Donnerstag, April 25, 2024
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Wiener Zirkus um Burka-Verbot: Clown als Staatsbedrohung

Die Polizei in Österreich geht gegen Clowns und maskierte Straßenmusiker vor – nicht weil das besonders lustig ist, sondern weil ein neues Gesetz es verlangt. Was im Rahmen der Burka-Debatte beschlossen wurde, nimmt jetzt absurde Züge an. Sputnik hat auf beiden Seiten nachgefragt.

In China essen sie Hunde, in Österreich verfolgen sie jetzt Clowns. Und Musikanten. Weil das Gesetz es so will. Zumindest will es das so seit Sonntag. Das ist nämlich der Tag, von dem an jedermann in Österreichs Öffentlichkeit die Hüllen fallen lassen muss. Die vorm Gesicht natürlich, alles andere wäre dann doch wieder verboten.

Und da das landläufig als „Burka-Verbot“ bezeichnete Gesetz der Kommunikation dient und nicht etwa nur gegen eine Gruppe von Menschen gerichtet ist, trifft es natürlich vor allem die größten Sünder Österreichs: Clowns und Straßenmusikanten, schleierhafte Vertreter unsittlicher und ohnehin unnötiger Berufe, die nur die glänzende österreichische Kommunikationslandschaft behindern.Und so sieht die Arbeit der österreichischen Beamten im Bereich Clownerziehung und Musikantenzurechtweisung in der Praxis aus.

Teilnehmer der Clown-Demo vor dem Parlament
© FOTO: PETER NITSCHE
Teilnehmer der Clown-Demo vor dem Parlament

Der Fall Clown-Demo: „Ein Zeichen setzen“

Der Wiener Grünenpolitiker und passionierter Clown-Aktivist Klaus Werner-Lobo sah rotes Licht für rote Nasen und rief deswegen in sozialen Netzwerken alles humorige Volk dazu auf, sich clownsmäßig oder anders angekleidet vor dem Parlament einzufinden. Damit habe man „ein Zeichen setzen“ wollen, erklärt Profi-Fotograf Peter Nitsche, der bei der Demonstration mit einer eigens kreierten Kombi aus Burka und Clownsnase glänzte. Man habe zeigen wollen, was das landläufig als „Anti-Burka-Gesetz“ bekannte neue Gesetz alles mit sich bringt.

Der Organisator Klaus Werner-Lobo unter Polizisten
© FOTO: PETER NITSCHE
Der Organisator Klaus Werner-Lobo unter Polizisten

Und das Gesetz brachte am Sonntag einiges mit sich: 41 Identitätsfeststellungen, 21 Anzeigen mit einer Strafe in Höhe von 150 Euro zog sich der bunte Haufen mit seinem Verstoß gegen das eben erst geborene Gesetz zu.

Und die Polizei so: Das ist nicht lustig

Der Fotograf eilte also in seinem Aufzug von einer Tram-Haltestelle zum Parlament, wurde dabei aber von Polizeibeamten beobachtet und da sie in ihm sofort einen potentiellen Staatsfeind erkannten, griffen sie „recht aggressiv“, wie Nitsche anmerkt, sofort ein. Ein Polizist soll ihn rüde am linken Oberarm gepackt und gerufen haben: „So geht das nicht! Sie nehmen jetzt Ihre Gesichtsverschleierung ab!“

Nitsche trug diese „selbstkreierte Burka-Variation“
© FOTO: PETER NITSCHE
Nitsche trug diese „selbstkreierte Burka-Variation“

Nitsche wollte aber seine Hülle partout nicht fallen lassen und forderte den Beamten im Gegenzug auf, dass er sich ausweisen sollte. Denn wer weiß, ob der nicht auch nur als Polizist verkleidet war? Während des recht humorlosen Streits kam eine verkleidete Bekannte von Nitsche vorbei, die ebenfalls von den Polizisten aufgehalten wurde. Ein Beamter soll sie „sehr brustnah am Oberkörper gestoppt“ haben. Es sei jetzt kein Griff an die Brust gewesen, bemerkt Nitsche, „viel gefehlt hat aber nicht.“Die beiden Verbrecher nach neustem Gesetzesstand nahmen aber im entscheidenden Augenblick Reißaus, sind „wie von der Tarantel gestochen weggerannt über die Seitengassen“, den Beamten entkommen und über Umwege zum Parlament gelangt, wo bald darauf die Demo begann.

