Samstag, April 20, 2024
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Zum Tod von Günter Grass – Was gesagt werden muss

Foto: Florian K

Vorgestern ist der deutsche Schriftsteller Günter Grass im Alter von 87 Jahren in Lübeck gestorben. Grass gelang mit seinem ersten Roman „Die Blechtrommel“ 1959 der literarische Durchbruch. Er erhielt 1999 den Nobelpreis für Literatur und wurde wegen seinem israelkritischen Gedicht „Was gesagt werden muss“ von vielen israelischen und deutschen Politikern und Medien Fehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 3)angefeindet. Denn: Nach wie vor gilt Kritik an der israelischen Politik als Tabu und wird mit dem Totschlagargument des Antisemitismus reflexartig und unreflektiert mundtot gemacht. Grass wusste das. Das Gedicht wurde in Deutschland von der

Süddeutschen Zeitung abgedruckt. In der Folge erklärte die israelische Regierung Grass zur Pesona non grata und verhängte ein Einreiseverbot gegen ihn.

Was gesagt werden muss

von Günter Grass

Warum schweige ich, verschweige zu lange,
 was offensichtlich ist und in Planspielen
 geübt wurde, an deren Ende als Überlebende
 wir allenfalls Fußnoten sind.

Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag,
 der das von einem Maulhelden unterjochte 
und zum organisierten Jubel gelenkte 
iranische Volk auslöschen könnte,
 weil in dessen Machtbereich der Bau
 einer Atombombe vermutet wird.

Doch warum untersage ich mir, 
jenes andere Land beim Namen zu nennen,
 in dem seit Jahren – wenn auch geheimgehalten -
 ein wachsend nukleares Potential verfügbar
aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung
 zugänglich ist?

Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,
 dem sich mein Schweigen untergeordnet hat, 
empfinde ich als belastende Lüge 
und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,
 sobald er mißachtet wird;
 das Verdikt “Antisemitismus” ist geläufig.

Jetzt aber, weil aus meinem Land,
 das von ureigenen Verbrechen,
 die ohne Vergleich sind,
 Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird,
 wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auch 
mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert, 
ein weiteres U-Boot nach Israel
 geliefert werden soll, dessen Spezialität
 darin besteht, alles vernichtende Sprengköpfe
 dorthin lenken zu können, wo die Existenz 
einer einzigen Atombombe unbewiesen ist, 
doch als Befürchtung von Beweiskraft sein will,
 sage ich, was gesagt werden muß.

Warum aber schwieg ich bislang?
 Weil ich meinte, meine Herkunft,
 die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist,
 verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit 
dem Land Israel, dem ich verbunden bin
 und bleiben will, zuzumuten.

Warum sage ich jetzt erst, 
gealtert und mit letzter Tinte:
 Die Atommacht Israel gefährdet 
den ohnehin brüchigen Weltfrieden?
 Weil gesagt werden muß, 
was schon morgen zu spät sein könnte;
 auch weil wir – als Deutsche belastet genug -
 Zulieferer eines Verbrechens werden könnten,
 das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld 
durch keine der üblichen Ausreden
 zu tilgen wäre.

Und zugegeben: ich schweige nicht mehr,
 weil ich der Heuchelei des Westens 
überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen,
 es mögen sich viele vom Schweigen befreien,
 den Verursacher der erkennbaren Gefahr
 zum Verzicht auf Gewalt auffordern und
 gleichfalls darauf bestehen,
 daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle
 des israelischen atomaren Potentials
 und der iranischen Atomanlagen
 durch eine internationale Instanz 
von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.

Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern, 
mehr noch, allen Menschen, die in dieser
 vom Wahn okkupierten Region 
dicht bei dicht verfeindet leben
 und letztlich auch uns zu helfen.

Quellen:

https://www.tagesschau.de/ausland/grass128.html
http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809

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