Donnerstag, April 25, 2024
StartPolitikDanke, Donald! USA verlieren Milliarden am Handelskrieg – Russland profitiert davon

Danke, Donald! USA verlieren Milliarden am Handelskrieg – Russland profitiert davon

Der im März ausgebrochene Handelskrieg zwischen den USA und China, in den mittlerweile auch andere Länder verwickelt wurden, beeinflusst nicht nur den Zustand der nationalen Wirtschaften, sondern trifft auch einzelne Unternehmen.

Manche von ihnen verlieren nämlich ihre traditionellen Märkte, andere werden mit einem Anstieg der Produktionskosten konfrontiert. Auch die Verbraucher leiden darunter: So müssen die europäischen Whiskey-Trinker inzwischen um zehn Prozent mehr für ihr Getränk hinlegen.

Jeder stirbt für sich allein

Die Rivalität der USA und Europas im Handelsbereich dürften sich beispielsweise die Whiskey-Verbraucher nicht gefallen lassen: Der Konzern Brown-Forman, dem die Marke Jack Daniel’s gehört, kündigte einen baldigen Preisanstieg für seine Produkte in der Alten Welt, auf seinem wichtigsten Absatzmarkt, an. Jede Flasche könnte schätzungsweise um zehn Prozent teurer werden. Der Grund ist ganz einfach: Brüssel hat einige US-Waren mit zusätzlichen Zinsen von 25 Prozent belegt. Das war seine Antwort auf die protektionistischen Maßnahmen des US-Präsidenten Donald Trump, der seit Januar gleich an mehreren Fronten einen Handelskrieg führt.

US-Präsident Donald Trump beim Golf-Spielen
© REUTERS / Jonathan Ernst – Oberbefehlshaber für Chaos: Warum Donald Trump so unberechenbar ist

 

Allerdings hatte Brown-Forman solche Probleme vorausgesehen und zuletzt eine größere Whiskey-Partie nach Europa geliefert. Besonders viel Glück hatten dabei Frankreich, Spanien, Deutschland und Polen: Dort hat der Whiskey-Hersteller vollwertige Vertriebsnetzwerke.

Probleme hat auch eine andere legendäre US-Marke: Harley-Davidson. Wegen der gestiegenen Produktionskosten muss der Motorradbauer einen Teil seiner Betriebsstätten in andere Länder verlegen, insbesondere nach Brasilien, Indien und Australien. Die dort gebauten Motorräder werden nicht als US-Produkte gelten und deshalb mit keinen Importzöllen belegt, die bei 2200 Dollar pro Motorrad liegen könnten. (Das wären bis zu 100 Millionen Dollar pro Jahr.) Die Konzernführung beschloss, dass es unfair wäre, diese Summe auf ihre Käufer zu verschieben, und entschied sich für zusätzliche spontane Investitionen, damit die Kundschaft der Marke Harley-Davidson treu bleibt.

Auffallend ist übrigens, dass Präsident Trump erst vor einem Jahr Vertreter von Harley-Davidson ins Weiße Haus eingeladen und sehr gelobt hatte. Er nannte die Marke „ein Symbol des neuen Geistes Amerikas“ und sagte ihr eine große und erfolgreiche Entwicklung vorher. Allerdings warf die Politik des Staatschefs schon damals einige Fragen bei Top-Managern  des Konzerns auf, die keine Hemmung hatten, zuzugeben, dass sie deswegen Verluste tragen müssten. Nur eine Woche nach dem Treffen im Weißen Haus wurde ein Betrieb in Kansas City geschlossen und dessen 800 Arbeiter gekündigt. Der Exekutivdirektor von Harley-Davidson, Matthew Levatich, sagte damals, diese Entscheidung wäre wegen des Austritts der USA aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) getroffen worden. Dieser Vertrag hatte den freien Handel zwischen den Teilnehmern (den Ländern Nordamerikas, Ozeaniens, Südostasiens, Brunei, Japan und Chile) vorgesehen. Auf die TPP-Länder entfielen insgesamt 37,4 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts.

