Donnerstag, März 28, 2024
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Thilo Sarrazin: „Merkels unscharfe, verquollene Sprache verschleiert Wahrheit über Einwanderung“

Im Interview mit „Focus-Money“ stellte sich der umstrittene Bestsellerautor Thilo Sarrazin kritischen Fragen zu Themen die Deutschland aktuell am meisten bewegen.

Thilo Sarrazin – Ex-Bundesbank-Vorstand und Bestsellerautor – ist bekannt für seine provokant formulierten, kontroversen Thesen hinsichtlich Finanz-, Sozial- und Bevölkerungspolitik. In einem Interview mit „Focus-Money“ stellt sich der 71-Jährige einmal mehr kritischen Fragen zu Deutschlands politischer Krise, der Flüchtlings- und der Eurokrise.

„Die Menschen sind schwach und fehlbar“

Sarrazin war selbst lange als SPD-Politiker tätig und sieht die derzeitige Krise seiner Partei in den Problemen der Gesellschaft, „den Ängsten und Wünschen der Menschen, die sich immer neu die Partei suchen, die zu ihnen passt“. Gerade in Zeiten wo die Wähler das Gefühl hätten, von den sogenannten etablierten Volksparteien in den Fragen die sie bewegen nur eine Einheitsmeinung präsentiert zu bekommen, suchten sie nach einer Alternative. Und diese sei derzeit scheinbar die AfD.

Aktuell habe die Gesellschaft die Möglichkeit darüber zu bestimmen wie Menschen an die Macht kommen und wie man sie wieder entmachten kann, so der Volkswirt im Interview mit „Focus-Money“. „Dafür hat die Demokratie das Hilfsmittel der Mehrheitsentscheidung erfunden. Damit wird allerdings der Irrtum nur auf eine andere Ebene verlagert, denn Mehrheit entscheidet nicht über Wahrheit, sondern nur über Mehrheit. Menschen sind schwach und fehlbar, haben nur begrenztes Wissen und werden von eigenen Zielen, Ängsten und Gefühlen geleitet. Deshalb wählen sie diejenigen Politiker, die ihnen im Augenblick überzeugend etwas versprechen, und nicht unbedingt diejenigen, die langfristig das Richtige tun. Insofern ist der Weg zum Gewinn politischer Macht nur selten besonders erleuchtet, und kaum ein Politiker kommt nur mit Ehrlichkeit an die Macht.“

Die Eurokrise

Über die Dauereurokrise sagt Sarrazin, dass der Euro stabil sei und die Europäische Zentralbank (EZB) das Geldmonopol und die Währung steuere. Das Problem beim Euro sei vielmehr, dass „unterschiedliche Volkswirtschaften mit der Währungsfrage unterschiedlich umgehen. Traditionell neigen die Länder Südeuropas stärker zu Verteilungskämpfen, sind in der Schuldenpolitik wagemutiger und lösen soziale Konflikte etwas anders. Das führte zu unterschiedlichen Tendenzen bei Inflation oder Wettbewerbsfähigkeit, was aber stets mit dem Instrument der Währungsauf- und -abwertung geregelt wurde. Dieses Instrument ist mit dem Euro entfallen. Ein Teil der Eurozone von Frankreich bis Griechenland geriet in eine dauerhafte Wachstumsschwäche, weil nun der kontinuierliche Verlust an Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr durch Abwertung ausgeglichen werden kann.“

Dabei kam es bei der Euro-Rettung auch zu einer Reihe von Gesetzes- und Vertragsverstößen. Obwohl im Vertrag von Maastricht gewisse Sicherungen eingebaut waren – vor allem sollte die EZB keine Staaten finanzieren, und Staaten sollten gegenseitig nicht für ihre Schulden haften. Was bedeutet hätte, dass ein Land notfalls auch insolvent werden kann – werden die Regelungen des Maastricht-Vertrag seit Mai 2010 nicht mehr eingehalten.

In einer Sitzung von Spitzenpolitikern wurden diese Regeln außer Kraft gesetzt. „Damit wurden der Währungsunion, wie sie in Maastricht konzipiert worden war, quasi die Füße weggeschlagen. Ersetzt wurde sie durch ein System, in dem die EZB praktisch alles darf, also auch Staaten finanzieren. Inzwischen ist fast ein Drittel aller europäischen Staatsschulden in der Hand der EZB. Zudem entstand mit dem ESM und anderen Schirmen ein Mechanismus, in dem eben doch ein Land dem anderen hilft, etwa im Fall Griechenlands,“ erklärt Sarrazin dem „Focus“.

Die Verantwortlichen begründeten die Rechtsbrüche damit, dass die ursprünglichen Regeln nicht funktionierten und sie deshalb durch etwas Funktionsfähiges ersetzt werden mussten, so der Experte weiter. Dieses Vorgehen wurde später auch durch verschiedene Abkommen legitimiert. Doch, so Sarrazin, „wenn man die Vertragstexte liest und ihnen vertraut, war das ein klarer Rechtsbruch.“

Deutschland als europäischer Wohltäter?

Der Bestsellerautor glaubt, dass die deutschen Wähler auf Dauer große Schwierigkeiten haben werden, „für die fiskalischen Verfehlungen anderer Länder zu zahlen und dann auch noch dafür, dass wir praktisch als einzige in Europa Flüchtlinge aufnehmen.“

Da würden selbst wohlmeinende Bürger sich fragen, ob das noch eine durchdachte Politik sei. Die Einwanderung würde einem Land nur dann etwas bringen, wenn die Asylsuchenden eine hohe Qualifizierung mitbrächten. „Aber das wird von der Politik vor dem Bürger verborgen,“ so Sarrazin und fügt hinzu: „Das zeigt schon die unscharfe, verquollene Sprache von Merkel, de Maizière und allen anderen. Irgendwann hat der Bürger davon die Nase voll. Im Augenblick überdeckt zum Glück eine positive Konjunktur alle Probleme. Aber wenn der nächste wirtschaftliche Einbruch kommt – und der kommt früher oder später immer -, was dann?“

(so)

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