Freitag, April 26, 2024
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„Dritter Weltkrieg“: Kampf um Bodenschätze in Afrika – Die blutige Seite des Goldes

Westliche Unternehmen profitieren im Kongo von Bürgerkriegen und Konflikten, die „am Laufen gehalten werden.“ Das sagt der Schweizer Regisseur Milo Rau im exklusiven Sputnik-Interview. Seine preisgekrönte Dokumentation „Das Kongo Tribunal“ zeigt die dunkle Seite des Rohstoff-Kriegs in Afrika – und wie die Menschen dort unter der „Gold-Gier“ leiden.

„Wir haben im Kongo einen Bürgerkrieg, der schon 20 Jahre andauert: Sieben Millionen Tote, soweit zumindest die Schätzung“, sagt Dokumentarfilmer Milo Rau im Sputnik-Gespräch. Bei der Betrachtung des Kongo falle auf: Die Massaker, die Vertreibungen und die kriegerischen Gewalttaten dort stimmen genau mit jenen Orten überein, an denen die üppigen Bodenschätze in dem afrikanischen Land liegen. „Die Orte, wo eben Coltan, Gold oder Kassiterit (Zinnerz) abgebaut werden.“

Der Schweizer Filmemacher sieht in Afrika und speziell im Kongo „eigentlich einen Wirtschaftskrieg um extrem wichtige Rohstoffe. Gerade im Falle von Coltan sind die wichtigsten Vorkommen tatsächlich im Ost-Kongo.“ Teilweise bis zu 80 Prozent der weltweit bekannten Vorkommen vermute die Weltwirtschaft dort. Der Bodenschatz Coltan gehöre zu den „zentralen und strategisch wichtigen Rohstoffe für die IT-Industrie, also für die Kommunikationstechnologie der aktuellen und der kommenden Zeit.“ Das Erz dient der Produktion von Smartphones oder Computerchips. Menschenrechtler sprechen bei solchen Rohstoffen von Konflikt-Rohstoffen oder auch von Konflikt-Mineralien, weil sie in Konfliktgebieten angebaut oder gefördert werden. Oft würden diese in Afrika „illegal abtransportiert“, so Rau.

Wer beutet Afrika aus?

In seinem Film „Das Kongo Tribunal“ habe er sich hauptsächlich mit den Aktivitäten von US-amerikanischen, kanadischen und Schweizer Rohstoff-Unternehmen im Kongo befasst. „Da sind Europa, Nordamerika, natürlich auch China, stark drin verwickelt.“ Er habe sich vor der Produktion des Werks folgende Frage gestellt: „Warum hört der Krieg nicht auf? Gibt es da vielleicht kein Interesse daran, dass die Kongolesen selbständig ihre Rohstoffe unter Kontrolle kriegen?“

Die Demokratische Republik Kongo sei als „failed state“ anzusehen, also als „gescheiterter Staat.“ Der Zusammenbruch von staatlicher Infrastruktur und politischem Einfluss in der Region Ost-Kongo schaffe „überhaupt erst die Möglichkeit für die großen Firmen, diese riesigen Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen.“ Es gebe zwar laut Rau auch Firmen wie beispielsweise das kanadische Gold-Unternehmen Banro, die „oft wieder selbst von Rebellen ausgeplündert werden. Deren Vorteil ist nur, dass die Weltbank dafür sorgt, dass die Firma die kongolesische Regierung dafür haftbar machen kann und von ihr entschädigt wird.“ Internationale Unternehmen, die in Afrika operieren, hätten viele Vorteile.

Wirtschaftskrieg: Strategien der Ausbeutung

Es fehle vor allem an staatlichen Kontrollmechanismen. „Im Kongo gibt es diesen Staat nicht, der für seine Bürger sorgt“, so der Schweizer. Davon profitieren die Rohstoff-Unternehmen. Diese würden systematisch den afrikanischen Kontinent ausplündern.

„Das hat eine Systematik: Da sind Rohstoffe, die die Industrieländer benötigen, aber nicht haben. Im Kongo ist es genau umgekehrt: Ihr Elend ist ihr Reichtum. Eine Strategie ist bekanntlicherweise, dass die lokale Bevölkerung nie zur Ruhe kommt. Dass es da ständig zu neuen Massakern kommt. Dass ständig ein Kleinkrieg am Laufen gehalten wird, oft auch unter den Augen von Uno-Soldaten. Wer davon profitiert, das sind natürlich die Leute, die die Rohstoffe brauchen. Das ist der Zusammenhang, den wir im Film zu zeigen versuchen: Von den ganz großen Firmen bis ganz runter zu den kleinen Schürfern.“

Eine andere Strategie seien Regulierungsgesetze. Damit sollen „Blut-Mineralien“ verboten werden. Das sind Rohstoffe, die von Kindern oder von schwangeren Frauen abgebaut werden. Also unter unmenschlichen Bedingungen. Von Seiten der USA gab es laut ihm schon einige dahingehende Initiativen und Vorstöße. „Das demographische Problem im Kongo ist nur: Wenn man so ein Gesetz durchzieht, das der US-amerikanische Kongress gemacht hat, dann kriminalisiert man auf einen Schlag sämtliche lokalen kongolesischen Anbieter – und schafft eigentlich ein Monopol für westliche Firmen.“ Das seien zwar alles „sehr ethisch aussehende Gesetze“. Doch die Folge sei, dass einheimische Gold-Produzenten aus dem Markt gedrängt werden.

Korruption und Bürgerkrieg

Die dritte Strategie ist die klassische Korruption. „Da werden Politiker in der Hauptstadt Kinshasa bestochen. Damit diese riesige Konzessionen, also Abbaulizenzen, an westliche Firmen abgeben. Mit diesen Konzessionen wird die einheimische Bevölkerung illegal vertrieben.“ Das Hauptproblem sei, dass die Kongolesen keine Kontrolle über ihre eigenen Bodenschätze hätten.

Die Demokratische Republik Kongo, das frühere Zaire, ist eine ehemalige belgische Kolonie. Das Land hat eine Größe von Westeuropa und rund 81 Millionen Einwohner. Seit über 20 Jahren wütet dort ein unüberschaubarer Bürgerkrieg. In Raus Film wird von einem „Dritten Weltkrieg“ gesprochen, und zwar aufgrund der direkten und indirekten Verwicklung aller Großmächte in dem Konflikt. „Die Rohstoffe des Kongo sind 24 Billionen Dollar wert“, erklärt zum Beispiel ein Rohstoffhändler in dem Doku-Drama. „Das ist mehr, als die USA und Europa zusammen besitzen.“

Rau, Milo: „Das Kongo Tribunal“, 2017, Fruitmarket / Langfilm. Der politische Dokumentarfilm hat unter anderem den „Zürcher Filmpreis“ gewonnen. Er läuft seit Mitte November in ausgewählten deutschen Kinos. Die Filmpremiere fand im Juli 2017 im Ost-Kongo statt

Alexander Boos

Beitragsbild: © AP Photo/ Jerome Delay

Quelle: https://de.sputniknews.com/kultur/20171216318705412-dritter-weltkrieg-in-afrika/

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