Donnerstag, April 25, 2024
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Wirtschaftskrise: Vielen Russen droht die Armut

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In den russischen Regionen spüren die Menschen

die schlechte Wirtschaftslage

im eigenen Portemonnaie. Betroffen sind alle gesellschaftlichen Schichten – Arme als auch Reiche, sagen Experten. Die Hauptlast aber tragen Rentner und Familien mit Kindern. Eine wachsende Protestbereitschaft aufgrund der Situation sehen die Kommentatoren vorerst nicht. Möglicherweise würden Regierung und Gesellschaft durch die Krise gar geeint.

(Foto: Rentner sind die Verlierer der Wirtschaftskrise, meinen Experten)

Die Russen spüren die Wirtschaftskrise bereits. Bei steigender Inflation, Rubelsturz und westlichen Sanktionen driften alle Regionen Russlands in die Instabilität. Zu diesem Schluss kommt die unabhängige Stiftung Petersburger Politik als Ergebnis eines Ratings der sozial-politischen Stabilität russischer Regionen im Dezember vergangenen Jahres. Zum ersten Mal seit Beginn der Untersuchungen im Herbst 2012 hat keine einzige Region ihre Werte verbessern können. Der Durchschnittswert ist dabei der niedrigste seit sieben Monaten. Ihre Unzufriedenheit mit den wachsenden Preisen bringt die Bevölkerung nur im Internet zum Ausdruck – auf ihre Protestbereitschaft schlägt sie sich nicht nieder.

Wo man den Gürtel enger schnallt

Auf Facebook bemängelt die russische Bevölkerung vor allem die steigenden Lebensmittelpreise. In diesem Bereich schmerzt der Preisanstieg am meisten. „Alles wird ständig teurer, durchschnittlich alle drei bis fünf Tage. Die Regale in den Läden sind nicht mehr so gefüllt. Nur die Dienstleistungen halten sich bislang”, schreibt beispielsweise Inna Woronzowa aus Ufa, 1 342 Kilometer von Moskau entfernt.

In Wolgograd, 959 Kilometer von Moskau gelegen und laut dem Rating eine der instabilsten Regionen, ist nicht nur von höheren Lebensmittelpreisen die Rede. „Die Preise in den Läden sind wirklich gestiegen. Außerdem fällt auf, dass die Flugtickets 20 Prozent teurer geworden sind”, schreibt Ekaterina Esau im sozialen Netzwerk.

Die Moskauer begegneten der Krise mit einem Ansturm auf Elektronik. „Ein Laptop für 25 000 Rubel (rund 330 Euro) kostet jetzt 36 000 (470 Euro)”, schreibt Irina Amonina. „Die Ausgaben für alltägliche Dinge sind um ein Viertel gestiegen.” Im Moskauer Umland kostete ein Einkauf im Supermarkt im Durchschnitt 1 500 Rubel (etwa 20 Euro), jetzt werden dafür 2 500 Rubel (33 Euro) fällig. „Dabei geht es nur um Milch, Butter und Brot, eben die Dinge, die man täglich braucht. Und dann haben wir noch eine Hypothek in US-Dollar.”

Wie Michail Winogradow, Leiter der Stiftung Petersburger Politik, betont, treffe die aktuelle Wirtschaftssituation alle Gesellschaftsschichten – arme wie reiche. Die Krise schlage sich nicht nur auf die importabhängigen Regionen nieder. „Die exportierenden Regionen sollten vom schwachen Rubel profitieren. Allerdings wirken internationale Sanktionen. Ob es gelingen wird, durch die Verdrängung von Importen ein Wirtschaftswachstum zu erzielen, bleibt erst einmal offen”, sagt er.

Nach Einschätzung der Wirtschaftsgeografin und Professorin der Moskauer Lomonossow-Universität Natalija Subarewitsch wird es Rentner und Familien mit Kindern am härtesten treffen: „Bereits vor der Krise wies die Gruppe der Familien mit Kindern in Russland einen höheren Armutsanteil auf. Jetzt droht vielen ein rasanter sozialer Abstieg.” Eine weitere sensible Gruppe sind die Rentner. „Im berechneten Existenzminimum sind die Kosten für Medikamente nicht enthalten. Aber die Preise auf Medikamente werden ganz bestimmt ansteigen, denn die meisten von ihnen werden importiert”, erklärt sie.

