Freitag, April 26, 2024
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Die (un)mögliche Mission des Martin Schulz: Wie werden die Genossen wählen?

Am kommenden Sonntag stimmt die SPD über einen möglichen Eintritt in Koalitionsverhandlungen mit der Union ab. Parteichef Martin Schulz reist derzeit durch Deutschland, wo die Stimmung unter den Sozialdemokraten tief gespalten ist. Einige Landesverbände haben bereits ihr Nein signalisiert, andere werben für Zustimmung. Doch wer stimmt wofür?

Eine Mehrheit muss her! Das ist die Mission von SPD-Chef Martin Schulz dieser Tage. Bei einem Sonderparteitag in Bonn werden am kommenden Sonntag 600 Delegierte aus ganz Deutschland und 45 stimmberechtigte Vorstandsmitglieder der SPD darüber entscheiden. Es reicht eine knappe Mehrheit. Während sich manche Landesverbände noch nicht festgelegt haben, ist die Entscheidung bei einigen Bundesländern bereits gefallen. Hier eine Übersicht.

Nordrhein-Westfahlen (144 Delegierte)

Der größte SPD-Landesverband gilt beim Thema Koalitionsverhandlungen als zerrissen. SPD-Landeschef Michael Groschek wirbt für ein Ja bei seinen Delegierten. Nach den Sondierungen verkündete er mit Blick auf das Ergebnis: „Wir haben zwar keinen Pokal gewonnen, aber viele kleine Medaillen.“ Eine konkrete Empfehlung oder Weisung an die Delegierten soll es im Vorfeld nicht geben, es wird ein durchwachsenes Ergebnis erwartet.

Niedersachsen (81 Delegierte)

Der SPD-Landesverband rund um Hannover hat sich bereits am vergangenen Sonntag für die Aufnahme von Verhandlungen mit der Union ausgesprochen. Das ist keine große Überraschung: Der Landesvorsitzende und SPD-Ministerpräsident Stephan Weil gilt als Verfechter einer neuen GroKo. Auch der neue SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil stammt aus Niedersachsen, er gehört ebenfalls zu den Befürwortern. Eine breite Zustimmung der niedersächsischen Delegierten gilt als sicher.

Bayern (78 Delegierte)

Die SPD im Freistaat will ihren Delegierten keine endgültige Empfehlung mit auf den Weg geben. SPD-Landeschefin Natascha Kohnen wirbt aber für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Ihr Kollege Uli Grötsch, Generalsekretär der Bayern-SPD, gehört allerdings zu den wenigen Mitgliedern des Bundesvorstands der Sozialdemokraten, der nach den Sondierungen gegen das Ergebnis gestimmt hatte. Auch deshalb will Martin Schulz in und um München noch einmal intensive Gespräche mit seinen Genossen führen.

Hessen (72 Delegierte)

Offiziell ist im hessischen Landesverband noch alles offen. Jedoch zeichnet sich bereits jetzt eine Mehrheit für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ab. SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel hatte sich nach den Sondierungen für das Ergebnis ausgesprochen. Seitdem stärkt er dem Parteivorsitzenden Martin Schulz den Rücken. Allerdings gibt es einige Stimmen im Land, die Nachbesserungen fordern. Denen hatte die Union aber bereits eine Absage erteilt.

Rheinland-Pfalz (49 Delegierte)

Auch hier wurden Forderungen laut, das Ergebnis der Sondierungsgespräche reiche nicht aus, um in Koalitionsverhandlungen zu gehen, es müsse nachgebessert werden. Das hatte auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer gefordert, wenngleich sie im Bundesvorstand für das Sondierungsergebnis gestimmt hatte. Auch hier wird Martin Schulz noch einmal das persönliche Gespräch mit der Basis suchen.

Baden-Württemberg (47 Delegierte)

Eine Zustimmung der Delegierten scheint hier fast sicher zu sein. Die Landesvorsitzende Leni Breymaier versuchte hier seit Tagen, die Mitglieder im Ländle auf Linie zu bringen. Einen offiziellen Beschluss für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen gibt es aber nicht. Auch deshalb wird die Zustimmung der baden-württembergischen SPD nicht unbedingt einstimmig ausfallen.

Saarland (24 Delegierte)

Eine spezielle Abstimmung pro oder contra Koalitionsverhandlungen ist im Saarland nicht geplant. SPD-Landeschef Heiko Maas ist ebenfalls ein Befürworter von Gesprächen mit der Union. Er selbst gehörte auch zum Sondierungsteam. Den Posten des Bundesjustizministers würde er vermutlich gern noch länger besetzen. Viele saarländische Delegierte werden ihm in Sachen Zustimmung wahrscheinlich folgen. In dem Bundesland regiert seit 2012 eine große Koalition.

Schleswig-Holstein (24 Delegierte)

SPD-Landeschef Ralf Stegner gilt als Parteilinker und war ursprünglich ein Kritiker einer Neuauflage der großen Koalition. Noch im November sprach sich ein Landesparteitag in Neumünster gegen eine GroKo aus. Doch das war vor den Sondierungen. Stegner gehörte zum Team der Verhandler in Berlin. Nun ist er für Koalitionsgespräche, aber auch für Nachverhandlungen der Sondierungsergebnisse. Eine Empfehlung an seine Delegierten will er nicht geben.

