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Wahl in Großbritannien im Blick von Unabhängigkeitsbewegungen

Foto: David Cameron / Toms Norde, Valsts kanceleja / CC BY-SA 2.0

Die Wahlen zum britischen Unterhaus und zum katalonischen Parlament

Von Reynke de Vos – Vertreter nationaler Minderheiten blicken zwei Terminen mit geschärftem Interesse entgegen: der Unterhauswahl im Vereinigten Königreich am 7. Mai sowie der Parlamentswahl in Katalonien am 27. September. Sie hoffen nämlich, aus den von Schotten und Katalanen bisher schon erreichten und künftig zu erringenden Etappen auf dem Weg in die Selbstbestimmung Ansporn und Kraft für jeweils gewagte (oder zu wagende) eigene Schritte ableiten zu können. Sie konzentrieren sich darauf, wie Nicola Sturgeon, Nachfolgerin Alex Salmonds an der Spitze der Scottish National Party (SNP) und ihres Landes, künftig politisch verfahren wird, um trotz der Niederlage beimFehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 2) Unabhängigkeitsreferendum 2014 dem Ziel verstärkter staatlicher schottischer Eigenständigkeit oder gar doch noch des „Los von London“

näherzukommen.

Signale, die sie während des Wahlkampfs aussandte, schienen auf den ersten Blick anzuzeigen, dass die Unabhängigkeitsfrage auf absehbare Zeit nicht mehr so sehr wie unter Salmond auf der politischen Agenda aufscheinen würde. Frau Sturgeon stellte nämlich eine „fortschrittlichen Allianz” mit Labour in London in Aussicht. Für Labour-Chef Ed Miliband, Herausforderer des konservativen Premiers David Cameron, eine kaum auszuschlagende Verlockung, zumal da er auf die SNP-Abgeordneten wenn nicht als Koalitionäre so doch als Mehrheitsbeschaffer angewiesen sein dürfte. Umfragen prophezeien der SNP in Schottland um die 45 Prozent der Stimmen, Labour verheißen sie indes nur 28 (in ganz Großbritannien 33) Stimmenprozente. Aufgrund des klassischen Mehrheitswahlrechts – wer im Wahlkreis die höchste Stimmenzahl erreicht, ist als Abgeordnete(r) gewählt – wird die SNP höchstwahrscheinlich 50 der 59 schottischen Unterhaus-Mandate erringen und damit wohl zur drittstärksten Partei in Westminster aufsteigen. Denn keine Umfrage zeitigte Ergebnisse, wonach Nick Cleggs Liberaldemokraten, Koalitionspartner von Camerons Conservative Party, ihren Wahlerfolg von 2010 wiederholen könnten; sie dürften daher im nächsten Unterhaus unter den 650 Abgeordneten allenfalls eine Randposition einnehmen.

Da die Tories mit Einbußen rechnen müssen, hervorgerufen durch die demoskopisch als erstarkend ausgewiesene United Kingdom Independant Party (Ukip) des Nigel Farage, aber auch etwa durch die walisische Nationalpartei Plaid Cymru oder durch Grüne, weist alles auf ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“ zwischen Cameron und Miliband hin. Die Stunde der SNP kommt, wenn Miliband vom Angebot Frau Sturgeons Gebrauch machen muss, die klipp und klar kundtat: „Wenn es nach der Wahl eine Anti-Tory-Mehrheit gibt im Unterhaus, dann sollten wir beide gemeinsam David Cameron aus der Downing Street heraus halten – selbst wenn die Konservativen stärkste Partei sind”. Diese Unterstützung – nur diese, denn ideologisch so gut wie ausgeschlossen ist ein Bündnis mit Cameron und seiner Conservative Party, da die SNP eine linksgerichtete Partei ist – wird ihren Preis haben und nur durch massive Zugeständnisse hinsichtlich der weiteren Verselbständigung Schottlands erkauft werden können. Parteichefin Sturgeon jedenfalls dürfte das Ziel vor Augen haben, sich die Unterstützung Milibands mittels einer verbindlicher Zusage für ein neuerliches Unabhängigkeitsreferendum – nach einem allfälligen SNP-Erfolg bei den Wahlen zum schottischen Parlament in Edinburgh, die schon 2016 anstehen – entgelten zu lassen.

