Freitag, April 19, 2024
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TTIP und gefährlicher Industriezucker: Politik contra Verbraucherschutz

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Ob Eiscreme, Schokolade oder Softdrinks, aber auch Back- und Teigwaren, Konserven, sogar Fitnessgetränke für Sportler – es gibt kaum noch Lebensmittel, die nicht mit flüssigem Industriezucker gesüßt sind: Isoglucose.

Zucker ist nicht gleich Zucker. Zwar ist allgemein bekannt, dass herkömmlicher Haushaltszucker der Gesundheit schadet, weil er dick machen und besonders schon bei jungen Menschen zu Typ-2-Diabetes führen kann. Doch Isoglucose soll besonders,,8adrotate group="2"] gesundheitsgefährdend sein. Denn hergestellt wird der künstliche Zucker vorwiegend aus Maisstärke, er enthält viel Fruchtzucker. Dieser könne zur Fettleber führen und außerdem die Insulinwirkung hemmen, was eine Typ-2-Diabetes verursachen kann, warnen

Ernährungsmediziner.

 

Bisher darf Isoglucose in Europa nur in kleinen Mengen produziert und verwendet werden. Doch Brüssel hat den Zuckermarkt neu geregelt: Ab 2017 soll die Zuckerquote fallen. Dann werden vor allem amerikanische Produzenten den europäischen Markt mit Isoglucose überzuckern – ein ganz und gar nicht süßer, sondern bitterer Vorgeschmack auf das, was den Verbrauchern auch durch TTIP droht, dem Handelsabkommen mit den USA.

Seit Jahren steigt die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die an Diabetes, Typ-2, erkranken. Fettleibigkeit durch Süßes. Aber Zucker ist nicht gleich Zucker: Herkömmlicher Haushaltzucker macht auch dick, aber besonders schädlich soll Isoglucose sein, der flüssige Industriezucker (Krebs liebt Zucker).

Dr. Gerd Claußnitzer, Ernährungsmediziner: „Also, Isoglucose enthält einen hohen Fruchtzuckeranteil. Der Fruchtzucker wird in der Leber verstoffwechselt, es entstehen Fettabbauprodukte, diese werden in der Leber gespeichert und das wird zur Fettleber. Außerdem führen diese Fettabbauprodukte zu einer Hemmung der Insulinwirkung. Dies kann zu Typ-2-Diabetes führen.“

Ausgerechnet dieses Produkt darf ab 2017 in Europa frei gehandelt werden. Bislang war das nicht der Fall.

Zum Schutz der Landwirte war die Einfuhr von Zucker stark beschränkt. Es gab Zuckerquoten. Die künstliche Isoglucose durfte höchsten fünf Prozent vom gesamten Zuckermarkt ausmachen. Verwendet wird der flüssige Zucker vor allem in Eis, Softdrinks und Teigwaren – bislang nur in dieser geringen Menge. Wichtiger Nebeneffekt: Diese Einschränkung schützt die Konsumenten in Europa vor den Gesundheitsgefahren durch Isoglucose. Doch Brüssel hat den Zuckermarkt neu geregelt. Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt wurden dabei auch die Beschränkungen für den künstlichen Zucker aufgehoben.

Wir fragen nach beim Sprecher der EU-Agrarkommission: Daniel Rosario, Sprecher der EU-Agrarkommission: „Dies ist eine Entscheidung, bei der die Agrarpolitik der grundsätzlichen Ausrichtung der Kommission und der EU folgt. Wir sind überzeugt, dass sich unsere Politik mehr an dem Markt orientieren sollte. Dies ist keine Verbraucherpolitik, es ist auch keine Gesundheitspolitik, dies sind vollständig andere Problemkreise.“

Agrarpolitik ohne Rücksicht auf den Gesundheitsschutz. In Straßburg treffen wir die Frau, die als erste vor den Folgen dieser Politik gewarnt hat.

Christel Schaldemose, Europäische Sozialdemokraten, MdEP: „Die Wissenschaftler sind sich ziemlich sicher, dieses Produkt ist gefährlich. Ich stimme dem zu, dass wir keine Zuckerquoten in Europa haben sollten. Aber wir können gefährliche Produkte verbieten. Dieser Zuckersirup ist gefährlich und sollte auf dem europäischen Markt nicht erlaubt sein.“

Die wichtigsten Hersteller von Isoglucose produzieren in den USA. Der gefährliche Zuckersirup wird hier aus Mais hergestellt. Verwendet wird er in den USA vor allem in Softdrinks und Süßigkeiten. Doch bereits vor 15 Jahren geriet Isoglucose dort in Verdacht, Fettleibigkeit und Zuckerkrankheit zu verursachen. Heute ist fast jeder zweite Amerikaner Diabetes-gefährdet oder bereits zuckerkrank. In Stuttgart besuchen wir den Lebensmittelexperten Udo Kienle. Die USA hätten die Gefahr erkannt: weniger Zucker durch aufwändige Gesundheitskampagnen. Jetzt aber schwappt die Gefahr nach Europa.