Berlin (23 Delegierte)

In der Hauptstadt ticken die Uhren anders: Die Berliner SPD ist gegen weitere Verhandlungen mit der Union. Eine entsprechende Empfehlung an die Delegierten gab es am vergangenen Montag. Das ist eine herbe Niederlage für Berlins regierenden Bürgermeister Michael Müller, der Befürworter einer großen Koalition ist. Das Nein zur GroKo ist auch ein Erfolg des Juso-Landesvorsitzenden und gebürtigen Berliners Kevin Kühnert, der den Genossen zuvor ins Gewissen redete.

Hamburg (15 Delegierte)

Wenig überraschend empfahl der Hamburger Landesvorstand am Dienstag einstimmig die Aufnahme von Koalitionsgesprächen. Der Landesvorsitzende und Erster Bürgermeister der Hansestadt, Olaf Scholz, gilt als großer Verfechter einer Regierungsbeteiligung auf Bundesebene. Auch er gehörte zum Sondierungsteam der SPD. Das Ergebnis wertete er überwiegend positiv.

Brandenburg (10 Delegierte)

Während die Berliner Genossen gegen die GroKo sind, sieht es im Umland der Hauptstadt anders aus. Der SPD-Landesvorstand in Brandenburg sprach sich am Montag für Koalitionsgespräche aus. Landeschef und Ministerpräsident Dietmar Woidke hatte im SPD-Bundesvorstand, wie die meisten seiner Kollegen dort, für das Sondierungsergebnis gestimmt. Einstimmig muss das Ergebnis der Delegierten aus dem rot-rot-geführten Bundesland deshalb nicht ausfallen.

Bremen (8 Delegierte)

Hier wird noch kontrovers diskutiert. SPD-Landeschef und Bürgermeister Carsten Sieling ist für Koalitionsverhandlungen. Für den Freitag vor dem Sonderparteitag ist jedoch noch eine Debatte mit der Basis im Stadtstaat geplant. Einen offiziellen Beschluss und damit eine Empfehlung an die Delegierten aus Bremen soll es nicht geben.

Sachsen (7 Delegierte)

In Sachsen regiert eine große Koalition mit der SPD in der Juniorrolle. Das scheint auch auf die Überlegungen zu einer bundesweiten GroKo abzufärben. SPD-Landeschef Martin Dulig ist sächsischer Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, er hat seinen Genossen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen nahegelegt. Der Landesvorstand sprach sich am vergangenen Freitag dafür aus, dies auch den SPD-Delegierten zu empfehlen.

Thüringen (7 Delegierte)

Eigentlich hatte sich ein Landesparteitag im Dezember mit großer Mehrheit gegen eine große Koalition ausgesprochen. Auch vor wenigen Tagen hieß es seitens des SPD-Landesverbands, man wolle den Delegierten ein Nein zu Koalitionsgesprächen empfehlen. Doch dieses Nein scheint nun zu bröckeln: Einige Delegierte meldeten Zweifel an ihrer Ablehnung an. Auch der thüringische SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Matschie, ebenfalls Mitglied im Bundesvorstand der Partei, will trotz Bauchschmerzen für Verhandlungen mit der Union stimmen.

Sachsen-Anhalt (6 Delegierte)

Knapp, knapper, Sachsen-Anhalt. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme sprach sich ein SPD-Landesparteitag am vergangenen Samstag gegen Koalitionsverhandlungen aus. Auch hier hatten die Jusos ihre Finger mit im Spiel: Ein entsprechender Antrag der Jungsozialisten zum Abbruch von Gesprächen mit der Union wurde mit einer Mehrheit von 52 zu 51 Stimmen angenommen. Die Delegierten werden dieser Empfehlung vermutlich folgen.

Mecklenburg-Vorpommern (5 Delegierte)

Das Quintett der SPD-Delegierten ist noch unentschlossen. Landesvorsitzende und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ist gegenüber einer Neuauflage der GroKo kritisch eingestellt. Generell begrüßt sie die Koalitionsverhandlungen, doch auch sie wünscht sich Nachbesserungen. Am Freitag will die SPD-Landesspitze in Güstrow noch einmal das Pro und Contra von Verhandlungen mit der Union besprechen. Ob es am Ende eine Empfehlung an die Fünf Delegierten geben wird, ist unklar.

Das Zwischenergebnis

Zwar ist noch alles offen, doch es zeichnet sich eine Mehrheit für die Aufnahme von Koalitionsgespräche mit der Union ab. Lediglich drei Bundesländer und damit bis zu 36 Delegierte lehnen weitere Verhandlungen bisher ab. Dem gegenüber stehen aktuell fünf Bundesländer, in denen die Stimmung mit maximal 137 Delegierten Richtung GroKo tendiert. Vergessen darf man an dieser Stelle auch nicht den 45-köpfigen SPD-Bundesvorstand, der wohl mehr oder weniger geschlossen für Gespräche mit CDU und CSU votieren wird. Dennoch: der Großteil der Delegierten ist noch unentschlossen.

Wenn einer eine Reise tut …

Martin Schulz wird in dieser Woche noch viele Kilometer reisen müssen, um für Vertrauen zu werben. Er ist allerdings nicht der einzige reiselustige Genosse in diesen Tagen. Auch Juso-Chef Kevin Kühnert trifft sich mit zahlreichen Landesverbänden, um die Genossen von einem Nein zur GroKo zu überzeugen. Die Nase vorn hat dabei wohl der Parteivorsitzende Schulz. Er will bis zur letzten Minute um jede Stimme kämpfen. Immerhin hängt auch seine Karriere von dem Ergebnis ab. Sollte ihm wider Erwarten am Sonntag nicht von der Basis der Rücken gestärkt werden, dürften seine Tage an der Spitze der SPD gezählt sein. Unmöglich ist die Mission für den wortgewandten Rheinländer aber sicher nicht.

Quelle!

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