Dienstag, April 30, 2024
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Exklusivbericht: Novorossiya ist das Ziel – Teil 2

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Zweiter Teil des Exklusivberichts aus der Ostukraine. Wäre das Wetter ein bisschen sonniger gewesen und wären da nicht zwei Männer in Tarnuniformen mit der Reparatur des Daches an einem der Gebäude beschäftigt gewesen, hätte man das Camp Primorka am Asowschen Meer, dem Nebenmeer des Schwarzen Meeres, direkt für ein kleines aber feines Feriencamp direkt am Strand halten können.

Doch der wolkenverhangene Tag, der Wind und der Regen passten alle zur Realität von CampPrimorka, das als Flüchtlingszwischenlager für 250 Menschen aus der Ost-Ukraine umfunktioniert wurde. Hierhin werden die Flüchtlinge (nebst weiteren 16 ähnlichen Camps im Distrikt von Rostov-na-Don) gebracht, knappe 70 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.Nachdem sie sich offiziell als

Flüchtlinge registriert haben, erhalten sie vom russischen Staat eine kostenlose Krankenversicherung und für die Kinder freien Zugang zu den örtlichen Schulen. Für Kleidung oder auch

Nahrungsmittel sind sie allerdings auf Spenden angewiesen, die sie von russischen Hilfsorganisationen und was höchst eindrucksvoll ist, sogar von Hilfsorganisationen, Familienangehörigen und Freunden erhalten, die in der Heimat zurückgeblieben sind. Hilfe vom Westen gab es außer einer einzigen Lieferung des Roten Kreuzes gar keine.Einige Männer sind nicht nach Donbass zurückgekehrt um ihr Land zu verteidigen nachdem sie ihre Familien in die Sicherheit gebracht haben. Manche schämen sich dafür, weil sie versuchen eine neue Zukunft für ihre Familien in Sicherheit irgendwo in Russland aufzubauen. Aber der Grossteil der Flüchtlinge möchte einfach nur zurück in ihre Heimat, wo sie und ihre Vorväter schon seit Generationen gelebt haben.


Die meisten der Flüchtlinge im Camp Primorka, was soviel wie “am Meer” bedeutet, kommen aus Donetsk und den umliegenden Dörfern. Einige von ihnen haben noch intakte oder nur leicht beschädigte Häuser in die sie so schnell wie möglich zurückkehren möchten, in der stillen Hoffnung natürlich dass es zu einem Übereinkommen zwischen dem Regime in Kiev und den Vertretern der Donetsker bzw. Luhansker Volksrepubliken à la Tschechoslowakei kommt, wo sich die beiden Ethnien friedlich voneinander getrennt haben.Nicht Wenige stehen aber vor dem Nichts. Ausser Erinnerungen und Fotos aus einer Zeit, die noch gar nicht so lange zurückliegt und trotzdem wie aus längst vergangenen Tagen erscheint, ist ihnen nichts geblieben. Ganze Dörfer wurden von der ukrainischen Armee in Schutt und Asche gelegt, die sie mitballistischen RaketenCluster– und Phosphorbomben,Luftangriffen und weniger bekannten Raketen überzogen haben. Aus Militärkreisen wird auch behauptet, dass die Ukraine mindestens einmal eine kleine taktische Atombombe verwendet haben soll, was allerdings nur schwer zu verifizieren ist.


Ganz abgesehen davon dass die Nutzung der meisten von diesen Massenvernichtungswaffen durch diverse internationale Abkommen verboten ist und die Ukraine deswegen nicht einmal von den Vereinten Nationen rhetorisch verurteilt wurde – geschweige denn auf irgendeine Art und Weise sanktioniert – spielt es am Ende für die Menschen die das Glück hatten dieses Inferno zu überleben, keine Rolle ob es durch verbotene oder “erlaubte” Waffen geschehen ist. Das Ergebnis ist das gleiche: totale Zerstörung.

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Diese massive Zerstörung, oder auch Politik der verbrannten Erde genannt, ist natürlich vom ukrainischen Regime in Kiev absolut gewollt. Unter solchen Umständen kann natürlich keine geflohene Familie in ihre Häuser zurückkehren, selbst wenn die Lage ruhig wäre. Die Wiesen und Felder müssten zuerst von versteckten Minen befreit, die Ruinen abgetragen und neue Häuser gebaut werden bevor überhaupt an neues Leben an diesen Orten gedacht werden kann.

Kroatisches Szenario

Diese Politik der verbrannten Erde ist von dem Regime in Kiev natürlich absolut gewollt. Geht es nach den Köpfen einiger Hardliner, dann bereiten sie sich für ein “kroatisches Szenario” in Donbass vor. Mit dem “kroatischen Szenario” beziehen sie sich auf das Jahr 1995, als Kroatien damals mit der Operation “Wind” (Oluja auf kroatisch) innerhalb von nur wenigen Tagen die ganze serbische Bevölkerung der selbsternannten “Serbischen Republik Krajina” mit Hilfe des Westens vertrieben hat. Es gibt tatsächlich einige Parallelen die wohl dafür gesorgt haben dass diese ukrainischen Nationalisten eine ähnliche Entwicklung sehen wollen. Aber in Wahrheit ist da wohl eher der Wunsch der Vater des Gedanken, da es einfach zu viele Parameter gibt die nicht vergleichbar sind mit Kroatien im Jahr 1995.

