Freitag, April 26, 2024
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Erklärungsnot nach dem „Bürofehler“: Was steckt hinter dem Türkei-Bericht?

Die Frage, wie die unangenehme Türkei-Einschätzung des Innenministeriums am Außenministerium vorbeilaufen konnte, hat einige Leute in Erklärungsnot gebracht – von einem „Bürofehler“ war die Rede. Innenminister de Maizière stellte sich vor die Kameras und sagte: „Da ist nichts zu bereuen.“ Der „Tagesspiegel“ interpretierte: „Hat ein Beamter das Chaos angerichtet, um den Türkei-Kurs der Regierung zu unterminieren?“

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat das von seinem Haus verfasste kritische Türkei-Papier verteidigt. „Da ist nichts zu bereuen“, sagte er dem RBB-Fernsehen.

Der Text sei lediglich „eine pointierte Darstellung eines Teilaspekts türkischer Wirklichkeit“. De Maizière fügte hinzu: „Die Wirklichkeit in der Türkei und unsere Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung geht darüber hinaus.“

De Maizières Staatssekretär Schröder setzte im rbb noch einen drauf. Er verwies auf die Informationspflicht. „Selbst wenn es innerhalb der Bundesregierung zu Kenntnisnahmen des Auswärtigen Amts gekommen wäre, hätte es an dieser Tatsache nichts geändert“, zitierte ihn der „Tagesspiegel“.

Außenministerium bleibt diplomatisch

Das Außenministerium ließ sich interessanterweise keine direkte Distanzierung zum Türkei-Bericht entlocken und ließ durch seine Sprecherin Sawsan Chebli ausrichten: „Die in der Presse getroffenen Aussagen machen wir uns in dieser Pauschalität als Auswärtiges Amt nicht zu eigen.“ Ein sehr diplomatischer Satz, der weder das eine noch das andere heißt.

Eine Distanzierung zu dem Türkei-Bericht ließ sie sich also nicht entlocken. Diese hätte wohl ein regierungsinternes Zerwürfnis offen gelegt – mit dem Innenministerium und auch mit dem Kanzleramt. Dort hatte man an der BND-Einschätzung offenkundig nichts auszusetzen, ist zu hören. Wie ihr Kollege Dimroth vom Innenministerium zieht sich Chebli auf die Vertraulichkeit der Analyse zurück.

Gravierender „Bürofehler“

Der Tagesspiegel stellte heute die Frage, ob ein Beamter das Chaos absichtlich angerichtet habe, um den Regierungskurs bezüglich der Türkei zu unterminieren.

Innenministeriums-Sprecher Johannes Dimroth musste gestern nämlich einen gravierenden „Bürofehler“ seines Hauses einräumen – in einer ziemlich peinlichen Bundespressekonferenz, wie die „Neue Westfälische Zeitung“ (NWZ) berichtete. Der zuständige Sachbearbeiter habe die Einbindung des Außenamts versäumt und zu allem Überfluss auch noch fälschlich einen Vermerk an dem Vorgang angebracht, der sonst signalisiert, dass gerade dies passiert sei.

„Nicht ganz einfach ist es für Dimroth auch zu erklären, warum in der von seinem Ministerium verantworteten Antwort zwar die 17-zeilige Analyse des BND enthalten ist, sein Haus aber eigentlich „keine Expertise“ in dieser Frage habe. Dies sei häufiger so, von anderen Regierungsstellen zugelieferte Antworten würden in solchen Fällen einfach in die Papiere hineinkopiert, sagt Dimroth. Man muss wissen: Der deutsche Auslandsgeheimdienst untersteht dem Kanzleramt“, erinnerte NWZ.

Auf eine inhaltliche Bewertung der BND-Analyse wollten sich die Pressesprecher Seibert, Dimroth und Steinmeier-Sprecherin Sawsan Chebli nicht einlassen. Sie äußerten die formaljuristische Begründung: Die entsprechenden Passagen seien schließlich als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Nicht die Öffentlichkeit dürfe die Hintergründe erfahren, sondern lediglich die zuständigen Parlamentsgremien wie jenes zur Kontrolle der Geheimdienste.

(Nichts) neues über Erdogan …

Bei dem auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Bericht handelt es sich um eine teils vertrauliche Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion. Darin gibt die Bundesregierung eine BND-Analyse wieder, nach der die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan seit Jahren islamistische Organisationen unterstützt, darunter solche wie die palästinensische Hamas, die von der EU als terroristisch eingestuft wird. All dies war grundsätzlich schon länger bekannt. Durch das Statement des Innenministeriums bekam es den Stempel des Offiziellen.

(dpa / rf)

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