Mittwoch, April 24, 2024
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»Stille Amerikaner« in der Ukraine aktiv

Hackergruppe enttarnt US-Offiziere und »Nichtregierungsorganisationen« im Dienst der ukrainischen Armee.

Dass sich an der Front des ukrainischen Bürgerkrieges US-amerikanische Kämpfer herumtreiben, wurde im Winter 2014/15 erstmals unwiderleglich bewiesen. Damals rannten Uniformierte durch eine Fernsehreportage von einem Raketeneinschlag in Mariupol und riefen der Journalistin in akzentfreiem US-Englisch »No pictures!« zu – mach die Kamera aus.

Schon vorher hatten die Volksmilizen der Aufstandsgebiete tote Gegner mit amerikanischen Pässen präsentiert – aber das konnte ja noch inszeniert sein. Die Rede war damals von Angehörigen privater Militärfirmen, nicht jedoch offiziellen Soldaten.

Neue Erkenntnisse bestärken die Vermutung eines solchen verdeckten US-amerikanischen Engagements. Eine Hackergruppe namens »Sprut« machte Kopien von Reisepässen und anderen Dokumenten öffentlich, die auf eine solche Zusammenarbeit hindeuten. Die Dokumente lagen auf dem Server des ukrainischen Verteidigungsministeriums und enthalten für sich genommen keine Hinweise auf den Charakter der Mission der US-Amerikaner.

Die im Zuge der allgemeinen Geschwätzigkeit im Internet zu findenden persönlichen Profile der Betreffenden legen aber offen, dass es sich um teilweise noch aktive Offiziere des US-Militärs handelt. Ein Edward N. Johnson etwa, dessen Pass die Gruppe ins Netz stellte, rühmt sich seiner »aktuellen Tätigkeit« für die Presseabteilung der Pioniertruppe (US Army Corps of Engineers) und seiner Erfahrungen in »Krisenkommunikation«, Marketing und »media relations«.

Ein anderer Amerikaner namens John M. Krause wechselte nach 20 Jahren in der Marineinfanterie in den Dienst einer »Agentur für Verteidigungssicherheitskooperation«, die sich offenbar mit der Abstimmung der Bemühungen verschiedener privater Militärfirmen beschäftigt, deren Söldner gelegentlich durchs Fernsehbild laufen.

Mit von der Partie sind auch sogenannte Nichtregierungsorganisationen wie »Spirit of America«. Der Verein ist an der ukrainischen Ostfront damit beschäftigt, einen Gutelauneradiosender nach Art des US-Soldatenfunks American Forces Network (AFN) für die Kiewer Armee aufzubauen.

Die Sache flog auf, weil den Hackern eine Bitte des öffentlich-rechtlichen Qualitätssenders National Public Radio an den ukrainischen Geheimdienst mit der Bitte um Akkreditierung und Unterstützung für einen Korrespondenten in die Hände fiel, der im Mai dieses Jahres über die Aktivitäten der NGO im Dienste der Kiewer Armee berichten wollte.

Was der Spiegel Ende Juli auf Grundlage gehackter E-Mails berichtete – dass der ehemalige US-Oberbefehlshaber für Europa, General Philip Breedlove, seine Vorgesetzten bis hin zum Präsidenten beharrlich, aber letztendlich ohne Erfolg bekniet habe, der Ukraine »tödliche Waffen« zu liefern, ist also offenbar maximal die halbe Wahrheit.

Erstens deshalb, weil die Ukraine in kleinerem Umfang durchaus aus den Beständen der osteuropäischen NATO-Staaten sowjetische Waffen bekommt. Größere Lieferungen von Seiten Polens kamen nach dem Bericht nur deshalb nicht zustande, weil Warschau sich von den USA als Ersatz für die an Kiew zu liefernden alten Panzerabwehrkanonen modernes Ersatzmaterial zum Nulltarif wünschte und dies Washington zu teuer war.

Zweitens deshalb, weil schon die USA selbst so »untödliche Waffen« wie Feuerleitradars und Software zur Ent­deckung von Stellungen der Aufständischen an die Ukraine liefern.

Wie die Behörden der »Volksrepublik Donezk« vor einigen Wochen meldeten, soll nach Erkenntnissen ihres Geheimdienstes ein folgenschwerer Artilleriebeschuss der Randgebiete von Gorliwka, bei dem es zu Toten und Verletzten kam, dem Test dieser Systeme gedient haben. Der inzwischen nach Griechenland versetzte damalige US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, sei gemeinsam mit US-amerikanischen Offizieren extra an die Front gereist, um dem Test beizuwohnen.

Dass die US-amerikanischen »Stiefel am Boden« derzeit im Wesentlichen mit Unterstützungsarbeiten zur Förderung der Kampfmoral der Kiewer Streitkräfte beschäftigt sind, lässt in erster Linie einen Schluss zu: Auch Washington rechnet nicht damit, dass der Krieg um den Donbass kurzfristig beendet wird, geschweige denn durch das Minsker Waffenstillstandsabkommen. Es geht offenbar darum, die ukrainischen Truppen für einen langen Krieg niedriger Intensität bei Laune zu halten und die bis heute überwiegend negative Haltung der örtlichen Bevölkerung zu ihnen nach Möglichkeit aufzuweichen.

Ein solcher Kleinkrieg ist für das strategische Ziel der USA, Russland zu schwächen, völlig ausreichend und sogar vorteilhaft. Denn ein solcher Konflikt erschwert den Wiederaufbau der »Volksrepubliken«, bindet auf unabsehbare Zeit russische Ressourcen und hält die Ukraine dauerhaft von den USA abhängig. Zerstörte Menschenleben auf beiden Seiten der Front dieses Stellvertreterkrieges sind dabei billigend in Kauf genommene »Kollateralschäden«.

Literatur:

Countdown Weltkrieg 3.0 von Stephan Berndt

Ukrainian Agony

Zerstörung der Hoffnung (Killing Hope): Bewaffnete Interventionen der USA und des CIA seit dem 2. Weltkrieg von William Blum

Quellen: PublicDomain/jungewelt.de am 06.08.2016

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