Inzwischen hält Trump von Harley-Davidson nicht mehr viel. „Ich bin überrascht, dass gerade Harley-Davidson das erste unter allen (amerikanischen) Unternehmen wurde, das die weiße Flagge gehisst hat. Ich hatte gerade für sie so gekämpft. Schließlich müssten sie nicht die Tarife beim Absatz in der EU zahlen, die uns im Handelsbereich so schmerzen – minus 151 Milliarden Dollar! Die Steuern sind nichts als eine Ausrede – Harley, seid doch geduldig!“, schrieb der Staatschef neulich auf Twitter.

Danke, Donald!

Wenn es um Handelskriege geht, zählen Ökonomen den Automobilbau zu den anfälligsten Industriebranchen (was nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt gilt). So haben GM und Ford schon seit vielen Jahren Betriebe im Ausland –  und nicht nur dort, wo die Arbeitskräfte billiger sind (Mexiko usw.), sondern auch beispielsweise in Kanada. Also hängen die beiden Konzerne stark vom Import der dort gebauten Fahrzeuge ab. Sollten die Preise dafür gleich um ein Viertel steigen, würde das ihre Käufer nicht nur im weiten (auch wenn wichtigen) Europa, sondern unmittelbar zu Hause treffen. Die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg verwies darauf, dass 30 Prozent der Bremssysteme in amerikanischen Autos in China, dem größten Wirtschaftsgegner Amerikas, hergestellt werden.

Unter diesen Bedingungen müssen viele Firmen ihre Produktionsstätten wieder in den USA eröffnen, womit Trump quasi sein Wahlversprechen einhalten würde. Zudem spielen die wachsenden Ausgaben und Preise eine negative Rolle für die Bonität der Unternehmen, sodass sie Probleme beim Zugang zu neuen Kreditmitteln bekommen könnten.

Das sind die weiteren Verlierer

Aber nicht nur die Autobauer haben Schwierigkeiten. Das Wirtschaftsmagazin „Kiplinger“ hat eine Liste der „größten Verlierer“ des globalen Handelskriegs erstellt. Neben den erwähnten Harley-Davidson, Brown-Forman und Ford wurden darauf Firmen wie Tesla, Monsanto (der Düngemittelproduzent wurde vor kurzem von Bayer übernommen, das wegen der US-Importzölle für Soja leiden muss), Walmart (die Handelskette hat viele chinesische und europäische Waren im Angebot), Procter&Gamble (nutzt chinesische Rohstoffe), Nike und sogar der Solarbatterienhersteller Vivint Solar gesetzt.

Dass auf der Verliererliste Vivint Solar steht, ist doppelt überraschend. Denn die allererste Welle von Importzöllen, die Trump im Januar verhängt hatte, traf Solarbatterien und Waschmaschinen. Eigentlich sollte diese Maßnahme die US-Firma Vivint Solar vor der ausländischen Konkurrenz (den Koreanern von Samsung und LG) schützen, aber am Ende muss das Unternehmen leiden. Denn es spezialisiert sich nicht nur auf die Herstellung, sondern auch auf die Aufstellung von Solarbatterien. Für die Deckung der Nachfrage braucht es Importprodukte, die jetzt teurer wurden beziehungsweise werden.

Donald Trump steigt Air Force One ein
© REUTERS / Kevin Lamarque

Extra wurde die Firma Apple erwähnt, deren größte Betriebe in China liegen. Laut Experten war der Konzern aus Cupertino der Spitzenreiter unter allen US-Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt präsent sind: Sein Jahresumsatz beläuft sich auf 44,7 Milliarden Dollar, wobei der Umsatz der 20 größten amerikanischen Unternehmen im Reich der Mitte 158 Milliarden Dollar beträgt. Neben Apple gehören zur Top 5 auch Intel und Boeing.

Allerdings könnte der Flugzeugbauer auch keine besonders schlimmen Folgen des Handelskriegs spüren. An seinem Beispiel zeigen Analysten, dass Zulieferteile, die in anderen Ländern hergestellt werden, nicht unbedingt den Preis der fertiggebauten Produkte stark beeinflussen müssen. Bei Boeing ist die Situation folgendermaßen: Bis zu 70 Prozent des Aluminiums werden in den USA hergestellt. Die zehnprozentigen Importzölle würden die Selbstkosten eines Flugzeugs nur um 0,3 Prozent erhöhen. Zwar räumten die Autoren der Studie ein, dass die Aluminiumpreise auch auf dem US-Binnenmarkt steigen könnten. Aber vorerst kann nicht gesagt werden, wie groß der Preisanstieg wäre.