Was sich infolge der Wahl künftig auf den britischen Inseln zutragen wird, verfolgen Tiroler zwischen Brenner und Salurn sowie benachbarte Trientiner, mit denen sie seit 1948 in einer ungeliebten Region zwangsvereint sind, sowie Leghisten und Aktivisten von Unabhängigkeitsbewegungen in der Lombardei und im Veneto. Ja selbst Sarden und Sizilianer, wenngleich mehr als alle anderen Provinzen Italiens abhängig von Infusionen aus Rom (und Brüssel), finden Geschmack am Rumoren beidseits des Hadrianswalls. Dasselbe gilt für Flamen, Korsen, Okzitaner, Elsässer und Bretonen sowie nicht zuletzt für die Basken beidseits der Pyrenäen – wiewohl diese Volksgruppen mehr die Vorgänge auf der iberischen Halbinsel denn die jenseits des Ärmelkanals im Blick haben dürften.

Wegen des Aufbegehrens der selbstbewussten Katalanen – einer eigenständigen Nation nach eigenem Verständnis – gegen Madrid hat sich für die Einheit Spaniens ein existentieller Konflikt ergeben. Die Mehrheit der Bevölkerung Kataloniens möchte schon seit langem über die politische Zukunft ihres Landes abstimmen. Sie will darüber befinden, ob Katalonien Teil Spaniens bleiben oder ein unabhängiger Staat – und als solcher „ein eigenständiges Mitglied der Gemeinschaft souveräner Staaten im Rahmen der EU“ – werden soll, wie ihr Regierungschef Artur Mas sagt. Das Streben nach Unabhängigkeit ist bei Gott keine Erfindung der Katalanen: Seit 2004 sind der EU 13 Staaten beigetreten, von denen sieben ihre Unabhängigkeit erst nach 1990 erlangten.

Die Katalanen haben ihren Wunsch, abstimmen zu wollen, mehrmals auf friedliche Weise zum Ausdruck gebracht. So demonstrierten 1,5 Millionen im September 2012 in Barcelona unter dem Motto „Katalonien, der nächste Staat Europas“. 2013 bildeten deren zwei Millionen eine 400 Kilometer lange Menschenkette, und 2014 formte eine ähnlich große Zahl von Katalanen ein riesiges V auf den Straßen der Hauptstadt. Für ein Land mit knapp 7,5 Millionen Einwohnern sind dies beeindruckende Zahlen, welche für eine Bewegung stehen, die Mitglieder, Anhänger und Sympathisanten fast aller politischen Parteien Kataloniens in sich vereint.

Aus Umfragen geht indes hervorgeht, dass sich unter den 80 Prozent derjenigen, die eine Volksbefragung befürworten, durchaus auch viele Gegner der staatlichen Selbständigkeit Kataloniens befinden; sie treten aber für das Recht der Bevölkerung auf Abstimmung, somit für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts ein. Im katalanischen Parlament haben zwei Fünftel der Abgeordneten ihre Absicht bekundet, abstimmen zu wollen, ebenso 97 Prozent aller Bürgermeister sowie die meisten Organisationen des Landes.Für Madrid jedoch ist eine Volksabstimmung in Katalonien gemäß Staatsverfassung, wonach „Spanien unteilbar ist“, nicht zulässig. Da Regierung und Justiz Spaniens mit allen zu Gebote stehenden Mitteln Referenden blockieren, wie es sie in Kanada bezüglich Québec 1980 und 1995 sowie in Großbritannien bezüglich Schottland 2014 aufgrund von in gegenseitigem Respekt getroffenen Übereinkünften gegeben hatte, bleibt den Katalanen nach Mas’ Ansicht „nur die Parlamentswahl, um herauszufinden, ob die Absicht, einen eigenständigen Staat zu gründen, über die die notwendige Unterstützung in der Bevölkerung verfügt“. Alle Parteien, die sie unterstützen, bringen diese Option explizit in ihren Wahlprogrammen zum Ausdruck, so dass der Grad der Unterstützung unmissverständlich und zweifelsfrei ermittelt werden kann. Fällt das Ergebnis eindeutig aus, so hat die daraus hervorgehende Regierung ein demokratisches Mandat zu erfüllen, nämlich den Aufbau staatlicher Strukturen zu vollenden, damit – nach Verhandlungen mit der spanischen Regierung und der Europäischen Union über Zeitplan sowie Bedingungen für die Gründung eines neuen europäischen Staates – ein reibungsloser Vollzug möglich werden kann. Daher trägt die Wahl zum katalanischen Parlament am 27. September zwangsläufig plebiszitären Charakter und gilt allen gleichgesinnten und vor ähnlich hohen zentralstaatlichen Hürden stehenden Unabhängigkeitsbewegungen als Initiationszeichen mit Vorbildwirkung für eigene Initiativen.

Verteiler: Neopresse

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