Freitag, April 26, 2024
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Machtlos, schutzlos, wehrlos? – „Nadelstiche“ gegen arabische Clans

Es sind Szenen wie aus Gangsterfilmen: Schießereien am helllichten Tage, Geldwäsche in Hinterzimmern, Auftragsmorde … Der Krieg zwischen arabischen Clans wird härter. Warum kann der Staat dem nicht Herr werden? Schuld haben Politik und Gesellschaft, so Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Berliner Polizei. Doch es gibt eine neue Strategie …

Vor rund einem Monat wurde der 36-jährige Intensivtäter Nidal R. in aller Öffentlichkeit mit mehreren Schüssen hingerichtet. Seitdem sind die Aktivitäten von kriminellen arabischen Clans wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Doch nicht nur im Berliner Stadtteil Neukölln wissen Anwohner und Gastronomen: Die Bedrohung durch die Machenschaften der Clans ist seit Jahrzehnten Alltag.

Das weiß auch Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Berliner Polizei. Er bestätigt gegenüber Sputnik, dass sich die kriminellen Aktivitäten momentan immer weiter hochschaukeln:

„Das hatte sich schon in den Wochen vor dem tödlichen Attentat auf Nidal R. angedeutet: Wir hatten eine Woche zuvor zwei Schwerverletzte, auf die geschossen wurde. Wir hatten immer mal wieder Massenschlägereien. Und es sind auch nicht die ersten Schüsse, die auf Berliner Straßen gefallen sind.“

Kämpfe zwischen rivalisierenden Clans seien in den letzten Jahren immer wieder an der Tagesordnung gewesen. Dass es bei diesen Aktivitäten auch irgendwann Todesopfer geben würde, dürfe laut Jendro niemanden überraschen.

Allein in Neukölln gibt es laut Bezirksverwaltung rund acht kriminelle Clans mit rund 1000 Familienangehörigen. Offiziell sprechen Landeskriminalamt und Polizei nicht von Clankriminalität, sondern von „Kriminalität durch arabischstämmige Strukturen“. Am Ergebnis ändert das nichts. Doch nun soll es ein Umdenken geben.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) kündigte jüngst an, mit einer „Politik der Nadelstiche“ den Kampf gegen die Clans aufzunehmen. Was genau das heißen soll, erklärt Jendro so:

„Es ist wichtig, Straftätern immer wieder auf die Füße zu treten. Das heißt, man muss ihnen immer wieder die Grenzen des Rechtsstaates aufzeigen. Das macht man, indem man nicht klein beigibt, wenn sie in Neukölln in zweiter Reihe parken. Das macht man auch mit ordentlichen Gerichtsurteilen, das macht man mit einem konsequenten Vorgehen, das jede noch so kleine Straftat ahndet.“

Dabei sei die Polizei in besonderem Maße auf die Justiz angewiesen. Und auch die Politik müsse ihren Anteil leisten. Denn nur mit deutlich mehr Personal, so Jendro, könne man den Clans das Handwerk legen.

Vorreiter in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist Italien. Hier gibt es beispielsweise das Mittel der Beweislastumkehr: Wird ein Straftäter mit großen Mengen Bargeld oder einem Luxusauto angetroffen, muss der Kriminelle selbst nachweisen, dass seine Mittel aus legalen Quellen stammen. Ansonsten können die Behörden das Vermögen oder Luxusgut beschlagnahmen. Diese Möglichkeit hat die deutsche Polizei nicht.

Eine Beweislastumkehr wäre äußerst hilfreich, ist sich Jendro sicher. Ein noch größeres Problem sei Geldwäsche. Dem einen Riegel vorzuschieben, sei äußerst schwer:

„Es ist häufig so, dass arabische Clans Immobilien im Libanon kaufen. Und Geldwäsche ist etwas, was ein internationales Netzwerk ermöglicht. Da ist Deutschland auch ein relativ großes Paradies, weil man hier mit Bargeld eine Menge machen kann. Wenn Sie in Berlin eine Villa für eine halbe Million kaufen und Sie legen das Geld bar auf den Tisch, fragt niemand nach.“

In anderen Ländern sei dies anders. Auch hier glänzt Italien: Barkäufe sind hier maximal bis zu einem Betrag von 2000 Euro möglich, alles darüber muss über Banken geregelt werden.

Laut den Behörden besitzen die kriminellen arabischen Clans Shisha-Bars, Spielotheken, Restaurants und Mietimmobilien. Gute Quellen, um Geld reinzuwaschen. Hier Geldströme nachzuweisen, ist nahezu unmöglich. Teilweise laufen Konten über andere Familienmitglieder, die nicht einmal in Deutschland wohnen. Gängige Praxis ist es etwa, dass in dem Grundbuch einer deutschen Immobilie nicht der eigentliche Käufer, sondern ein entfernter Verwandter aus dem Libanon eingetragen ist.Letztendlich sei die Polizei bei den Ermittlungen auch auf die Mithilfe des Finanzamts angewiesen. Doch auch der Fiskus habe seine Probleme mit den Clans, so Jendro:

„Geldwäsche ist schwer nachzuweisen. So behaupten Clan-Mitglieder: Wir haben aber die Einnahmen, weil wir einmal im Monat eine riesige Party schmeißen. Und dann kommt ein ganzer Clan zum Feiern und bringt sein kriminelles Geld mit.“

Woher das Geld dann genau stamme, sei praktisch nicht nachweisbar.

Ihren Ursprung haben die kriminellen arabischen Clans bereits Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre. Damals sind die meist türkischstämmigen Familien als Staatenlose über den Libanon nach Deutschland gekommen. Da sich die Politik nicht um sie kümmerte und es den Einwanderern nicht erlaubt war, einer Arbeit nachzugehen, hat sich eine Parallelgesellschaft entwickelt.

Jendro nennt dies eine Art von Community mit eigenen Regeln. Laut dem Polizeigewerkschaftler sei den Familien damals der Zugang zum gesellschaftlichen Leben in Deutschland verwehrt geblieben, weshalb sie sich Alternativen suchten:

„Irgendwann kommen einige dann auf schlechte Ideen und versuchen, sich in kriminellen Bereichen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dann haben sich Strukturen aufgezogen, die mittlerweile fester Bestandteil unserer Gesellschaft sind. Wir haben Restaurants, Bars, Lokale und Fitnessstudios, die fest in der Hand von Clans sind.“

Damals sei die Politik nicht richtig eingeschritten. Auch habe es nur geringe Haftstrafen oder Bewährungsstrafen gegeben, die Clans nicht abschreckten. Laut Jendro gebe es Clan-Mitglieder, die knapp 20 Verkehrsdelikte hätten, ohne einen Führerschein zu besitzen.

Die Polizei hofft deshalb, dass rasch politische Ermächtigungsgrundlagen geschaffen werden. Auch sei eine gute Ausstattung der Sicherheitskräfte unabdingbar. Die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema Clans ist deshalb sicher ein wichtiger Baustein, um die Politik verstärkt an ein konsequentes Vorgehen zu erinnern.

Quelle!:

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