Freitag, April 19, 2024
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Türkei-Experte warnt vor türkischen Nationalisten in Deutschland: „Sitzen auf einem Pulverfass“

Erdogans Hardcore-Anhänger in Deutschland gleichen einem Pulverfass. Dieser Ansicht ist der Türkei-Experte Burat Copur. Er warnt vor nationalistischen türkischen Verbänden in Deutschland und rät von Loyalitätsaufrufen an die Deutsch-Türken ab.

Der Türkei-Experte Burak Copur warnt vor wachsendem türkischen Nationalismus und Islamismus in Deutschland. Bereits seit Längerem bilde sich ein Phänomen, das er „türkische Pegida“ nennt, berichtet die „Neue Osnabrücker Zeitung“. Damit bezeichnet er Hardcore-Erdogan-Anhänger, die ein stark türkisch-nationalistisches Gedankengut vertreten und denen viele deutsch-türkische Politiker nicht türkeitreu genug sind. Diese Unzufriedenen „hantierten mit Kampfbegriffen“ wie „Lügenpresse“ und „Volksverräter“, sagte Burak Copur, Politikwissenschaftler von der Universität Duisburg-Essen.

Es würden durch sie Ängste geschürt. Auch versuchen diese Kräfte, deutsche Abgeordnete mit türkischen Wurzeln einzuschüchtern.

„Wir sitzen hier auf einem Pulverfass“, so der Migrationsforscher. „Wir müssen aufpassen, dass wir Deutsch-Türken nicht weiter in die Arme von Erdogan treiben“. Copur schlägt vor, mit den in Deutschland lebenden Anhängern der Erdogan-Regierung im Dialog zu bleiben.

“Liberale und demokratische Kräfte in türkischer Community stärken”

Deutsch-Türken fühlten sich nach wie vor wie “Menschen zweiter Klasse”, sagt der Wissenschaftler. Die Großkundgebungen nach dem gescheiterten Putschversuch in Köln bezeichnet er als “Schrei nach mehr Anerkennung und Wertschätzung”.

Vor zwei türkischen Verbänden warnte er in der “Osnabrücker Zeitung”: Die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) sei der „politische Lautsprecher und verlängerte Arm der türkischen Regierungspartei AKP in Europa.“ Vor allem in Deutschland kurble die UETD die „Propaganda-Maschine“ des türkischen Staatspräsidenten Erdogan an.

Das Netzwerk des islamischen Exilpredigers Fethullah Gülen sei eine „januskopfartige Bewegung mit einem sozial-zivilgesellschaftlichen und einem politisch-militaristischen Gesicht“. Copurs Einschätzung: „Die zivilgesellschaftlichen Vertreter der Gülen-Bewegung stehen eher für Themen wie religiösen Dialog und Integration.“ Doch die innerhalb der Türkei organisierte Gülen-Anhänger hätten stets einen klaren Machtanspruch verfolgt. (Die „Sündenbock-Theorie und Denunziationskampagne des Erdogan-Regimes“ gegenüber dem Gülen-Netzwerk verurteilt er jedoch.)

Copur schlägt deshalb vor, man solle “die liberalen und demokratischen Kräfte in der türkischen Community” in Deutschland stärken. Einem zu hastigen Vorgehen gegen Versäumnisse “einer verschlafenen Integrationspolitik” steht er dagegen kritisch gegenüber. Genauso wie er von politischen Loyalitäts -Aufrufen an die Adresse der Deutsch-Türken abrät. Werte und Normen ließen sich nicht von oben verordnen, sagt Copur.

Merkel hatte Loyalität gefordert

Erst im August hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel von den Deutschen mit türkischer Abstammung Loyalität zur Bundesrepublik gefordert – in Reaktion auf die große Pro-Erdogan-Demo in Köln. „Von den Türkischstämmigen, die schon lange in Deutschland leben, erwarten wir, dass sie ein hohes Maß an Loyalität zu unserem Land entwickeln“, sagte die Kanzlerin damals laut “Passauer Neue Presse”.

Dafür wurde sie von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), kritisiert. Eine deutliche Mehrheit der Türkischstämmigen fühle sich „unserem Land zugehörig“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir sollten daher diesen Menschen nicht pauschal Loyalitätskonflikte unterstellen.“

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