Freitag, April 26, 2024
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Bundeswehreinsatz, aber gegen wen?

Bundeswehr vor dem Reichstagsgebäude // CC-BY

Deutschland hat sich erneut in ein militärisches Abenteuer eingelassen. Während die Einsätze der Bundeswehr in den letzten 20 Jahren alle auf rechtlich solidem Fundament standen (Sinn und Zweck mancher Einsätze kann natürlich in Frage gestellt werden), sieht das im Falle des letztenFehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 3) Beschlusses ganz anders aus. Die Bundesregierung selbst spricht offiziell von einem

Syrien Mandat„, während aber in der öffentlichen Werbung für den Einsatz stets von einem „Kampf gegen IS“ die Rede war. Auslöser für die ganze Sache waren schliesslich auch die Anschläge von Paris, für die der sogenannte Islamische Staat (IS, ISIL, ISIS, Daesh) die Verantwortung übernommen hat.

Daraufhin hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Frankreich „jedwede Unterstützung“ zugesichert, Vize-Kanzler Sigmar Gabriel meinte sogar dass der Terror „gegen uns alle gerichtet war„. Deutschland setzte sich also schnell in ein ruderloses Boot, dessen Besatzung noch dazu unterschiedliche Ziele verfolgt.

Als Frankreichs`s Präsident Francois Hollande noch den Bündnisfall der Europäischen Union nach Artikel 42 Absatz 7 des Lissabon Vertrages ausrief, forderte er die Unterstützung der EU für Frankreich`s „Krieg gegen den Terror“ auf. Das Problem aber ist, dass dieser Artikel auf den sich Frankreich beruft, „einen bewaffneten Angriff auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats“ regelt, wonach „die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen [UN-Charta], schulden.“

 

Ein „bewaffneter Angriff“ wird aber in internationaler Rechtssprechung als Krieg zwischen mindestens zwei Staaten definiert, der wiederum als „lediglich einen organisierten und unter Einsatz erheblicher Mittel mit Waffen und Gewalt ausgetragenen Konflikt, der aber stets zwischen Staaten besteht“, klar beschrieben ist. Ein bewaffneter Angriff ist also ein Einsatz von erheblichen Mitteln wie Waffen und Gewalt, ausgeführt durch einen Staat.

Davon kann bei den Anschlägen von Paris keine Rede sein. Zumal die EU im selben Vertrag von Lissabon explizit über einen Artikel (Art. 222) verfügt, der die zwischenstaatlichen Verpflichtungen bei einem Terroranschlag regelt!

Der Grund weshalb sich Francois Hollande nicht auf diesen Artikel 222 bei seiner Ausrufung eines Bündnisfalles beruft ist denkbar einfach: die Entsendung von Soldaten und Kriegsgerät ausserhalb Frankreichs wäre nicht möglich gewesen.

Denn dieser Artikel ruft die EU-Mitglieder auf, „alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschliesslich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel, zu mobilisieren, um terroristische Bedrohungen im Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten abzuwenden oder im Falle eines Terroranschlags einen Mitgliedstaat auf Ersuchen seiner politischen Organe innerhalb seines Hoheitsgebiets zu unterstützen“.

 

Da liegt die Krux an der ganzen Sache. Frankreich erlebte einen Terroranschlag, den man aber nicht als solchen werten möchte da dieser einen anderen Prozess auslösen würde als es von den Regierungen gewünscht war. Deshalb spricht der französische Präsident auch lieber von einem Krieg, um die gewünschte Richtung einschlagen zu können. Ein Krieg kann aber nur gegen einen Staat geführt werden, und obwohl sich im deutschsprachigem Raum die Bezeichnung IS etabliert hat – also Islamischer Staat – ist es deswegen noch lange kein Staat im rechtlichen Sinne. Interessant ist auch dass Hollande selbst nicht diesen Begriff verwendet, sondern das arabische Akronym Daesh (Al Dawla al-Islamyia fil Iraq wa’al Sham = Islamischer Staat Irak und Shams).

Das alles weiss natürlich auch die deutsche Regierung, weshalb sich der Sprecher des Auswärtigen Amtes Dr. Martin Schäfer wirklich sehr schwer tat um die deutsche Rechtfertigung für den bevorstehenden Bundeswehreinsatz zu erläutern.