Das die ukrainische Propaganda aber überhaupt von einem “kroatischen Szenario” spricht und dabei die “Krajina” als Beispiel nennt, kann man meiner Meinung nach durchaus als Ironie des Schicksals bezeichnen. Denn ob Krajina oder Ukraina, beide Bezeichnungen stammen vom gleichen slawischen Wort “Grenzland” ab und beiden kam historisch betrachtet die gleiche Rolle zu: als künstlicher Puffer zwischen zwei verfeindeten Grossmächten (bei Krajina als serbischer Puffer zwischen österreichischem Kaiserreich und dem Osmanischen Reich; bei Ukraine als Puffer zwischen russischem Zarenreich und polnischem Königreich). Angesichts dieser Analogie ist es schon bemerkenswert wenn sich die Ukrainer das gleiche Schicksal wünschen, wie sie sie leider die serbische Bevölkerung der Krajina ereilt hat.

Wenn also die ukrainische Regierung seit ihrer Unabhängigkeit 1991 versucht die Geschichte zu verdrehen und ein durchgängiges ukrainisches Reich seit dem 13. Jahrhundert zu porträtieren, welches sich seit 800 Jahren in einem ständigen Kriegszustand mit Russland befindet, dann bezieht sich das allein auf das Wort ukraina das zum erstem Mal 1187 erwähnt wird, und seitdem immer wieder die verschiedenen Grenzregionen des russischen Zarenreiches beschreibt, aber niemals eine spezifische geografische oder sogar ethnische Entität darstellte.

Was wollen die Menschen?

Wie im ersten Teil beschrieben, nahmen insbesondere die Menschen im Osten des neuen Staates Ukraine die Tatsache hin, dass die Machthaber versucht haben ihre russische Identität zu unterdrücken bzw. sie durch eine völlig neue Identität zu ersetzen. Sie nahmen diese Tatsache hin weil sie sich einer besseren Zukunft nach dem Zerfall der Sowjetunion erhofften. Insbesondere seit dem Beginn des neuen Jahrtausends, berichten mir die Menschen, gab es deutliche Zeichen einer wirtschaftlichen Verbesserung gegenüber den Sowjetzeiten. Auch wenn diese Verbesserung den Osten der Ukraine nicht in dem Masse betraf wie den Westen, laut Aussagen von Parlamentsmitgliedern der Donetsker Volksrepublik (DPR) investierte Kiev 50% weniger in die Infrastruktur und Modernisierung des Donbass als in die westlichen Provinzen, obwohl die Steuereinnahmen aus dem Donbass einen wesentlich grösseren Prozentsatz in den Staatseinnahmen aufgrund der Industrialisierung und Abbau von Kohle ausmachten.
Doch mit dem Maidan und dem darauffolgenden Terror den das Putschistenregime und die neo-nazistische Organisation Pravy Sektor entfachte, zerbrach jegliche Hoffnung auf eine Zukunft in einem Land, welches die russischsprachige Minderheit von Anfang an nicht haben wollte. Angesichts von Aufrufen im ukrainischen Fernsehen zum Genozid an den Menschen im Donbass, wie zum Beispiel der Fall der Hromadske TV gezeigt hat:

“Wenn wir zum Beispiel die Donetsk Oblast (Bundesland oder Kanton) nehmen, gibt es dort ungefähr 4 Millionen Einwohner von denen mindestens 1.5 Millionen überflüssig sind. Das ist es was ich damit meine; wir müssen nicht versuchen den Donbass zu verstehen, wir müssen verstehen was die nationalen Interessen der Ukraine sind. Donbass muss als Ressource ausgebeutet werden, das ist es was es (schliesslich) ist. Ich behaupte nicht ein rasches Lösungsrezept zu haben, aber das Wichtigste was getan werden muss – auch wenn es noch so brutal klingt – ist dass es dort eine gewisse Kategorie von Menschen gibt die ausgerottet werden muss.”

Klingt das nicht wie ein typischer Nazi-Jargon? Und das noch von einem TV-Sender der ganz offiziell von den Botschaften der Vereinigten Staaten von Amerika und Niederlanden finanziell unterstützt wird?

Eine Website die dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko nahe steht, veröffentlichte einen Artikel der nebst unerträglicher Propaganda auch die Internierung von Menschen in der Ukraine vorschlägt – natürlich zum eigenen Schutz dieser Internierten wie es heisst – die sich politisch nicht auf einer Linie mit dem Regime in Kiev befinden. Die Ermordung von Buzina und anderen Kritikern des Regimes wird absolut zynisch als “Kleinigkeit” abgetan, weil sie schon seit “längerem nicht mehr relevant” waren.

