Freitag, April 26, 2024
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„Ihr habt nichts verstanden“: Die Linke greift deutsche Medien und SPD an

Seit Tagen berichten deutsche Medien von einer Spaltung der Partei Die Linke. Der Hintergrund sollen Äußerungen der Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und ihres Ehemanns Oskar Lafontaine gewesen sein. Zum Jahresauftakt der Linken am Sonntag wurde mit diesen Gerüchten aufgeräumt. Harte Kritik gab es auch an Martin Schulz und der GroKo.

Zum Jahresauftakt hatte die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke unter dem Motto „Links, wo das Herz schlägt“ zahlreiche Politiker und Gäste in das Berliner Kino „Kosmos“ eingeladen. Die Veranstaltung erfreute sich einer so großen Nachfrage, dass viele Besucher wegen Überfüllung des Saals draußen bleiben mussten.

Besonders gespannt war das Publikum auf die Reden der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und des Parteigründers Oskar Lafontaine. Beide machten in den vergangenen Tagen Schlagzeilen. So berichtete beispielsweise die Tagesschau, Wagenknecht habe die Gründung einer neuen linken Volkspartei mit Teilen von SPD und Grünen vorgeschlagen und damit die Spaltung ihrer Partei eingeleitet. Bereits zu Beginn der Veranstaltung mahnte Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch deshalb zum Realismus:

„Eins ist für mich ganz klar: Wir brauchen im Moment keine unrealistischen Konstellationsdebatten, wir brauchen keine Debatten um neue Parteien. Wir brauchen vor allen Dingen die Stärkung der Linken in diesem Jahr 2018.“

Eine Spaltung der Linkspartei war jedoch nie Plan oder Wunsch von Wagenknecht und Lafontaine, wie beide wenig später bei ihren Reden zum Jahresauftakt klarstellten. Er habe lediglich vorgeschlagen, eine linke Sammelbewegung in Deutschland voranzutreiben, so der Linksfraktionschef im saarländischen Landtag:

„Ich war einmal Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Meine Bemerkungen zielten auf die SPD. Und ich möchte nicht zusehen, wie die SPD immer weiter den Bach runter geht. Wir brauchen auch Leute aus der SPD, die mit uns zusammenarbeiten. Das ist der Sinn der ganzen Diskussion.“

Denn nur mit vereinten linken Kräften könne man laut Lafontaine den Vormarsch rechter Kräfte in Deutschland und Europa stoppen. Laute Kritik über die vorausgegangene Berichterstattung übte deshalb auch Sahra Wagenknecht:

„Ich finde es merkwürdig und teilweise abenteuerlich, was da so geschrieben und debattiert wird. Am groteskesten finde ich den Vorwurf, ich hätte jetzt vor, die Linke zu spalten. Bei manchen Journalisten ist da vielleicht der Wunsch der Vater des Gedankens. Aber wer den Unterschied zwischen einer Spaltung und einer Sammlung nicht erkennen kann, der hat doch gar nichts verstanden.“

Es gehe nicht um Spaltung, so Wagenknecht weiter, es gehe darum, als linke Bewegung zu wachsen und größer zu werden. Mit Blick auf die Ergebnisse der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD waren sich ebenfalls alle Redner der Veranstaltung einig: Eine neue große Koalition würde in erster Linie weiteren Stillstand für Deutschland bedeuten. Da ist sich auch der ehemalige Linksfraktionschef und jetzige Vorsitzende der Europäischen Linken, Gregor Gysi, völlig sicher:

„Der SPD wird die große Koalition schaden, was für sie aber keinen Grund darstellt, diesen Weg nicht zu beschreiten. Deshalb ist es richtig, dass wir eine Stimmung verbreiten, dass die SPD-Basis vielleicht doch Nein sagt. Dabei könnte man doch mal mehr Demokratie wagen: Wenn sich eine Minderheitsregierung im Bundestag regelmäßig eine neue Mehrheit mit unterschiedlichen Kompromissen suchen müsste.“

Laut Gysi könne man auch an Neuwahlen denken. Aber nur, wenn die SPD offensiv darauf verweisen würde, dass ein Mitte-Rechts-Bündnis gescheitert sei und man den Weg nach Mitte-Links gehen müsse. Ehrlicherweise räumte Gysi aber ein, dass es dazu wohl nicht kommen werde. Noch kritischer und mit scharfen Tönen gab sich Fraktionschefin Wagenknecht gegenüber den Sozialdemokraten:

