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Warnung vor zunehmend gewalttätigem Rassismus in Österreich

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Laut Zara-Bericht finden "immer mehr Übergriffe mit physischer Gewalt" statt. Die Politik schaut großteils weg

Immer noch werden in Österreich Menschen belächelt, kritisiert – oder auch ignoriert –, die den weit verbreiteten Rassismus aufzeigen und verstärkt

Maßnahmen gegen ihn fordern. So etwa die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Antirassismusvereins Zara, die vergangene Woche ihren Jahresbericht 2014 präsentierten.

In dem Bericht werden auch diesmal wieder rassistische

Vorfälle geschildert, die von der Zara-Meldestelle dokumentiert worden sind. Doch im Unterschied zu früheren Jahren rief der 2014-Report heuer, von den Grünen abgesehen, keine politischen Reaktionen hervor: ein Desinteresse, das angesichts des Erhobenen und Beschriebenen hinterfragenswert erscheint.

Ausartende Verbalattacken

Denn in den 66 für die Öffentlichkeit dokumentierten Vorfällen manifestiert sich ein Trend, der, wie Zara-Mitarbeiterin Lilian Levai bei der Vorstellung des Berichts sagte, auch in der Gesamtheit der 794 gesammelten Fälle zu beobachten sei: "Uns werden immer mehr Übergriffe mit physischer Gewalt gemeldet." Offenbar würden verbale rassistische Attacken immer öfter in körperliche ausarten – mit zum Teil erheblichen Verletzungsfolgen bei den Attackierten.

So etwa, um mit einer Wiener Alltagssituation zu beginnen, an einem Nachmittag im Lift einer Wiener U-Bahn-Station: Ein Pensionist "serbischer Herkunft" ersucht zwei Männer, zusammenzurücken, um im Aufzug Platz für eine "ausländisch" aussehende Frau mit Kinderwagen zu machen. "Für Ausländer sicher nicht", antwortet einer der beiden.

Schwere Verletzungen

Der Pensionist fragt nach, warum – worauf ihn der Ausländerfeind beim Aussteigen am Kragen packt und ihm einen starken Schlag aufs Auge versetzt. Die Folgen: Jochbeinbruch, Augenverletzung, mehrfache Operationen.

Auch manche Polizisten dürften im Erkennen rassistischer Übergriffe und der diesbezüglichen Unterscheidung zwischen Täter und Opfer noch nicht fit sein. So wurde laut Zara-Bericht ein Nigerianer von einer Kassierin in Wien völlig grundlos aus einem Wettbüro gewiesen. Als er sich zu gehen weigerte, holte die Frau die Polizei.

Faustschlag mitten ins Gesicht

Diese kam, doch da war der Nigerianer schon von anderen Wettbüro-Gästen aus dem Lokal geworfen worden. Dabei hatten sie ihn gestoßen und geschlagen, und einer der Männer hatte ihm einen Fausthieb mitten ins Gesicht verpasst – worauf er zu Boden ging.

Doch als die Polizei dann da war, half ihm keiner der Beamten auf. Im Gegenteil: Ein Polizist drückte das Gesicht des Nigerianers zu Boden, legte ihm Handschellen an, beschimpfte ihn auf Englisch als "Drogendealer". Dann wurde der Mann auf die Polizeiinspektion gebracht und bekam eine Verwaltungsstrafe aufgebrummt. Als er endlich gehen durfte, fuhr er in eine Spitals-Notaufnahme. Sein Befund: Prellung der Brustwirbelsäule, Prellung und Abschürfung des linken Knies.

Nicht rechtskräftig aufgeklärt

So weit nur zwei einer ganzen Reihe von Fällen im neuen Zara-Bericht, die auf eine niedriger gewordene Hemmschwelle gegenüber körperlicher Gewalt bei rassistischen Streitereien oder rassistisch motivierten Diskriminierungen und Übergriffen hinweisen.

Zwar sind beide Zwischenfälle, wie die meisten im Bericht geschilderten Causen, noch nicht rechtskräftig aufgeklärt. Doch wenn die Rassismusexpertinnen und -experten von Zara – mit ihrem in Österreich bei diesem Thema wohl stärksten Praxisbezug – zunehmend offene Gewalt diagnostizieren, sollte dies Behörden und Politiker zum Hinschauen und Nachdenken über Gegenmaßnahmen animieren. Und nicht, wie eingangs geschildert, zum Wegschauen.

(Irene Brickner, derStandard.at, 24.3.2015)

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