Dienstag, April 16, 2024
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„Ungeheuerlicher Vorgang“: Doppelrolle von Beamtin im Amri-Ausschuss enthüllt

Immer wenn es richtig spannend wurde, grätschte die Beamtin aus dem Bundesinnenministerium dazwischen, so dass Zeugen bestimmte Fragen nicht beantworten durften. Dass die Frau selbst im Verfassungsschutz arbeitete und somit vom Amri-Untersuchungsausschuss als Zeugin hätte befragt werden können, haben die Bundestagsabgeordneten viel später erfahren.

Die Doppelrolle der ehemaligen Verfassungsschützerin Eva Maria H. sorgt im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz für Unmut. Nach eigenen Angaben hätten Bundestagsabgeordnete, die mögliche Behördenfehler vor dem Attentat auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz untersuchen sollten, erst am Dienstag aus einem Schreiben erfahren, dass eine Beamtin des Bundesinnenministeriums, die an den Sitzungen des Ausschusses teilgenommen hatte, „mindestens bis Sommer 2016“ selbst beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in der Abteilung für Islamismus gearbeitet hatte. Theoretisch hätte sie damit als Zeugin im Ausschuss befragt werden können. Die „Welt“ hatte zuerst darüber berichtet.

Kontakte zu Kontaktmännern von Amri?

Nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (DPA) sei die Beamtin im Bundesamt sogar für die Auswertung von Informationen über zwei Kontaktleute des späteren Attentäters Anis Amri zuständig gewesen. Einer von ihnen sei der Deutsch-Serbe Boban S., der jetzt in Celle vor Gericht steht. Er soll Kämpfer für die Terrormiliz „Islamischer Staat“* in Syrien rekrutiert haben. Ihn soll die Beamtin bis August 2016 im Blick behalten haben, berichtet die DPA. Amri soll sich zudem zeitweise in der Dortmunder Wohnung von Boban S. aufgehalten haben. Der zweite Kontaktmann, der für Amri in Berlin eine Bleibe besorgt haben soll und mit dem sich die Beamtin Eva Maria H. in ihrer Zeit beim Verfassungsschutz befasste, heiße Kamel A.„Ungeheuerlicher Vorgang“

„Einen Interessenkonflikt halte ich für möglich“, sagte der Ausschussvorsitzende Armin Schuster am Mittwoch gegenüber der DPA. In welchem Umfang die Beamtin damals mit den Maßnahmen des Verfassungsschutzes im Umfeld von Amri in Berührung gekommen sei, werde der Ausschuss jetzt prüfen, so Schuster: „Das Bundesinnenministerium muss dem Ausschuss nun erklären, warum uns die mögliche Zeugeneigenschaft bisher nicht aufgezeigt wurde.“

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums verteidigte auf DPA-Anfrage die Entscheidung des Ministeriums: „Die Aufklärungsrechte des Untersuchungsausschusses sind von der Auswahl der Beauftragten unabhängig und bleiben vollumfänglich gewahrt.“ Streitfälle könnten nun vor Gericht gebracht und die Vorlage bislang gesperrter Dokumente oder Aussagen zu bestimmten Sachverhalten angeordnet werden, wenn der Ausschuss entsprechende Zweifel hegen sollte.

Die Beamtin sei während der Vernehmung von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes mehrfach eingeschritten, um Aussagen zu verhindern, die nach ihrer Einschätzung nicht in einer öffentlichen Sitzung getätigt werden sollten. Von einem „ungeheuerlichen Vorgang“ sprach der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz. Sein Vertrauen in das Aufklärungsinteresse der Regierung sei deshalb tief erschüttert. Gegenüber der „Welt“ kritisierte die Linken-Obfrau Martina Renner, dass sie die Aufklärungsarbeit des Ausschusses gefährdet sehe.

Der Tunesier Anis Amri war am 19. Dezember mit einem gestohlenen Lastwagen in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin gerast und tötete dabei zwölf Menschen. Er setzte sich nach der Tat nach Italien ab, wo er später von der Polizei erschossen wurde.

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