Obwohl die Begriffsjonglierung der Regierung durchaus etwas von einer Komödie hat, die Konsequenz könnte sehr ernste Folgen für Deutschland haben. Deswegen ist es sehr wichtig der Frage nachzugehen, weshalb sich die Regierung auf solch einen unklaren und völkerrechtlich fragwürdigen Einsatz eingelassen hat.

Was oder wer ist das Ziel?

Die britische Regierung hielt nicht lange mit der Antwort vor dem Berg. Natürlich nahm David Cameron die französische Ausrufung des Bündnisfalles nach EU-Recht zum Anlass, um eine Abstimmung für einen britischen Einsatz gegen ISIS in Syrien (im Irak ist man schon aktiv) zu erlangen. Am 2. Dezember stimmte das britische Parlament mit 397 zu 223 Stimmen für die Erweiterung der Bombenangriffe auf ISIS in Syrien.

Doch schon am Abend nach der Abstimmung erklärte Außenminister Philip Hammond vor den Ministern im House of Commons die wahren Ziele Großbritanniens:

 „Die Zeit für die Rückeroberung der ISIL (ISIS) Kerngebiete in Syrien wird sein, wenn der Bürgerkrieg beendet ist, eine Übergangsregierung eingerichtet ist, und die Welt dann wieder erneut die syrische Regierung unterstützen kann und die syrische Armee, die syrischen Oppositionskräfte und die kurdischen Kräfte ihre Waffen auf ISIS richten können, ihr eigenes Land durch Unterstützung der Koalition mit Waffen, Training, technischer Unterstützung und Luftschlägen von dieser bösen Organisation befreien können.“

Obwohl sich die Abstimmung in London am 2. Dezember um die Ausweitung der britischen Luftangriffe auf ISIS-Ziele in Syrien, abstützend auf die Ausrufung des EU-Bündnisfalls durch Frankreich, erklärte Aussenminister Hammond den anderen Ministern am Tag darauf etwas ganz anderes. Priorität hat nicht etwa der Kampf gegen ISIS – oder wie auch immer man das bezeichnen möchte – sondern die Absetzung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Erst dann wird die „Zeit für die Rückeroberung der ISIS Kerngebiete in Syrien“ kommen. Damit hat sich David Cameron über die Hintertüre die Zustimmung für seine Pläne geholt, wo er 2013 noch gescheitert ist.

In der deutschen Erklärung zum Bundeswehreinsatz ist ebenfalls von einer „politischen Lösung“ die Rede. Allerdings orientiert sich die Vorstellung des deutschen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier an den Syrien Verhandlungen von Wien, an denen er selbst teilgenommen hat, und wo das Thema „Assad must go“ endgültig vom Tisch war.

Was aber nützt die politische Einstellung und Vorstellung des deutschen Aussenministers, wenn sich Deutschland dem amerikanischen Oberkommando in Tampa/Florida unterwirft? In Tampa ist CENTCOM angesiedelt, das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte für den Mittleren Osten und Zentralasien.

CENTCOM

 

CENTCOM Einsatzgebiet: aus der gleichnamigen Website

Natürlich macht es Sinn militärische Pläne koordiniert mit sämtlichen involvierten Parteien zu machen, zumal das Ziel offiziell der sogenannte IS ist, aber weshalb schliesst die deutsche Regierung eine Zusammenarbeit mit der syrischen Armee aus die sich auf dem Boden als wirksamster Gegner (natürlich mit Unterstützung von Hezbollah, iranischen Revolutionsgarden, schiitischen Milizen) gegen ISIS erwiesen hat, nachdem das Einsatzgebietder Bundeswehr auf Syrien beschränkt wurde?

Durch die Subordination unter das Oberkommando der CENTCOM stellt sich Deutschland zum ersten Mal in der Geschichte direkt unter den Befehl einer anderen Macht, obwohl es kein völkerrechtliches Mandat dazu gibt. Für Syrien macht sich Deutschland damit zu einem Aggressor wie alle anderen Länder die ohne Erlaubnis der syrischen Regierung Bombenangriffe fliegen. Bashar al-Assad stellte das auch in einem kürzlich geführtenInterview mit der britischen Zeitung The Sunday Times klar, dass jedes Flugzeug das ohne Genehmigung die syrische Lufthoheit verletzt, als Feind gilt. In der Praxis aber liege der Fokus momentan auf der Bekämpfung von Terroristen, so Assad.

