Freitag, April 26, 2024
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Kurz, ehemalige Kronländer und Bayern: Nächster Coup des Wiener Bundeskanzlers?

Bereits im Februar 2016 erntete Sebastian Kurz in seiner Position als österreichischer Außenminister Beifall, als es ihm gelang, innerhalb weniger Tage den Zustrom von täglich 15 000 Menschen über die Balkanroute auf wenige Hundert zu reduzieren. Gelingt ihm jetzt während des ab 1.7. beginnenden EU-Ratsvorsitzes Österreichs der nächste Coup?

Auch wenn die Flüchtlingsströme laut den europäischen Main-Stream Medien in diesem Jahr ein weiteres Mal nachgelassen haben, ist das Problem weiterhin omnipräsent. Zahlreiche EU-Staaten haben mit steigenden Sozialausgaben und integrationsunwilligen Migranten zu kämpfen.

Ganz Europa erinnert sich noch an die verwerflichen drei Worte der deutschen Bundeskanzlerin, als die Flüchtlingskrise in Europa ihren Höhepunkt erreichte: „Wir schaffen das…“ Wenn man die Situation drei Jahre später betrachtet, wird schnell klar, dass absolut nichts erreicht wurde. Bis jetzt gibt es keine einheitliche EU-Linie, und es wird um Verteilungsquoten gestritten.

Auch der bevorstehende EU-Sondergipfel zur Migration wird keine Lösungen bringen, denn die Absage der vier Visegrad-Staaten (Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen) bedeutet, dass die schärfsten Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik nicht teilnehmen werden. Die Politik von Angela Merkel ist gescheitert, der Unmut innerhalb der Bevölkerung wächst, in der CDU-CSU kriselt es und mit dem jungen Sebastian Kurz gibt es ernstzunehmende Konkurrenz für die oft verbraucht wirkende deutsche Bundeskanzlerin.

Es war schon bemerkenswert, dass der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer nicht am bundesweiten Integrationsgipfel Deutschlands teilnahm, sondern es bevorzugte, sich mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz zu treffen. Seehofer erwartete sich vom Treffen mit Kurz eher Lösungen, als bei einem weiteren Gipfel mit Merkel. „Ich kann mit der Frau nicht mehr zusammenarbeiten“ soll er im Kreise einiger CSU-Politiker gesagt haben.

Mit der neuen österreichischen Regierung ist Seehofer allerdings in der Migrationsfrage vollkommen auf einer Linie: Jedes Land soll das Recht haben, seine Grenzen dicht zu machen und Flüchtlinge zurückzuweisen, wenn sie bereits in anderen EU-Staaten registriert wurden. Doch Bayern und Österreich eint nicht nur ihre gemeinsame Haltung in der Asylpolitik. Die Parallelen in Sprache, Kunst und Mentalität sind präsent, und auch emotional ist Österreich den Bayern oft näher als Berlin. Heutzutage wissen viele nicht mehr, dass Bayern und Österreich bis ins zwölfte Jahrhundert in einem Herzogtum vereinigt waren.

Es folgten die Wirren des Mittelalters, und erst 1871 wurde Bayern von Otto von Bismarck endgültig ins Deutsche Reich gezwungen. Ein niederbayrischer Bürgermeister fragte sich damals, „ob es vielleicht nicht für Bayern schöner, lustiger wäre, wenn man zu Österreich gekommen wäre“. Danach mussten sich die katholischen Bayern oft gegen die protestantischen Preußen behaupten, und auch in Österreich gab es lange die Sehnsucht nach einem gemeinsamen Alpenstaat.

Diese Idee kam auch bei den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg rund um Winston Churchill auf, und der langjährige österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky sagte einst „Wenn ich Urlaub mache, fahre ich am liebsten nach Bayern. Da bin ich nicht mehr in Österreich und noch nicht in Deutschland.“ Selbst heute führen die ersten Antrittsbesuche österreichischer und bayerischer Regierungschefs und Minister zuerst nach München oder Wien und danach erst nach Berlin oder Brüssel.