Selbstverstümmelung der Amerikaner

Auffallend ist, dass die meisten Verluste von dem von Washington ausgelösten Handelskrieg amerikanische Konzerne tragen müssen. Vor ihrem Hintergrund sehen die Verluste der anderen nicht allzu groß aus. Einer der wenigen Verlierer außerhalb der USA ist der chinesische Smartphone-Hersteller ZTE, der sich von Anfang an vor allem am US-Absatzmarkt orientierte. Er hatte aber bereits im vorigen Jahr Probleme, als seine Kontakte mit dem Iran und Nordkorea aufgegangen waren.  Die Chinesen räumten ihre Schuld ein und zahlten eine Strafe in Höhe von 890 Millionen Dollar, durften aber weiter handeln. Allerdings verhängte bereits im April das US-Handelsministerium neue Sanktionen gegen ZTE und untersagte amerikanischen Herstellern Kontakte mit ZTE, während die chinesische Firma ihre Smartphones nicht mehr in die USA liefern darf.

Zweite Front

Mitte Juni wurde im Handelskrieg quasi die „zweite Front“ eröffnet. Gegen die USA verkündeten mehrere Länder Gegenmaßnahmen, die von Trumps Protektionismus indirekt getroffen werden, darunter Indien und die Türkei. Neu-Delhi erstellte eine Liste von 30 Waren, die jetzt mit erhöhten Importzöllen belegt werden. Dazu gehören unter anderem Metallerzeugnisse, Motorräder, Borsäure und Linsen. Dadurch müssten die US-Exporteure 241 Millionen Dollar zusätzlich an den indischen Haushalt überweisen: Genau diese Summe zahlen die indischen Stahl- und Aluminiumhersteller in den USA.

Biker mit Harley-Davidson
© REUTERS / Fabian Bimmer  – Donald Trump gerät unter Motorrad
Für denselben Schritt entschied sich auch Ankara: Auf seiner Liste stehen insgesamt 22 US-Waren für 300 Millionen Dollar. „Wir versuchten, dieses Problem auf dem Verhandlungsweg in den Griff zu bekommen, doch das gelang uns nicht“, bedauerte der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci.Auch Russland bleibt nicht unbeteiligt. Am 19. Juni kündigte Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin „Ausgleichsmaßnahmen“ an, die nach seinen Worten demnächst ergriffen werden. „Sie werden für Produkte gelten, für die es auf dem russischen Markt Ersatzprodukte gibt, und werden keine negative Rolle für die makroökonomischen Kennzahlen spielen“, betonte der Beamte.

In erster Linie werden die amerikanischen Hersteller der Straßenbautechnik zur Kasse gebeten. Aber die Medikamentenhersteller können ruhig schlafen: Ihre Produkte werden nicht mit zusätzlichen Importzöllen belegt.

importierter Rindfleisch aus den USA in China (Archiv)
© REUTERS / Thomas Peter

In dieser Situation wird überraschend der russische Energiekonzern Gazprom profitieren. Der „Schlagabtausch“ zwischen Washington und Peking führte dazu, dass sich für die Russen der europäische Markt eröffnet (und das vor dem Hintergrund der Gegenwirkung des Pipeline-Projekts Nord Stream 2 seitens einiger EU-Beamten). Das US-Flüssiggas wurde zwar nicht mit Importzöllen belegt, aber sein Preis in Asien ist trotzdem gestiegen, da sich die Ölpreise an asiatischen Börsen wegen der Importzölle erhöht haben. Deshalb ist es für die US-Gasexporteure günstiger, ihren Brennstoff nach Asien zu verkaufen, während Europa dann auf russisches Erdgas angewiesen wäre. Analysten zufolge könnte Gazproms Export nach Europa im ersten Halbjahr zum ersten Mal in der Geschichte auf über 100 Milliarden Kubikmeter steigen.

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