Proteste oder Resignation?

Beide Experten betonen, dass diese Krise anders verlaufen werde als die in den Jahren 2008 und 2009: Sie sei tiefergehend und werde länger andauern.

Bislang können sie nicht einschätzen, ob die Unzufriedenheit der Russen aus dem Internet auch auf die Straße überschwappt. „Im Augenblick ist noch unklar, ob sich die Stimmung der Russen in einer Protestwelle gegen die Regierung entladen oder in passiver Ablehnung, Resignation und Selbstzweifel münden wird”, sagt Michail Winogradow. Seiner Einschätzung nach könnten die Menschen sich auf der Suche nach Schutz vor wirtschaftlichen Problemen auch um die Machthaber scharen.

Subarewitsch nimmt an, dass Menschen in den Großstädten die Geschehnisse viel schwerer verkraften. „Menschen aus ländlichen Gegenden leben vom Land. Das heißt, sie werden mehr Kartoffeln und Tomaten pflanzen. Sie müssen ihre herkömmliche Lebensweise nicht ändern.” Den Großstädtern dagegen, „die es gewohnt sind, Autos zu kaufen und zu verreisen”, werde der Verzicht schwerer fallen. Dennoch erwartet Subarewitsch in den russischen Metropolen keinen Aufruhr: „Die Menschen dort denken individualistischer und suchen eigenständig nach Lösungen ihrer Probleme. Ein Wir-Gefühl, wie es die Menschen aus den Regionen kennen, ist ihnen weniger vertraut.”

Moskau hebt Lebensmittelembargo gegen Athen bei dessen EU-Ausstieg auf

Russland wird das Lebensmittelembargo gegen Griechenland möglicherweise aufheben, falls Athen nach den für den 25. Januar geplanten Parlamentswahlen aus der EU aussteigt. Das sagte Russlands Agrarminister Nikolai Fjodorow am Freitag am Rande der internationalen Agrarmesse „Grüne Woche“ in Berlin.

„Diese Variante ist nicht auszuschließen, wenn sich Griechenland gezwungen sehen wird, aus der Europäischen Union auszutreten. Russland und Griechenland werden dann selbstständige Beziehungen aufnehmen… Griechenland ist im Prinzip unser potentieller Partner“, sagte Fjodorow auf die Frage, ob Russland den gegen die EU beschlossenen Einfuhrstopp für Lebensmittel selektiv aufheben könnte.

Im Vorfeld der Parlamentswahlen in Griechenland wird aktiv darüber spekuliert, dass das Land, das gegenüber Brüssel Schulden in dreistelliger Euro-Milliardenhöhe hat, aus der EU austreten könnte.

Das generelle EU-Lebensmittelembargo wird vorerst nicht aufgehoben, so der russische Landwirtschaftsminister Nikolai Fjodorow. Bei der Pressekonferenz am Freitag in der russischen Botschaft in Berlin erklärte er, dass die russische Wirtschaft robust genug sei, um ohne die ausgefallenen Produkte auszukommen.

„Ich kann eine 100-prozentige Garantie dafür geben, dass wir den fehlenden Bedarf von Getreide, Zucker und Öl decken können“, erklärte der Landwirtschaftsminister.

Dennoch wünscht er sich, genauso wie seinem deutschen Amtskollegen Christian Schmidt, mit dem sich Fjodorow am Vormittag getroffen hatte, eine Besserung der politischen Situation, um auch weiterhin mit den EU-Ländern handeln zu können. „Wir brauchen immer Partner, allein dafür, um wettbewerbsfähig bleiben zu können“, kommentierte er. Mit einigen EU-Ländern wie Italien oder Finnland wurden bereits neue Verträge im Agrarbereich geschlossen.

Am Ende der Konferenz betonte Fjodorow, dass er durch das Importembargo eine Chance für die russische Landwirtschaft sieht, die Eigenproduktion zu erhöhen.

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