Mittwoch, April 24, 2024
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Was zieht das polnische „Erdbeben“ nach sich?

In Warschau hat sich in der vorigen Woche ein politisches „Erdbeben“ ereignet – in Form einer Umstrukturierung des Kabinetts. Dabei wurden gleich neun neue Minister bzw. Ministerinnen ernannt, schreibt die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Mittwoch.

Zwar war schon lange über die Zweckmäßigkeit von Neuernennungen gesprochen worden, aber ihre Gründe sind nicht ganz klar und in einigen Fällen sogar umstritten. Natürlich wollte Polen sein außenpolitisches Image „aufpolieren“ und zugleich erreichen, dass seine eigenen Bürger die Regierung möglichst positiv wahrnehmen. Aber dahinter musste noch mehr stecken, zumal die Regierungspartei „Gesetz und Gerechtigkeit“ von Jaroslaw Kaczynski nach wie vor die unumstrittene Führungskraft im Lande bleibt.

Laut jüngsten Umfragen darf sie sich über die Unterstützung von 43 Prozent der Mitbürger freuen. Zum Vergleich: Die stärkste Oppositionspartei „Bürgerplattform“ dürfte aktuell mit nur 19 Prozent der Wählerstimmen rechnen.

„Wer die Partei ‚Gesetz und Gerechtigkeit‘ besiegen will, sollte nicht versuchen, zu dem zurückzukehren, was wir schon hatten“, sagte der Politologe Maciej Gdula: „Man müsste etwas ganz Neues vorschlagen und seine Ansichten zu den für ‚Gesetz und Gerechtigkeit‘ wichtigen Themen präsentieren.“

Vorerst scheint die Opposition keine „eigenen Themen“ zu haben, die für die Volksmassen wichtig wären. Der Vorsitzende der „Bürgerplattform“, Grzegorz Schetyna, stellte die Entlassung der wichtigsten Minister als einen Erfolg seiner Partei dar: „Das hatten wir mit der Nase gespürt.“ Aber eigentlich ist der Kaczynski-Partei ein taktischer Trick gelungen: Einerseits wurden mehrere viel kritisierte Minister entlassen, andererseits aber genießt sie weiterhin das Vertrauen der Wähler.

Zwar wirkte die Entlassung von Ministerpräsidentin Beata Szydlo etwas überraschend, besonders nachdem sie vom „Forbes“-Magazin zu den zehn einflussreichsten Frauen der Welt gezählt worden war. Aber der der Machtspitze nahestehende Politologe Mihal Kaminski erklärte ihren Rücktritt wie folgt:

„Sie war keine passende intellektuelle Partnerin für den Vorsitzenden Kaczynski, und (der neue Premier) Morawiecki ist höchstwahrscheinlich einer.“ Zugleich vermutete der Experte, dass Kaczynski an die Nachhaltigkeit der Macht denke.

Das könnte wirklich so sein: Bei allen Veranstaltungen von „Gesetz und Gerechtigkeit“ sitzen rechts und links vom Parteichef seine treuesten Mitstreiter: Mariusz Blaszczak und Joachim Brudzinski. Blaszczak ist jetzt Verteidigungsminister und Brudzinski Innenminister.

Blaszczak löste an der Spitze der Militärbehörde Antoni Macierewicz ab, der für mehrere Skandale sowie für seine zahlreichen antirussischen Eskapaden bekannt war. Unter anderem behauptete er, der Absturz des Flugzeugs mit Präsident Lech Kaczynski an Bord im April 2010 bei Smolensk (Russland) wäre das Ergebnis einer Verschwörung gewesen. Nach der Entlassung wurde er an die Spitze der Unterkommission für die Ermittlung der Gründe dieser Katastrophe gesetzt.

Was die russisch-polnischen Beziehungen angeht, so sind nach den Umbesetzungen in Warschau wohl keine positiven Veränderungen erwarten. Es wurde zwar gesagt, die neue Regierung solle sich um die Verbesserung der internationalen Beziehungen kümmern, aber gemeint sind damit die Beziehungen zwischen Warschau und Brüssel, die gerade eine sehr schwierige Phase durchleben.

Deshalb flog der neue Premier Mateusz Morawiecki gleich nach seiner Amtseinführung nach Brüssel, um sich mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zu treffen.

Und der neue Außenminister Jacek Czaputowicz begab sich am Montag nach Bulgarien, das seit Jahresanfang EU-Vorsitzender ist. Dort beteuerte er nach einem Treffen mit seiner Amtskollegin Jekaterina Sacharewa, Warschau sei am Dialog mit der EU-Kommission interessiert, möchte aber, dass sich an der Regelung der Situation der EU-Gerichtshof beteiligt. Heute wird er dieses Thema mit dem deutschen Amtskollegen Sigmar Gabriel besprechen, und am Montag steht ihm voraussichtlich ein Treffen mit dem Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, bevor.

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