Freitag, April 26, 2024
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Fake News in Rechtsextremismus-Studie? Wissenschaftler widersprechen

Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke, kritisiert nun selbst die von ihr im Mai vorgestellte Studie „Rechtsextremismus in Ostdeutschland“. Sie spricht von „Schlamperei“ und distanziert sich von der Arbeit der Göttinger Sozialforscher. Die zeigen sich überrascht von der Kritik.

Laut Aussagen des Bundeswirtschaftsministeriums war der Anlass für die öffentliche Kritik an der Studie, ein „neu entdeckter“ Fehler, „der eine Aussage eines Interviewpartners über eine dritte Person beinhaltet, die nicht erweislich wahr ist“. Das sagte Ministeriumssprecherin Beate Baron gegenüber Sputnik. „Daraufhin hatte das Göttinger Institut selbst das Bundeswirtschaftsministerium darum gebeten, die Langfassung der Studie nicht mehr zu veröffentlichen. Beides machte es für Frau Gleicke unumgänglich, sich von der Studie zu distanzieren.“

Die Studie war vom Institut für Demokratieforschung in Göttingen für das Ministerium bzw. die Ostbeauftrage der Regierung erarbeitet worden. Gleicke ist im Wirtschaftsministerium angesiedelt. Nun distanziert sie sich und teilte dies den Göttinger Wissenschaftlern in einem Brief mit, der unserer Redaktion vorliegt. „Die kurz nach der Präsentation öffentlich kritisierten Flüchtigkeitsfehler bei der Anonymisierung einzelner Gesprächspartner fand ich bereits ärgerlich“, schrieb die parlamentarische Staatssekretärin. „Es sind jedoch ganz offensichtlich nicht belegbare Aussagen eines anonymen Akteurs als Tatsachen dargestellt worden, obgleich die Aussagen dritter Personen nicht erweislich wahr sind.“

Fake News in der Studie?

Im Schreiben der Ostbeauftragten heißt es weiter: „Nicht erweislich wahre Tatsachen dürfen in einer wissenschaftlichen Arbeit nicht den Anschein erwecken, dass es sich um wahre Tatsachen handeln könnte.“ Das Göttinger Institut habe „es zudem noch nicht einmal für nötig befunden, mich und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die konkret erfolgte Änderungen hinzuweisen.“ Sie lasse die Möglichkeit prüfen, die bislang an das Göttinger Institut ausgezahlten Mittel zurückzufordern. Die Kosten der Studie belaufen sich laut Bundeswirtschaftsministerium auf insgesamt 129.391,86 Euro.Eine Sputnik-Nachfrage beim Göttinger Institut wurde durch eine Mitarbeiterin mit einem Verweis auf die aktuelle Pressemitteilung beantwortet. „Die Distanzierung der Ostbeauftragten hat uns überrascht“, wird in der Stellungnahme erklärt. „Wir wissen von dem Brief erst aus den Medien. In unserem Institut ist ein solches postalisches Schreiben nicht angekommen.“

„Ministerium war über alle Schritte informiert“

Das Ministerium sei stets über jeden Vorgang informiert gewesen und wisse, wer die Quelle des kritischen Zitats sei, so die Stellungnahme. „Eine solche Interviewpassage gar nicht zu bringen, wäre aus wissenschaftlicher Perspektive höchst problematisch gewesen. Wir sehen uns nicht befugt, Interviewaussagen zu zensieren. Dass das Ministerium sich nun überstürzt davonmacht, ist bedrückend. Offenkundig scheint ein solches Verhalten in Wahlkampfzeiten für opportun gehalten zu werden.“Bereits im Mai hatte Oliver Decker, Rechtsextremismus-Experte am Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung in Leipzig, auf Sputnik-Anfrage die Studie als „wissenschaftlich einwandfrei“ bezeichnet.

Alexander Boos

Beitragsbild: © AFP 2017/ Boris Roessler

Quelle: Sputnik Deutschland

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