Donnerstag, April 25, 2024
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Wagenknechts Revolution: Da kommt was auf uns zu …

Sie ist die Galionsfigur der Linken. Manches Parteimitglied nennt sie Fluch und Segen zugleich. Ein Garant für Quoten in Talkshows, ein Publikumsmagnet bei Veranstaltungen, dennoch häufig unnahbar und bekannt für Alleingänge.

Wie ist Sahra Wagenknechts Rückhalt in der eigenen Partei? Und welche Pläne verfolgt sie persönlich?

Was nach der Rede von Sahra Wagenknecht auf dem vergangenen Parteitag der Linken geschehen ist, lässt sich mit einem Fußball-Vergleich erklären: Nach dem sicher gewonnen geglaubten Heimspiel ging die Partie für die Fraktionschefin unerwartet in die Verlängerung. Hier sah sich Wagenknecht gleich einem ganzen Hagel von Kontern ausgesetzt.

Mit oder gegen die Partei?
Der Vorwurf einiger Delegierter: Wagenknecht habe auf dem Parteitag zwei Tage lang geschwiegen, nur mit den anwesenden Medien gesprochen, um dann erst am Sonntag ihre Positionen vom Podium zu verkünden. Die linke Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Elke Breitenbach, konnte sich kaum bremsen:

„Du zerlegst gerade dadurch, dass du seit Monaten keine Debatten zulässt, diese Partei. Du ignorierst die Position der Mehrheit dieser Partei. Und du hast jetzt wieder nachgelegt“

Der Bundestagsabgeordnete Alexander Neu konterte am Saal-Mikrofon, er könne nicht nachvollziehen, dass aus dem Berliner Landesverband Kritik an Wagenknecht laut werde und nicht über Abschiebungen aus dem von Rot-Rot-Grün regierten Berlin diskutiert werde. Diese liegen im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch.

Beistand für Sahra
Gleich mehrere Abgeordnete der Linksfraktion des Bundestages springen der Fraktionsvorsitzenden an diesem Sonntag zur Seite. Fabio de Masi etwa erklärte, wer Wagenknecht und andere mit der AfD gleichsetze, habe „zu nah an der Wand geschaukelt“. Das linke Urgestein Diether Dehm vermeldete:

„Ich habe einen Traum, dass die Polizei eine Roma-Familie abschieben möchte, und auf der Treppe vor dem Haus sitzen Sahra Wagenknecht und Katja Kipping und verhindern es gemeinsam!“

Beendet wird die Debatte schließlich, als Katja Kipping, Bernd Riexinger, Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht gemeinsam die Bühne betreten und ankündigen, den Streit auf einer Klausurtagung von Fraktion und Vorstand zur Sprache zu bringen.

Wie groß ist Wagenknechts Rückhalt?
Die 48-Jährige steht innerhalb ihrer Fraktion keineswegs allein. Zu ihren Fürsprechern wie Dehm, Neu und de Masi werden unter anderem auch die Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen und Andrej Hunko gezählt. Sie alle stehen politisch beispielsweise für einen Annäherungskurs gegenüber Russland und für eine Einwanderungspolitik, die die Bekämpfung von Fluchtursachen in den Vordergrund stellt. Wagenknecht sieht die Aufnahmefähigkeit Deutschlands als begrenzt.

Dem gegenüber stehen als parteiinterne Kritiker neben Katja Kipping der Außenpolitiker Stefan Liebich, der ehemalige Abgeordnete Jan van Aken oder auch der Berliner linke Kultursenator Klaus Lederer. Die Rolle Russlands wird dort aufgrund des Ukraine-Konflikts und des Kriegs in Syrien eher kritisch gesehen. Sie treten außerdem für „offene Grenzen für alle“ ein und lehnen Abschiebungen ab.

Doch auch den größten Gegnern innerhalb der Linkspartei dürfte klar sein: Die Popularität ihrer Fraktionschefin spricht für sich. Während Bartsch, Kipping und Riexinger die Abstimmungen auf dem Parteitag aus der ersten Reihe verfolgen, hielt es Wagenknecht nicht lange auf ihrem Stuhl. Fast schon majestätisch wandelte sie mit einem „Hofstaat“ aus Kameraleuten und Securities durch die Halle von Interview zu Interview.

Wer kann, der kann …
Laut einer INSA-Umfrage würde fast jeder vierte Deutsche Sahra Wagenknecht zur Kanzlerin wählen. Wohlgemerkt: Wagenknecht hätte rund 25 Prozent – nicht ihre Partei. Das muss Katja Kipping gehörig gegen den Strich gehen. Die gebürtige Dresdnerin würde sich selbst gern an der Fraktionsspitze ihrer Partei sehen. Das würde die Linke momentan aber wohl einige Stimmen kosten, weiß auch der Parteivorstand. Der Treppen-Traum von Diether Dehm dürfte deshalb vorerst auch ein Traum bleiben.

Linke – sammelt euch!
Ein großes Geheimnis bleibt weiterhin die von Wagenknecht und ihrem Ehemann Oskar Lafontaine angekündigte linke Sammelbewegung. Selbst ihr nahestehende Politiker aus den eigenen Reihen wissen darüber nichts Genaues. Auf dem Parteitag sagte sie lediglich:

„Es geht doch nicht um ein Alternativprojekt zur Linken, das uns schwächen soll. Sondern es geht darum, dass wir breiter und stärker werden, wenn wir die Politik in diesem Land verändern wollen.“

Es könne nicht genügen, bei der nächsten Bundestagswahl ein oder zwei Prozent mehr zu bekommen. Die SPD habe in den vergangenen Jahren über 10 Millionen Wähler verloren. Man müsse sich deshalb fragen, warum so wenige davon in der eigenen Partei angekommen seien.

Wo sind all die Wähler hin?
Wird Oskar Lafontaine vielleicht etwas konkreter? Geht so. Es gehe darum, linke Kräfte in einer Bewegung zu vereinen und Forderungen zu vertreten, die die große Mehrheit der Bevölkerung herbeiwünsche:

„Es geht um die Frage: Wie können Ziele, die von der Mehrheit der Bevölkerung gewollt sind, aber von der Mehrheit des Bundestages nicht mehr vertreten werden, eine Chance auf Realisierung haben?“

So Lafontaine gegenüber „Weltnetz TV“. Wie jedoch eine gemeinsame Bewegung erreicht werden könnte, soll erst im September ans Licht der Öffentlichkeit gelangen. Bis dahin bleibt dies wohl erst einmal ein Geheimnis zwischen Wagenknecht, Lafontaine und sehr wenigen Eingeweihten. Eine führende Rolle werden sie aber in jedem Fall spielen.

Eine linke Revolution?
Ende Juni wird Wagenknecht auch Hauptrednerin bei einer Protestaktion vor der US-Militärbasis Ramstein nahe Kaiserslautern sein, um Stimmen aus der breit aufgestellten Friedensbewegung zu sammeln. Die Frau, die immer wieder mit Rosa Luxemburg verglichen wird, könnte so vielleicht bald zu einer modernen Revolutionsführerin werden – wenn ihr die eigene Partei den Rücken stärkt. Und wenn sie verschiedene linke Kräfte in ihre Ideen einbezieht. Nicht nur mit Auftritten in Talkshows, sondern auch im persönlichen Gespräch und auf der Straße.

Marcel Joppa

Quelle!

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