die nötige Mehrheit.

CDU zeigt auf grünen Justiz-Senator

„Der Ausbruch von vier Gefangenen aus der Justizvollzugsanstalt Plötzensee ist ein absolut brisanter Vorfall und ein Super-GAU für Senator Dirk Behrendt“, teilten Burkard Dregger, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und Sven Rissmann, rechtspolitischer Sprecher der Berliner CDU, in einer öffentlichen Stellungnahme mit.

FDP-Politiker Luthe kritisierte im Gespräch, dass die CDU nun lautstark Kritik äußere, obwohl zuvor fünf Jahre lang die Bereiche Inneres und Justiz im Berliner Senat von dieser Partei geführt worden waren. „Es ist sehr zu begrüßen, wenn die Kollegen Dregger und Rissmann nun auch die Probleme des CDU-mitgeführten Senats aufarbeiten wollen. Insofern freue ich mich sehr über das erste Signal, was von dort kommt, da der Antrag von mir bereits fertig vorliegt und nur noch die Unterstützung einiger weniger Abgeordneter braucht, fände ich das ganz großartig, wenn die CDU-Fraktion in dieser Frage jetzt auch bewegt.“

FDP: „Untersuchung nötig, aber CDU blockt“

Bereits vor sechs Wochen hatte die FDP-Fraktion dem Berliner Landesparlament einen Antrag für einen Untersuchungsausschuss vorgelegt. Der stamme von ihm, so Luthe. Bisher sei das Vorhaben aber nicht zustande gekommen:

„Es scheitert bisher an der Mitwirkung der CDU-Fraktion, die es offensichtlich nicht geschafft hat, sich loszulösen von den vergangenen fünf Jahren, in denen ja die CDU sowohl den Innen- als auch den Justizsenator noch gestellt hatte. Ich hätte es für sehr wünschenswert gehalten, wenn eine neue CDU sich jetzt endlich von diesen alten Fehlern freimacht und gemeinsam mit uns bereit ist, aufzuklären, wo etwas schief gelaufen ist. Um dann zu einem Ergebnis zu kommen, was wir ändern müssen. Damit Justiz und Sicherheit in dieser Stadt endlich wieder besser funktionieren.“

Der FDP-Innenpolitiker will mit einem möglichen Untersuchungsausschuss zunächst Fragestellungen aufwerfen: „Da müssen wir feststellen, dass an ganz vielen Stellen das richtige Personal fehlt.“ Die Ursachen des Personalmangels müssten festgestellt werden. Auch die Höhe der Besoldung sei seit langem ein Kernproblem, weil „die Polizeibeamten in Berlin radikal, teilweise verfassungswidrig unterbezahlt sind.“ Weder der aktuell regierende Rot-rot-grüne Senat noch dessen Vorgänger, die Berliner Landesregierung aus CDU und SPD hätten das Problem behoben, so sein Vorwurf.

Berliner Polizei fahndet auf Hochtouren

Ein solcher Ausschuss müsse in der Polizei „endlich Transparenz“ schaffen. Versäumnisse und Fehler in der Berliner Polizeiführung sollten benannt und korrigiert werden, so Luthe. Ebenso die skandalösen Ereignisse an der Berliner Polizeiakademie und in der Polizeiausbildung generell. Die Berliner CDU-Abgeordneten Dregger und Rissmann ließen unsere Interview-Anfragen bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

„Die Fahndung läuft, die Geflüchteten sind noch nicht gefasst“, sagte eine Pressesprecherin der Polizei Berlin gegenüber Sputnik am Freitagnachmittag mit. Die Männer sollen nach Polizeiangaben zwischen 27 und 38 Jahre alt sein. Zwei seien deutsche Staatsbürger, zwei stammten aus dem Nahen Osten. In der JVA Berlin-Charlottenburg sind nach Medienberichten derzeit 362 Gefangene inhaftiert. Die meisten davon sitzen Freiheitsstrafen von zwei bis sieben Jahren ab – so wie die am Donnerstag Geflohenen, darunter ein Gewalttäter und drei Seriendiebe. Die Haftzeit der Männer hätte zwischen 2018 und 2020 enden sollen.

In Berlin konnten zuletzt im Jahr 2014 zwei Insassen aus der Justizvollzugsanstalt Moabit fliehen. Sie wurden nach einigen Wochen gefasst. Damals räumte Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) öffentlich ein, dass lose Drähte am Gebäude und verpasste Videoaufzeichnungen die Flucht der Ausbrecher begünstigt hätten.

Alexander Boos

Interview mit Marcel Luthe (FDP)  Quelle!

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