Donnerstag, April 25, 2024
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Jerusalem-Beschluss: Jüdische Verbände besorgt über antisemitische Ausschreitungen

Nachdem US-Präsident Donald Trump erklärt hat, die USA wollen Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen, gab es am Wochenende in ganz Europa Demonstrationen und zum Teil auch eindeutig antisemitische Ausschreitungen. Die jüdischen Verbände sind besorgt und fordern Reaktionen.
Nach der Ankündigung von Trump, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, ist es auch in Europa zu zahlreichen antisemitischen Übergriffen, Anschlägen und Demonstrationen gekommen. In Amsterdam wurde ein koscheres Restaurant demoliert. In Göteborg wurde ein Brandanschlag auf die dortige Synagoge verübt. In Wien, Malmö, Paris wurde öffentlich die Ermordung von Juden und Israelis gefordert.

Strafmaßnahmen gegen Antisemiten gefordert

Der European Jewish Congress (EJC) fordert nun, härtere Strafmaßnahmen zu ergreifen. „Es ist nicht länger hinnehmbar, dass Juden auf den Straßen Europas angegriffen werden“, zitiert die „Jüdische Allgemeine“ den Präsidenten des EJC, Moshe Kantor, „sei es durch Terroristen, die Molotowcocktails schleudern oder offen und schamlos den Massenmord an Juden in Malmö, Wien und Paris fordern.“ Der EJC fordert nun die europäischen Regierungen dazu auf, „Strafmaßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die diese Taten begangen haben, und rufen zur sofortigen Verhaftung derer auf, die dazu anstiften, mörderische Slogans zu skandieren.“

Auch in Deutschland gab es Proteste. Bei Demonstrationen in Berlin wurden antisemitische Parolen gerufen und israelische Symbole verbrannt. Der Zentralrat der Juden warnt in einer Presseerklärung vor einer „Spirale der Gewalt“ und fühlt sich an die antisemitischen Demonstrationen während des Gaza-Konflikts 2014 erinnert.

​„Für Antisemitismus, egal in welchem Gewand, darf es keine Duldung geben“, erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. „Durch falsche Toleranz oder fehlende Konsequenzen könnten sich radikalisierte Kräfte ermutigt fühlen. Das darf nicht passieren.“ Demokratische Rechte wie die Versammlungsfreiheit wahrzunehmen, dürfe kein Freibrief für Gewalt und Antisemitismus sein.

​Der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zur Berlin, Sigmount A. Königsberg, stellt fest, dass seit Jahren systematisch versucht werde, die jüdische Gemeinschaft Berlins einzuschüchtern. Nun sei die Zivilgesellschaft gefordert, ein Klima zu schaffen, dass ein angstfreies Zusammenleben aller Berlinerinnen und Berliner ermögliche.

Die Gemeinde begrüßt, dass der Berliner Bürgermeister Michel Müller gesagt habe: „Wer unser hohes Gut der freien Meinungsäußerung missbraucht für Antisemitismus, Rassismus und durch das Verbrennen von Fahnen Hass sät, der kann nicht den Schutz des Demonstrationsrechts dafür nutzen. Die Polizei wird klar jede Straftat verfolgen und Demonstrationen, von denen Straftaten ausgehen, auflösen.“ Müller fordert jedoch darüber hinaus, dass solche Hasskundgebungen von vornerein unterbunden werden.

„Anerkennung ist einseitiger Akt“

Der Journalist und Nahostexperte Aktham Suliman warnt im Sputnik-Interview allerdings davor, Demonstranten, die die Anerkennung Jerusalems durch die US-Regierung ablehnen, mit Antisemiten gleichzusetzen. Er findet, „demonstrieren darf und muss man auch, nach so einer gravierenden Entscheidung.“

Für ihn steht fest, dass diese Entscheidung Öl ins Feuer gegossen hat und dass es ihr an politischer Weisheit und Weitsicht gefehlt hat. Eine derart weitreichende Entscheidung mitten in einem halbwegs bestehenden Friedensprozess könne nur eine Seite, in diesem Fall die Palästinenser, verärgern und zu Wutausbrüchen führen. Der ehemalige Deutschland-Korrespondent des arabischen Fernsehsenders Al Jazeera erklärt:

„Die Anerkennung ist einseitig. Wir befinden uns in einem Friedensprozess. Ganz am Anfang, 1993, hat man gesagt: ‚Die strittigen, schwierigen Fragen – Jerusalem, die Flüchtlinge, die Grenzen der jeweiligen Staaten Palästina und Israel – werden wir zum Schluss festlegen.‘ Um erst einmal die Gemeinsamkeiten zu suchen. Mit dieser Entscheidung sind alle Gemeinsamkeiten, das ist eine ganze Menge, passé. Das ist eine Entscheidung, die sagt, wir haben die militärische Kraft, wir haben die USA im Rücken, und erlauben uns alles, was möglich ist.“

​„Ausmaß der Proteste kleiner als befürchtet“

Geschickter wäre es gewesen, so Suliman, wenn die USA den Westteil Jerusalems als Hauptstadt des Staates Israels und den Ostteil als Hauptstadt des Staates Palästina anerkannt hätten. Das wäre für ihn ein sehr guter Kompromiss gewesen. Nun hätten die Palästinenser aber das Gefühl, es sei mit Ostjerusalem als Hauptstadt der Palästinenser vorbei.

Das Ausmaß der Proteste allerdings sei viel kleiner als befürchtet und gedacht wurde, meint Suliman. Er betont:

„Es ist nun mal eine Frage, die nicht nur die Palästinenser, ein Volk von über sechs Millionen betrifft. Es betrifft nicht nur die arabische Welt, inzwischen über 450 Millionen, sondern auch die islamische Welt, über eine Milliarde Menschen. Auch Christen sind da betroffen. Allerdings – und das darf man niemals vergessen – was in den Gemütern, was in den Menschen drinnen passiert, das zeigt sich nicht am nächsten und übernächsten Tag. Das sind Dinge, die sich dann Jahre später zeigen werden, und das ist die Lehre, die die USA aus diesem Nahostkonflikt nicht gelernt haben.“

Bolle Selke   (Quelle)

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