Nebst Faschisten, Neo-Nazis, Nationalisten hat sich in der Ukraine noch eine weitere Dimension eröffnet von der Gefahr für die russischsprachige Minderheit ausgeht: diechristlichen Taliban!  Organisiert als “Battallion der Heiligen Maria” – noch sind es nur etwa 200 Männer – kämpfen sie gegen die “Repräsentanten des Teufels“, d.h. gegen alle die der russischen Kirche angehören.
Kann man es da den Menschen die irgendwo in den ausgerufenen Volksrepubliken Donetsk und Luhansk leben oder als Flüchtlinge in Russland auf ihre Rückkehr hoffen, kann man es ihnen angesichts dieses Horrors der sich in dem Staat abspielt dessen Staatsbürger sie einmal waren, und zumindest den Reisepässen nach noch immer sind tatsächlich verübeln wenn sie mit diesem Staat nichts mehr zu tun haben möchten?
Egal mit wem ich gesprochen habe, ob das “Regierungsvertreter” der DPR waren, ob das Soldaten waren, ob das ganz einfache Bauern oder Flüchtlinge waren, sie allen wollen nur das eine: ein friedliches und sicheres Leben führen wo sie ihren Traditionen, ihrer Sprache und zuletzt auch ihrer Kirche nach Wahl nachgehen können. Auch wenn es insbesondere bei den einfachen Leuten am Anfang jene Stimmen gab, die alles beim alten lassen wollten, so ist ihnen spätestens nach dem Massaker von Odessa und dem Terror der über sie hereingebrochen ist klar, dass das was wir als selbstverständlich betrachten nur in einem eigenen Land möglich sein wird. Die Bauern zeigen auf die Ruinen, auf die versteckte Mine auf dem Weg die sie selbst nicht entfernen konnten und fragten mich, ob ich, ob wir in Deutschland oder sonstwo mit jenen weiter zusammen leben möchten die das getan haben?

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mit einfachsten Mitteln wurde eine “Warnung” von der Mine angebracht


Berichte wie von Carsten Luther in der ZEIT (“Neurussland ist eine reale Bedrohung” vom 01.09.14) oder von Benjamin Bidder im SpiegelOnline (“Grossmacht-Gelüste: Das ist Putins Neurussland” vom 15.09.14) und viele andere mehr, sind für diese einfachen Menschen die dem Horror des Krieges und des faschistischen Terrors entgangen sind – und nicht zuletzt für die tausenden Todesopfer – eine schallende Ohrfeige mit freundlichen Grüssen aus Deutschland.


Denn was als “Grossmacht-Gelüste” oder “reale Bedrohung” des russischen Präsidenten dargestellt wird, ist nach all dem der einzige Rettungsanker den diese Menschen sehen. Der neuen politischen Führung der Donetsker und Luhansker Volksrepublik, die sich hauptsächlich aus dem ehemaligen Mittelstand rekrutiert und sich insbesondere von der ehemaligen regionalen politischen Führung aus der Partei Viktor Janukovitsch`s (Partei der Regionen) betrogen fühlt und von ihr auch nichts mehr wissen will, ist klar dass der aktuelle status quo mit den ausgerufenen Volksrepubliken nur eine politische Zwischenlösung sein kann.Weder entspricht das aktuelle Territorium der einzelnen Volksrepubliken den ehemaligen Grenzen der jeweiligen Oblast (Bundesland oder Kanton), noch wäre eine dieser Republiken für sich überlebens- oder verteidigungsfähig. Genau aus diesem Grund fasste man bereits letztes Jahr eine Union der beiden Volksrepubliken ins Auge, die am 24. Mai 2014 in Novorossiya (Neurussland) getauft wurde.


Während unsere Medien zwar den historischen Kern Novorossiya`s nicht in Abrede stellen, so stellen sie es dennoch als Putin`s Grossmachtsgelüste dar und verunglimpfen die Menschen als “Putin`s Separatisten die seinen Krieg gegen die Ukraine führen”. Nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein.


Genauso wie die Ukraine sofort nach der Unabhängigkeit 1991 anfing die Geschichte umzuschreiben um ein neues Nationalbewusstsein und Zusammenhalt innerhalb der Bevölkerung zu schaffen, berufen sich die Menschen und die politische Führung auf das historische Gouvernement Novorossiya, welches nicht nur das Territorium der heutigen DPR/LPR Volksrepubliken beinhaltete, sondern deutlich ausgedehnter war und über drei wichtige Häfen am Schwarzen Meer verfügte. Diese Vergangenheit soll das gemeinsame Fundament einer eigenen neuen Identität sein, die weder russisch noch ukrainisch sein möchte: sondern eben neurussisch.

Genau dafür kämpfen die Männer und Frauen im Donbass, sowohl politisch als auch militärisch. Sie wollen an eine gemeinsame Identität und Zukunft glauben, und dafür sind sie bereit den höchsten Preis zu zahlen den ein Mensch nur zahlen kann: mit seinem eigenen Leben.

Und das wiederum hat aber auch rein gar nichts mit Russland oder Vladimir Putin zu tun, und schon gar nicht mit irgendwelchen imperialen Ambitionen.

Territorium von "Novorossiya", Stand 27.04.2015

Novorossia Karte 18.Jhd.

Verteiler: Neopresse

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