Muslima unter den Protestierenden
© FOTO: PETER NITSCHE
Muslima unter den Protestierenden

Mal im Ernst: Burka-Verbot öffnet Polizeiwillkür Tür und Tor

Bei der Demonstration ging es sicher um die Selbstbestimmung der muslimischen Frau. Aber nicht nur. „Es ist Faktum, dass über die Hintertüre der muslimischen Bekleidungsmentalitäten eigentlich was ganz Anderes implementiert wird“, bemerkt Nitsche. Denn das Gesetz sei dazu gedacht, „Menschen in der Öffentlichkeit jederzeit beamtshandeln zu können, wenn es im Auge des Gesetzeshüters opportun ist, zu sagen, dass ihm etwas an der Person nicht passt.“ Damit öffne man aber der Polizeiwillkür Tür und Tor.

Eine Demonstrantin und Polizisten
© FOTO: PETER NITSCHE
Eine Demonstrantin und Polizisten

Der Fall Pferde-Musiker: „Aufklärendes Gespräch“

In Wien treffen sich verkleidete Menschen aber nicht nur anlässlich von Demonstrationen, es gibt auch Straßenkünstler, die sich für ihre Performance Pferdemasken aufziehen, um den Unterhaltungswert in unermessliche Höhen schießen zu lassen und das Kunstwerk zu vollenden. Hier gab es am Mittwoch auf dem Wiener Markplatz auch eine Szene zwischen Polizeibeamten und drei solchen Musikanten:

Waren die Musiker in Wirklichkeit staatszersetzende Elemente? Planten sie etwas unheimlich Gefährliches, während sie so mir nichts dir nichts saßen und vorgaben, Musiker zu sein? Ohne ein Gespräch hätten die Beamten alles das sicher nie ausräumen können und im Schlaf noch hätten sie Schreckensszenarien verfolgt. Laut Polizeisprecher Daniel Fürst sei es aber zu keiner Strafe gekommen. Die Musikanten hätten die Masken abgezogen, mit den Beamten geredet und dann hätten sie sogar weiter mit ihren Masken spielen dürfen. Nach reiflicher Überlegung entschieden sich die Demaskierten aber dagegen und zogen ab. Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des österreichischen Bundesministeriums für Inneres, betont, es habe hier nur ein „aufklärendes Gespräch“ gegeben.

Sind Clowns und Pferde jetzt gefährdet?

Darf ein Künstler nun verhüllt auftreten, wenn das Erlebnis ohne Pferdemaske einfach nicht dasselbe ist? Grundböck antwortet allgemein: „Der Gesetzgeber formuliert einen grundsätzlichen Anspruch, dass das Gesicht in der Öffentlichkeit unverhüllt sein muss.“ Es gebe konkrete Ausnahmen, wenn die Verschleierung etwa Traditionspflege, Berufsausübung oder Gesundheit betreffe. „Was der Gesetzgeber aber nicht vorgenommen hat, ist eine detaillierte Auflistung“, bemerkt der Sprecher. Damit fällt die Entscheidung der Polizei zu, ob jetzt so ein Pferd irgendwie die gesunde Kommunikation behindert oder doch Kunst ist.

Aufgabe der Polizei sei es, den „Gesamtzusammenhang“ zu beurteilen und nach dem „Prinzip der Verhältnismäßigkeit“ vorzugehen. Und wenn man damit nicht zufrieden ist, kann man dann im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens „seine Argumentation“ vorbringen und auch anderweitig mit Rechtsmitteln zappeln.

Mit anderen Worten: Wenn ein Polizist jemandem befiehlt, die Maske fallen zu lassen, hat man eigentlich zunächst keine andere Wahl, wenn man jetzt nicht gerade mit auf die Wache kommen will, um Grundsatzdebatten über Kunst und Kommunikation zu führen.

Valentin Raskatov

Beitragsbild: © Foto: Peter Nitsche

Quelle: https://de.sputniknews.com/gesellschaft/20171005317739117-wiener-zirkus-um-burka-verbot-clown-als-staatsbedrohung/

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