Aber was wenn sich das ändert? Was wenn sich durch solche „Versehen“ wie am 7.12.15, als Koalitionsjets (noch unklar wer es war, lt. russischem Verteidigungsministerium waren es nicht US-Kampfjets) die syrische Militärbasis Ayyash in Deir Ezzor angegriffen haben, um dann sofort von ISIS-Truppen attackiert zu werden, die Priorität für die syrische Regierung ändert? Immerhin hat der britische Aussenminister Hammond es klar und deutlich ausgesprochen wo die Prioritäten Großbritanniens liegen. Sollte Assad der Überzeugung gelangen das die US-geführte Koalition in Tat und Wahrheit gegen ihn gerichtet ist, dann wird er sicher nicht zögern die von Russland gelieferten Luftabwehrsysteme S-300 einzusetzen.

Zwar sollen die deutschen Tornados „nur“ Aufklärungsflüge betreiben, was aber angesichts der amerikanischen und britischen Präsenz sowie 24/7 Überwachung sowohl aus dem All als auch aus der Luft doch fragwürdig erscheint. Das russische Verteidigungsministerium sagte dass sich „zeitweise bis 50 (Überwachungs)-Drohnen gleichzeitig im syrischem Luftraum“ befinden, und da benötigt es immer noch deutsche Tornados?

Dazu kommt, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst nebst Israel über die besten nachrichtendienstlichen Informationen in und über Syrien verfügt. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte der BND lange Jahre den flüchtigen TOP-Nazi Alois Brunner als Informanten in Damaskus, der der sogenannten „Gehlen Org“ angehörte. Wie Aloil Brunner, war auch Reinhard Gehlen ein hochrangiger Nazi der sich aber dem amerikanischen Geheimdienst anbot und aus dessen „Gehlen Org“ schliesslich der deutsche Bundesnachrichtendienst hervorging. Alois Brunner hinterliess ein hervorragend vernetztes Netzwerk an Informanten und sogenannten humint (human intelligence), das dem BND zugute kam. Und jetzt will man tatsächlich behaupten es benötigt nebst diesem ganzen Aufgebot an Geheimdiensten und Überwachungsanlagen zusätzlich deutsche Tornados zur Aufklärung?

Etwas dubios erscheint auch die Rolle der deutschen Fregatte Augsburg die zum Schutz des französischen Flugzeugträgers Charles de Gaulle abkommandiert wurde. Mit diesem Flugzeugträger wollte Frankreich schliesslich ISIS-Ziele in Syrien angreifen. Nun wurde aber die Charles de Gaulle mitsamt der ihr zum Schutz abgestellten Augsburg in den Persischen Golf verlegt. Was bedeutet dass Frankreich`s Jets nicht mehr Ziele in Syrien, sondern wenn überhaupt, im Irak angreifen werden.

Wenn dieser Bundeswehreinsatz tatsächlich gegen den sogenannten IS gerichtet ist, dann sollte sich die deutsche Regierung über die Rolle der Türkei befassen, und nicht noch den Luftwaffenstütztpunkt im türkischen Incirlik benutzen um sich noch mehr die Hände binden zu lassen. Burhan Kuzu, ein Berater des türkischen Präsidenten Erdogan, freute sich indessen darüber, dass die „EU der türkischen Drohung mit den Flüchtlingen kleinbeigegeben hat“.

Der Bundesnachrichtendienst warnte erstaunlicherweise zum ersten Mal vor der Rolle Saudi Arabiens, was der Regierung überhaupt nicht passte. Auch das ein Indiz dafür, dass der Bundeswehreinsatz von der deutschen Bevölkerung hinterfragt werden muss, da sämtliche Begründungen der Bundesregierung äußerst schwammig sind und der Einsatz sicher nicht zur Zerstörung, Eindämmung oder sonstiger Degradierung des sogenannten IS beitragen wird.

Verteiler: Neopresse

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