Nicht nur Bayern unterstützt die Flüchtlings- und Asylpolitik Österreichs. So nahm Sebastian Kurz am Donnerstag auch am Treffen der Visegrad-Gruppe teil, wo die Staatsoberhäupter von Ungarn, Tschechien, Polen und der Slowakei dem österreichischen Bundeskanzler volle Unterstützung bei seinen Plänen zusicherten. So sollen „illegale Flüchtlinge zurückgewiesen, der Außengrenzschutz verstärkt, Flüchtlingscamps für abgewiesene Asylwerber in Drittstaaten errichtet und Frontex zu einer Grenzpolizei ausgebaut werden“. Der ungarische Ministerpräsident Victor Orban zeigte sich höchsterfreut, dass „sich die Visegrad-Position durchsetzt und andere Länder ihre Position in der Flüchtlingsfrage verändern“. Auch den jungen Sebastian Kurz lobte Orban in höchsten Tönen: „ Mit Österreich als EU-Vorsitzland wird die EU stärker, fairer und sicherer, als sie es bisher ist. Die Erwartungen an Österreich sind sehr hoch.“ Demonstrativ sagten die Vertreter der Visegrad-Staaten ihre Teilnahme am EU-Sondergipfel zur Migration ab.

Nicht nur mit Bayern, sondern auch mit den Visegrad-Staaten verbindet Österreich eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte durch das Habsburger-Reich. Wien, Prag, Bratislava und Budapest waren im 18. und 19. Jahrhundert die Zentren der Habsburger Monarchie, was noch heute anhand der einheitlichen Architektur deutlich erkennbar ist. So wurde die Prager Burg unter dem Habsburger Kaiser Rudolf vollkommen neu errichtet, und auch Budapest entstand erst durch den Zusammenschluss der drei Städte Buda, Pest und Altofen unter den Habsburgern. Noch heute zieren die Donaupromenade Budapests zahlreiche Habsburger Bauten wie das Parlamentsgebäude und die Fischerbastei.

Viele vergessen, dass mit Galizien auch ein großer Teil Polens in die Donaumonarchie eingegliedert war. Ganze 10 Prozent der Bevölkerung im Habsburger Reich machten die Ethnien der Polen und Ruthenen aus, die zur polnischen bzw. westukrainischen Volksgruppe gezählt werden. Auch wenn es am Ende der Habsburger Monarchie zu zahlreichen Konflikten zwischen den einzelnen Nationalitäten kam, erinnern sich nicht nur viele Österreicher, sondern auch andere Volksgruppen positiv an die Zeiten des Vielvölkerstaates zurück.

Neben Vertretern von Bayern und den Visegrad-Staaten hat sich Sebastian Kurz auch mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini getroffen der offen erklärte „Wir können keinen einzigen mehr aufnehmen.“ Die neue Regierung Italiens steht der Flüchtlingspolitik von Merkel sehr kritisch gegenüber, und Premier Giuseppe Conte knüpfte seine Teilnahme am EU-Sondergipfel an zahlreiche Bedingungen.

Viele EU-Länder distanzieren sich von Merkels Politik, und auch innerhalb Deutschlands steht Bayern mit seiner Kritik nicht alleine da. Die Koalition, die Sebastian Kurz dabei ist zu schmieden, wächst stetig, und gemeinsam haben die Länder Österreich, Bayern, Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei und Italien fast 135 Millionen Einwohner. Nicht nur in der Flüchtlingsfrage sind diese Länder auf einer Linie, sie stehen auch den Russland-Sanktionen sehr kritisch gegenüber. Kurz: Seehofer, Conte und Orban wollen gute Beziehungen zu Russland und fordern, die Sanktionen schrittweise aufzuheben, da sie kontraproduktiv sind und der eigenen Bevölkerung schaden. Während des Besuchs des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Wien hat Kurz einmal mehr bekräftigt, dass Österreich eine Vermittlerrolle zwischen Russland und der EU einnehmen wird. Die Freundschaft zwischen Österreich und Russland ist traditionell gut, und Österreich ist als neutrales Land für die Rolle des Brückenbauers prädestiniert.

Man darf sich also viel vom österreichischen EU-Ratsvorsatz erwarten. Nach der Schließung der Balkanroute wäre eine einheitliche, strengere Politik in der Flüchtlingsfrage der nächste Coup für Sebastian Kurz, aber die Aufhebung der Russland-Sanktionen wäre definitiv sein Meisterstück.

* Die Meinung des Autors muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.

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