Donnerstag, April 25, 2024
StartPolitik„Völlig inakzeptabel“: Linke bewertet GroKo-Pläne zu Militär, Flucht und Rente

„Völlig inakzeptabel“: Linke bewertet GroKo-Pläne zu Militär, Flucht und Rente

Hochzufrieden gaben sich die Spitzen von Union und SPD bei der Vorstellung ihres Sondierungspapiers. Völlig anders sieht das die Linke im Bundestag. Vor allem die Pläne zur Militarisierung der EU sind demnach gegen den Willen des Volkes. Auch beim Thema Rente und Steuern werden nur alte Fehler korrigiert. Von Aufbruch sieht die Linke keine Spur.

Nach einem tagelangen Verhandlungsmarathon stellten Bundeskanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Martin Schulz und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer in Berlin ihr 28-seitiges Sondierungspapier vor. Die Reaktion seitens der Partei die Linke darauf ist eindeutig: Von Innovation und Aufbruch sei keine Spur, so Fraktionschef Dietmar Bartsch:

„Ich bin einigermaßen überrascht, wenn ich die Einschätzung der beiden zukünftigen Minister und der Kanzlerin gehört habe. Es ist Fakt, dass die ruhige Hand von Frau Merkel zu einer eingeschlafenen Hand geworden ist.“

Im Themenbereich „Außen, Entwicklung und Bundeswehr“ konnten sich CDU, CSU und SPD dann aber doch auf eine Linie verständigen: Die Ausgaben im Bereich Verteidigung und Entwicklungszusammenarbeit sollen um zwei Milliarden Euro aufgestockt werden. Der Verteidigungsexperte der Linksfraktion im Bundestag, Dr. Alexander Neu, befürchtet:

„Ich glaube nicht, dass diese zwei Milliarden für die Entwicklungshilfe gedacht sind, sondern vorwiegend ins Militär gehen sollen. Da bin ich immer sehr skeptisch, wenn weitere Steuergelder in Rüstung verschwendet werden sollen.“

Mit Blick auf Europa wollen die potentiellen GroKo-Parteien das EU-Verteidigungsbündnis Pesco „stärken und mit Leben füllen“, wie es in dem Sondierungspapier heißt. Union und SPD einigten sich außerdem auf umfassende Reformen in der EU und der Euro-Zone. Befürwortet werden auch spezifische Haushaltsmittel für die wirtschaftliche Stabilisierung der Euro-Zone. Der Linkspolitiker Neu hält vor allem die zunehmende Militarisierung der EU für einen großen Fehler:

„Insbesondere Martin Schulz legt Wert auf mehr Europäische Union. Er hat also den Warnschuss nicht gehört, dass die Menschen in der Europäischen Union diesem Bürokratiemonster EU mit seinem Defizit an Transparenz und Friedenswillen nicht noch mehr Kompetenzen geben möchten.“

Lediglich beim Thema Rüstung gibt es laut der Partei die Linke eine positive Entwicklung: Die Bundesregierung will laut Sondierungspartnern ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, die aktuell am Krieg im Jemen beteiligt sind. Das beträfe vor allem Saudi-Arabien. Auch soll die Rüstungsexportrichtlinie aus dem Jahr 2000 geschärft werden. Alexander Neu ist nur bedingt euphorisch:

„Mit fehlt hier der definitive Schlussstrich unter die Rüstungsexporte. Man spricht von der Schärfung der Richtlinien. Aber warum Richtlinien, warum kein Rüstungsexportgesetz? In dem sollte ganz klar die Rüstung eingeschränkt oder am besten ganz verboten werden.“ 

Nicht nur beim Thema Außenpolitik ist die Linke mit den Sondierungsergebnissen unzufrieden. Ein großes Problem sieht die Partei auch in den Plänen zur Rente. Hier kündigten Union und SPD eine besondere Rente für Geringverdiener an. Wer jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt hat, soll ein regelmäßiges Alterseinkommen von zehn Prozent oberhalb des regionalen Grundsicherungsbedarfs zugesichert bekommen. Der Rentenexperte der Linksfraktion im Bundestag, Matthias W. Birkwald, sieht die Interessen der Bevölkerung nur bedingt vertreten:

„Die sogenannte ‚Grundrente‘ verdient ihren Namen nicht. Sie wird die finanzielle Situation von Menschen mit langen Beitragszeiten nur minimal verbessern. Echte Armutsbekämpfung ist das aber nicht.“

Stattdessen bedürfe es laut Birkwald einer Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro und eine echte solidarische Mindestrente. Immerhin, seitens der Sondierungsparteien soll das Rentenniveau bis 2025 auf dem jetzigen Stand von 48 Prozent gehalten werden. Die Stabilisierung des Rentenniveaus war eine wichtige Forderung der SPD. Laut Birkwald ein Erfolg, der aber nur ein erster Schritt sein könne:

„Wir haben den Verfall gestoppt, aber jetzt kommt es darauf an, die Talfahrt nicht nur aufzuhalten, sondern die Renten deutlich anzuheben. Dazu brauchen wir aber Geld aus Steuern und Beiträgen. Die Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge auf 40 Prozent schränkt den Spielraum für eine gute Rentenpolitik massiv ein.“

Auch ein weiteres Thema sorgt für Unverständnis bei der Opposition: Beim Streit um den Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz einigten sich Union und SPD auf einen Kompromiss. So soll monatlich 1000 Menschen der Nachzug nach Deutschland gewährt werden. Vor allem die SPD habe bei diesem Beschluss eine schlechte Figur gemacht, findet Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch:

„Auch hier wurde versucht, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Ich bin sehr gespannt, wie das rechtlich durchgesetzt werden soll. De facto hat sich die CSU hier mit ihrer Linie, was den Familiennachzug angeht, durchgesetzt.“

Ob die Pläne von Union und SPD tatsächlich umgesetzt werden, liegt jetzt vor allem an der SPD-Basis. Auf einem Bundesparteitag am 21. Januar in Bonn will die Parteispitze um Martin Schulz alle Delegierten davon überzeugen, Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU aufzunehmen. Die Mehrheit der anwesenden Genossen müsste dafür mit Ja stimmen. Mit Blick auf die Versammlung hat Dietmar Bartsch einen Appell an die Sozialdemokraten:

„Ich wünsche mir und hoffe, dass aus der Basis der SPD Druck entsteht und dass man dieses Sondierungsergebnis nicht so ohne weiteres durchlaufen lässt. Es ist insgesamt enttäuschend für das Land.“

SPD-Chef Martin Schulz will nun gemeinsam mit dem Parteivorstand, der Fraktionsspitze und den Bundestagsabgeordneten in der kommenden Woche durch Deutschland reisen und für das Sondierungsergebnis bei der Parteibasis werben. Vor allem der linke Flügel der Partei und die Jusos haben massiven Widerstand gegen die GroKo-Pläne angekündigt. Somit ist der 21. Januar eine wichtige Hürde im Ringen um eine neue Bundesregierung. Ein Scheitern der Regierungsbildung ist weiterhin keinesfalls ausgeschlossen.

Autor: Marcel Joppa

Interview mit Alexander Neu (Linkspartei)

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