„Als ich gehört habe, dass Martin Schulz nach dem Ende der Sondierungen gesagt hat, er hätte ein hervorragendes Ergebnis erreicht, da sagte ich mir: Na gut, wenn einer die ganze Nacht nicht schläft, da kann schon mal der Verstand aussetzen. Aber ich habe erschüttert festgestellt, er hat das am nächsten Tag immer noch gesagt.“

Die Linke kritisiert mit Blick auf die Sondierungsergebnisse vor allem fehlende Ideen für eine sozial gerechtere Zukunft Deutschlands. Im Gegenteil, die Linkspartei sei überzeugt, dass eine Neuauflage der GroKo zu einer Stärkung rechter Kräfte und zu einer weiteren gesellschaftlichen Spaltung führen werde, so Dietmar Bartsch:

„Wenn die Entwicklung so weiter geht wie in den letzten Jahren, dann verfügen im Jahr 2050 rund 0,1 Prozent über 40 Prozent der globalen Einkommen. Dieser Wahnsinn muss aufhören.“

Es gebe eine geradezu obszön ungerechte Verteilung von Vermögen. Allein in Deutschland lebten laut Bartsch aktuell aus Not 1,5 Millionen Menschen von der „Tafel“. Zwei Millionen Kinder seien hierzulande arm oder von Armut bedroht. Mit Blick auf den Rechtspopulismus und die Flüchtlingsdebatte in Deutschland erklärte Gregor Gysi außerdem, dass die Annahme falsch sei, je weniger Arme es gebe, desto besser ginge es jedem Einzelnen:

„Ich habe mal zu solch einem Publikum gesagt, dass ich den Bundestag besser kenne. Wenn es weniger Arme gäbe, erhöhen die deshalb nicht Hartz IV. Das ist völlig absurd. Vielleicht werden die Diäten erhöht, aber bestimmt nicht Hartz IV. Da sage ich: Merkt ihr denn nicht, dass ihr in die völlig falsche Richtung denkt? Ihr sollt nicht die Armen bekämpfen, sondern den falschen Reichtum!“

Damit meint Die Linke beispielsweise Großunternehmen wie Apple, die kaum Steuern zahlen. Auch ist für die Partei die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde ein wichtiges Anliegen. Die boomende deutsche Wirtschaft könne und müsse sich das leisten, und dafür werde Die Linke weiter kämpfen. Ein weiteres Anliegen ist Sahra Wagenknecht und ihrer Partei eine veränderte Außenpolitik. Besonders schlimm, so die Fraktionschefin, sei die Ost- und Russlandpolitik, die sich laut Sondierungsplänen überhaupt nicht ändern werde:

„Die ganze Aufrüstung, die ganzen Stationierungen von Truppen, die neu aufgebauten Raketenbasen, all das was das Leben auf diesem Kontinent bedroht, das soll weitergehen. Und da muss man gerade an die Adresse der SPD sagen: Willy Brandts Ostpolitik, das war der Kniefall von Warschau. Aber nicht der Kniefall vor der Rüstungslobby, oder vor einem US-Präsidenten, der sich in pubertierender Manier mit der Größe seines Atomknopfs brüstet.“  

Deshalb wolle sich Die Linke auch in nächster Zeit für eine Änderung im deutschen Kurs gegenüber Russland und für mehr Diplomatie im gegenseitigen Umgang einsetzen.

Das Fazit des Jahresauftakts der Linksfraktion: Die Kontroverse um eine mögliche Spaltung der Partei ist erst einmal vom Tisch. Und der Appell an die Genossen von der SPD ist klar formuliert: Bloß keine neue GroKo – Deutschland zuliebe. In den kommenden Wochen und Monaten wird Die Linke dann zeigen müssen, ob sie ihre guten Vorsätze für dieses Jahr umsetzen kann und welche Rolle die selbsternannte „einzige linke Oppositions- und Friedenspartei“ im neu zusammengesetzten Bundestag spielen wird. Leise wird es um sie mit Sicherheit nicht werden.

Autor: Marcel Joppa

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