Freitag, April 26, 2024
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Hartz-IV: Regierung zieht Daumenschrauben an

Die Bundesagentur für Arbeit verschärft erheblich die Gangart gegenüber Hartz-IV-Empfängern, die ihre Bedürftigkeit selbst verursacht oder verschlimmert haben sollen. Das berichtet „Bild“ (Freitag) unter Berufung auf eine neue Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) an die Jobcenter.

Danach sollen Betroffene, die ihre Hilfebedürftigkeit selbst herbeiführen, sie erhöhen oder nicht verringern, künftig sämtliche erhaltenen Leistungen für bis zu drei Jahre zurückzahlen müssen.

Selbst der Wert von Essens-Gutscheinen muss erstattet werden. Schärfer ahnden sollen die Ämter laut der Weisung sogenanntes „sozialwidriges Verhalten“ von Hartz-IV-Empfängern. Bisher konnten sie nur zur Rückerstattung von Leistungen gezwungen werden, wenn sie ihre Notlage selbst verursacht haben, z.B. in dem sie ihr gesamtes Vermögen beim Glücksspiel durchgebracht hatten und deshalb Hartz IV beantragen mussten.

Ab sofort gilt das aber auch für die Fälle, in denen die Betroffenen während des Hartz-IV-Bezugs nichts tun, um aus ihrer Notlage herauszukommen, sie sogar vorsätzlich oder grob fahrlässig verschärfen. Die BA nennt in ihrer Weisung, die auf die jüngsten Änderungen des Hartz-IV-Gesetzes zurückgeht, konkrete Beispiele.

Betroffen sind z.B.: Berufskraftfahrer, die den Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer verlieren und dann auf Hartz IV angewiesen sind. Hartz-IV-Empfänger, die bezahlte Jobs grundlos ablehnen und deshalb weiter auf Hartz IV angewiesen bleiben. Mütter, die sich weigern, die Namen der Väter ihrer Kinder zu nennen. Denn der müsste möglicherweise Unterhalt zahlen. Dann müsste das Jobcenter weniger Leistungen an die Mütter überweisen.

Hartz-IV-Aufstocker, wenn sie ihre niedrig bezahlten Jobs ohne wichtigen Grund aufgeben und dadurch mehr Geld von den Jobcentern benötigen, um den Lebensbedarf zu decken. Personen, die ihren Job freiwillig aufgeben, um sich in einem Bereich weiterzubilden, für den es keine Arbeitsplatzaussicht gibt.

Stoßen die Jobcenter künftig auf solche Fälle, sollen sie laut „Bild“ für eine Dauer von bis zu drei Jahren sämtliche Leistungen zurückverlangen können. Das gilt auch für die gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und Gutscheine. Haftbar sollen auch die Erben eines Hartz-Empfängers sein (Deutschland: Politik gegen arme Familien – Elterngeld wird auf Hartz IV angerechnet).

 

Notvorrat: Pech für Hartz IV Bezieher

Es ist merkwürdig genug, dass die Bundesregierung ihrer Untertanenschar gerade jetzt wieder das Anlegen von Notvorräten anrät.

Wollen sie uns auf Kriege vorbereiten, die sie demnächst loszutreten gedenken? „Kommen“ die Russen jetzt doch noch – der Alptraum aller Bürger in den den 70ern und 80ern? Will die Polizei wegen „terroristischen“ Schießereien irgendwo tagelange Ausgangssperren für ganze Städte verhängen? Oder liegt dem doch nur die Angst vor Stromausfall und Cyberattacken zugrunde? (Bereiten sich Gemeinden heimlich auf künftige Blackouts im Stromnetz vor?)

Fakt ist, dass besagter Notvorrat auch Geld kostet – Geld, das nicht jeder und jede hat. Will die Regierungen diesen als Sonderleistung für Hartz IV-Betroffene finanzieren. Oder handhaben die Behörden das Ganze ähnlich wie mit Besuchen bei Freunden und Verwandten: „Ihr habt ein Menschenrecht auf soziale Teilhabe, aber wie ihr euch das leisten könnt, ist eure Sache!“?

Wie das Hamburger Straßenmagazin Hinz&Kunzt berichtet, können Hartz IV-Empfänger auf keine zusätzliche finanzielle Unterstützung für die Katastrophenvorsorge zählen.

Laut Berechnungen kostet die Hamsterkauf-Komplettausstattung eine vierköpfige Familie rund 300 Euro. Besonders für Hartz IV-Empfänger, bei denen das Geld, wenn überhaupt, meist punktgenau bis zum Monatsende reicht, ist dies eine nur schwer zu stemmende Investition. Kein Wunder: Die Hartz IV-Sätze werden äußerst rigide berechnet. Für Lebensmittel stehen jedem Leistungsempfänger exakt 128,46 Euro pro Monat zu. Da wird es schwer Vorräte anzulegen (Katastrophenschutz bekommt neues Konzept: Bürger sollen Vorräte an Essen und Trinken anlegen).

 

Wenn es die Regierung ernst meint mit ihrer Empfehlung, dass sich jeder Haushalt individuell auf mögliche Krisenfälle vorbereiten soll, beträfe dies natürlich auch die 4,3 Millionen ALG II-Empfänger in Deutschland. Die Ämter müssten eigentlich eine Sonderzahlung gewähren, damit die Einkäufe für den Notfall getätigt werden können.

Doch laut Bundessozialministerium reicht der Regelsatz aus, um diesen Zusatzbedarf abzudecken. Hinz&Kunzt zitiert aus dem Antwortschreiben der Behörde:

Sofern also leistungsberechtigte Personen auf Grund des vom Kabinett beschlossenen Zivilschutzkonzeptes einen persönlichen, ausreichenden Vorrat an Lebensmitteln anlegen wollen, so müssen sie, ebenso wie Menschen mit geringem Einkommen, die hierfür erforderlichen Ausgaben eigenverantwortlich aus dem ihnen zur Verfügung stehenden Budget finanzieren.

 

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Hamburg kritisiert dies scharf. Die Vorstellungen des Bundessozialministeriums würden komplett an der Lebensrealität von Menschen mit geringem oder gar keinem Einkommen vorbeigehen. Als „zynisch“ und „menschenunwürdig“ bezeichnet der Paritätische diese Haltung und fordert:

Wenn die Regierung diese Vorschläge ernst meint und möchte, dass sie von der Bevölkerung ernst genommen werden, dann muss sie dafür Sorge tragen, dass auch jeder Mensch sie umsetzen kann.

Fest steht: Zumindest die Klassenunterschiede in Deutschland würden dank der Sozialpolitik der Bundesregierung auch problemlos die nächste Apokalypse überleben.

Vielleicht betrachtet es die Bundesregierung auch als sinnvolle Selektionsmaßnahme, wenn eine bestimmte Personengruppe den Katastrophenfall nicht überlebt…?

Literatur:

Deutschland am Abgrund: Wir schaffen das… von Sarah Wagner

Handbuch Widerstand gegen Hartz 4: Hartz IV muss weg! von Burkhard Tomm-Bub (M.A.)

Der stille Putsch: Wie eine geheime Elite aus Wirtschaft und Politik sich Europa und unser Land unter den Nagel reißt von Jürgen Roth

Deutschland am Abgrund von Urs Specht

Quellen: PublicDomain/mmnews.de/gegen-hartz.de/de.sott.net am 02.09.2016

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