Udo Kienle, Institut für Agrartechnik, Universität Hohenheim: „Seit dem Jahr 2000 geht der Verbrauch von Isoglucose zurück, geht auch der Konsum von Limonaden zurück, aus gesundheitlichen Bedenken. Und deswegen mussten in den USA eine ganze Reihe von Fabriken geschlossen werden. Wenn jetzt in der Europäischen Union der Markt geöffnet wird, ist es ganz klar, dass die industrielle Infrastruktur, die in den USA besteht, genutzt wird, um Isoglucose nach Europa zu exportieren.“

Nach der Freigabe wird bis zu sechs Mal mehr Isoglucose in europäischen Lebensmitteln verwendet werden, schätzen Experten. Denn der Zuckersirup aus Mais ist bis zu 40 Prozent billiger als andere Süßstoffe. Die Verbraucher davor zu schützen, wird schwierig (Krebs, Herzkrankheiten, Diabetes: Süßer Tod – Hunderttausende sterben durch zuckerhaltige Getränke (Video)).

Wichtigster Grund: Das Handelsabkommen mit den USA, kurz TTIP. Europäer und Amerikaner wollen ihre Handelsregeln angleichen – die Verhandlungen sind streng geheim. Die Brüsseler Nichtregierungsorganisation „CEO“ beobachtet seit Jahren den wachsenden Einfluss der Wirtschaft auf die Politik.

Pia Eberhardt bezweifelt, dass mit TTIP ein Verbot von Isoglucose möglich ist. Durch das neue Handelsabkommen werde der Einfluss von Unternehmen auf politische Entscheidungen größer.

Pia Eberhardt, Corporate Europe Observatory: „Wenn das Verbot trotzdem käme, hätten Unternehmen unter Umständen die Möglichkeit, dagegen auf Basis von TTIP zu klagen und Millionen, wenn nicht sogar Milliarden, Schadensersatz am Ende einer solchen Klage zu bekommen – nur für ein Gesetz zum Schutz der Verbraucher.“

https://youtu.be/sh4yooZpYLE

Mexiko musste das bereits bitter erfahren. Seit 1994 hat das Land ein vergleichbares Handelsabkommen mit den USA, das „NAFTA“. Seither exportieren US-Konzerne ihre Isoglucose in das Nachbarland. Mediziner beobachten, Fettleibigkeit und Zuckerkrankheit nehmen zu, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, berichtet Kinderarzt Dr. Villalpando.

Dr. Salvador Villalpando, Kinderarzt: „Das Problem der Fettleibigkeit in Mexiko ist sehr schwerwiegend. Eines von drei Kindern zwischen fünf und elf Jahren ist übergewichtig oder bereits fettleibig. Das ist eine Katastrophe – nicht nur auf kurze, sondern auch auf lange Sicht. Für diese sechs bis acht Millionen Kinder liegt die Wahrscheinlichkeit bei 80 Prozent, dass sie auch im Erwachsenenalter fettleibig und Diabetiker sein werden.“

Im Jahr 2001 belegte Mexiko alle Produkte, die mit dem schädlichen Zuckersirup gesüßt waren, mit einer Strafsteuer von 20 Prozent. Zwei Jahre später verklagte der US-Konzern „Corn Products International“ den Staat Mexiko auf entgangene Gewinne von 325 Millionen Dollar. Rechtsgrundlage: das Handelsabkommen NAFTA.

Eduardo Jaramillo, Generaldirektor Gesundheitsförderung Mexico: „Es ist eine widersinnige Situation entstanden, in der sich die Wirtschaft nicht auf einer Linie mit dem Gesundheitswesen befindet. Natürlich versuchen wir, das besser zu koordinieren, damit Wirtschafts- und Gesundheitspolitik Hand in Hand gehen. Dennoch glaube ich, dass die Gesundheit nicht nur ein Grundrecht ist, sondern auch Priorität einer jeden Regierung sein sollte.“

Ein geheimes Schiedsgericht verurteilte Mexiko: Rücknahme der Strafsteuer und einen Schadenersatz von 58 Millionen Dollar an den US-Konzern. In Brüssel laufen die Geheim-Verhandlungen zu TTIP. Der begründete Verdacht: Was Mexiko widerfahren ist, kann auch in Europa passieren. Weniger Gesundheitsschutz durch ungebremsten Freihandel.

Der Grüne-Europaabgeordnete Martin Häusling befürchtet, kommt TTIP, ist Isoglucose auf dem europäischen Lebensmittelmarkt nicht mehr aufzuhalten. Martin Häusling, GRÜNE im Europaparlament, MdEP, Mitglied Ausschuss Lebensmittelsicherheit: „Allein die Androhung einer Klage wird ja dazu führen, dass dann Politik sagt: Oh, wir riskieren Milliardenstrafen, das müssen alle Bürger bezahlen, dann gehen wir lieber so ein Risiko nicht ein.“

Welches Risiko?

„Das Risiko, dass man sich mit Konzernen anlegt oder jetzt die Normen verschärft.“

Noch steht auf der Verpackung, ob und in welchen Mengen gefährlicher Zucker im Lebensmittel steckt.

Kommt TTIP, sollen sogar solche Hinweise verschwinden. Die Zucker-Konzerne hätten gewonnen – die Verbraucher kaum eine Chance, sich vor dem gefährlichen Zuckersirup zu schützen.

Literatur:

38 Argumente gegen TTIP, CETA, TiSA & Co.: Für einen zukunfts­fähigen Welthandel von Harald Klimenta

Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank machtvon Hans-Ulrich Grimm

Die Freihandelslüge: Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet von Thilo Bode

Die Moral-Industrie: Greenpeace, Amnesty, Attac… Wie NGOs unsere Politik machen von Niko Colmer

Quellen: PublicDomain/ZDF vom 08.09.2015

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