Freitag, April 26, 2024
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Islamgesetz: Österreichs Muslime brauchen Ankaras Einmischung nicht

Unterstützer Erdogans in Ankara. Kein österreichischer Muslim braucht die Türkei als Advokaten, sagt Cengiz Kulaç.

Ideologen der Ungleichheit bauen sich allerorts ihr biederes Nest, genannt "Kulturkreis" oder "Leitkultur"

Was interessiert michFehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 3) "Ankaras" Kritik am neuen Islamgesetz, und was hat sich die türkische Regierung in österreichische Gesetzgebung einzumischen? – Gar nicht! Kein österreichischer Muslim braucht

diese Kritik und Einmischung, dieses Spiel der konservativen Kulturkämpfer.

Parteien von ÖVP bis AKP geht es nicht um die Frage einer sozialen und demokratischen Teilhabe an der Gesellschaft unabhängig von Herkunft, sondern um das Bedienen von Rassismus einerseits und eine auf Kulturrelativismus basierende Opferrolle andererseits.

Selbsternannte Schutzmacht

Die Türkei inszeniert sich als Fortsetzung des osmanischen Kalifats und als Advokatin österreichischer Muslime. Als deren selbsternannte Schutzmacht untermauert die Türkei ihr Großmachtstreben in der Region und ihre Schlüsselfunktion in der Nahostpolitik: An uns führt kein Weg vorbei, behandelt "unsere" Muslime gut. Der Staat, der vor Erdogans Regierungszeit eher damit aufgefallen ist, neben Linken vor allem islamisch-konservative Parteien politisch zu verfolgen, symbolisiert österreichischen Muslimen: Bemüht euch nicht, ihr werdet eh nie dazugehören. Konservative und Rechtsaußenpolitiker sind allerorts die Nutznießer dieser Ausgrenzungspolitik. Diese Ideologen der Ungleichheit wollen sich bloß ihr biederes Nest, genannt "Kulturkreis" oder "Leitkultur", bauen.

Islam wird zum "Problem" stilisiert

Konservative politische und mediale Akteure in Österreich halluzinieren wiederum eine christliche Kulturgemeinschaft Europas, obwohl Europa seit Jahrhunderten ein vielfältiger Kontinent ist. Sie inszenieren sich als Verfechter einer einheitlichen Wertegemeinschaft, die es so einheitlich nicht gibt und noch nie gegeben hat. Der Islam, eigentlich etwas begrifflich zutiefst Abstraktes – denn was ist eigentlich der Islam? –, wird zum Problem stilisiert. Muslimische Mitbürger sind Gegenstand einer Aushandlung dessen, was der Islam sei, ob es einen Islam österreichischer Prägung gebe. Die Möglichkeiten sozialer Teilhabe und demokratischer Teilnahme in Österreich sind kein Thema. In der konservativen Diktion müsste man fragen: Wie viel Monster sind Muslime? Die Aushandlung dessen, was islamisch sei, lässt umgekehrt die selbsternannte Schutzmacht aufkreuzen und selbiges für sich beanspruchen, beispielsweise durch Einflussnahme auf die religiöse Praxis. Unter die Kategorie "no comment" fällt, wie die Tageszeitung "Österreich" propagiert, es sei beim neuen Islamgesetz um das Kappen von Terrorfinanzierung gegangen.

Gleichmacherei führt zu Ungleichheit

Man möge nur in Wien in den Zug Richtung Istanbul steigen und beobachten, wie fließend sich die kulturelle und religiöse Landschaft verändert, ineinander übergeht und sich vermischt. Der gegenwärtige und der historische Konflikt ergeben sich nicht aus einer angeblichen "Natur" von Kulturen. Er wird von jenen herbeigeführt, die nicht Gleichheit wollen, sondern Gleichmacherei: Dort die Muslime, hier die Christen. Gleichmacherei führt zu Ungleichheit, denn was anders erscheint, muss hier ausgesondert werden. In der harmloseren Form erleben wir das durch Sondergesetze wie das neue Islamgesetz, in gewalttätig zugespitzter Form durch ethnische und religiöse Verfolgung – der Genozid an den Armeniern etwa jährt sich heuer zum 100. Mal.

Orientierung an Grundrechten

Zum Islamgesetz selbst ist abschließend abermals festzuhalten: Entweder gibt es ein allgemeines Religionsgesetz zur Regelung von Religionsgemeinschaften oder kein Gesetz für irgendeine Religionsgemeinschaft. Letzteres würde eine bloße Orientierung an Grundrechten bedeuten. Sondergesetze für Juden und Muslime, die mit dem neuen Gesetz unter Generalverdacht gestellt werden, produzieren und vertiefen nur die Ungleichheit.

(Cengiz Kulaç, derStandard.at, 27.2.2015)

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