Freitag, April 26, 2024
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„Muslimbrüder“ in Deutschland: „Sie verschweigen dem Westen ihre Ziele“

Die Muslimbruderschaft erregt derzeit weniger öffentliche Aufmerksamkeit. „Wegen der Gräueltaten des Islamischen Staats“, sagt Islamismus-Expertin Herrmann-Marschall im Sputnik-Gespräch.

Dennoch ist die einflussreiche sunnitisch-islamistische Bewegung aus dem Nahen Osten auch hierzulande aktiv. „Sie versucht, Kontakte zu Politikern anzubahnen.“
„Erst 2017 frischten Vordenker der Muslimbruderschaft das Fernziel eines Kalifats auf“, sagte Sigrid Herrmann-Marschall, Islamismus-Expertin und Dozentin für Erwachsenenbildung aus Frankfurt/Main, im Sputnik-Interview. „Auch verkündete die Organisation eine offizielle Absage an einen generellen Gewaltverzicht. Da sich dies jedoch nicht in den Stellungnahmen gegenüber westlichen Akteuren findet, wird das wenig wahrgenommen. Gegenüber dem Westen wird eine andere Sprache gesprochen, die der interreligiösen Verständigung.“ Jedoch: In der arabischen und muslimischen Welt würden die Muslimbrüder ihre wahren religiös-politischen Ziele offen benennen.

„Die 1928 in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft ist eine international agierende Gruppierung“, so die Expertin. Sie werde schon länger medial beachtet, nicht erst seit dem arabischen Frühling. „Die Muslimbruderschaft entwickelte sich in der Kolonialzeit“, warf sie einen Blick zurück. „Deswegen sind ihre Methoden an diesen Ursprung angepasst: Je nach den lokalen Gegebenheiten wird unterschiedlich agiert, um Ziel und Organisation voranzubringen.“

IGD: Wichtigste „Bruder“-Organisation in Deutschland

Die größte Organisation in Deutschland, in der sich Muslimbrüder zusammenfinden, ist laut der Islamismus-Expertin die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland“ (IGD). „Von Dialogführern wird die Zugehörigkeit regelmäßig bestritten“, erklärte Herrmann-Marschall. Doch das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz stellte im letzten Bericht heraus, dass die IGD um „eine Verselbständigung der ihr nachgeordneten Islamischen Zentren bemüht“ sei. Die IGD ist seit Gründung des Zentralrats der Muslime in ihm organisiert.

„Die Muslimbruderschaft tritt zwar in Deutschland nicht offen in Erscheinung, wird jedoch durch die Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) als Teil einer weltweiten ‚Islamischen Bewegung‘ vertreten und ist somit auch in Deutschland aktiv“, heißt es auf Seite 41 im besagten Verfassungsschutz-Bericht. „Nach außen gibt sich die Muslimbruderschaft offen, tolerant und dialogbereit und strebt eine Zusammenarbeit mit politischen Institutionen und Entscheidungsträgern an, um so Einfluss im öffentlichen Leben zu gewinnen. Ihr Ziel bleibt aber die Errichtung einer auf der Scharia basierenden gesellschaftlichen und politischen Ordnung, wobei die Muslimbruderschaft für sich die Führungsrolle für alle Muslime beansprucht. Sie steht für eine deutliche Abgrenzung gegenüber den USA, Israel, dem jüdischen Volk und Andersgläubigen. Anhänger der Muslimbruderschaft bekunden in sozialen Netzwerken zum Teil auch Sympathien für terroristische Organisationen.“

Bruderschaft sucht Nähe zu Politikern

„Vereine wie die IGD agieren häufig scheinbar autonom und suchen den Kontakt zu Politikern“, ergänzte Islamismus-Expertin Herrmann-Marschall. „Von diesen erhalten sie oftmals Unterstützung, manchmal in völliger Verkennung der tatsächlichen Ausrichtung. Lokal sind bereits verkrustete Strukturen entstanden, die auf langjährigen persönlichen Kontakten beruhen. In Deutschland werden so von Vereinen, die klar zuzuordnen sind, auch öffentliche Gelder bezogen.“

Die vielfach verzweigte Organisation der Muslimbruderschaft sei in vielen Ländern verboten, auch in islamischen, weil sie sich gegen bestehende Herrschaftsverhältnisse wende. „Gleichzeitig versucht sie, durch soziale Projekte Rückhalt in der Bevölkerung zu finden.“ Das geschehe auch in Europa und in Deutschland.

Beispiel Indonesien: Erst liberal, dann radikal

Da der derzeitige Fokus vor allem auf dem Islamischen Staat liege, sei „in den letzten Jahren das Augenmerk weniger auf den politischen Islam gerichtet gewesen“. Ob dies jedoch eine Lösung sein könne, um die extremen Brüder zu mäßigen, bleibe fraglich. „Teilweise erhofft man sich sogar einen mäßigenden Einfluss des politischen Islams. Da er jedoch den Boden bereitet, ist er nicht ungefährlich.“

Wie rasch in einem Land, in dem der Islam „relativ liberal gehandhabt“ wurde, die Stimmung kippen könne, „wenn nur genügend Vorarbeit geleistet wird“, zeige das Beispiel Indonesien: „Das asiatische Land ist im Vergleich zur Zeit vor zwei Jahrzehnten völlig verändert.“

Alexander Boos

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