Samstag, April 27, 2024
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Putin bei Stasi? Eine Sensation oder Clickbait für Boulevard-Medien?

Der russische Präsident Wladimir Putin hat in den 1980er Jahren beim Geheimdienst KGB in der DDR in Dresden gearbeitet. Diese Fakten sind allgemein bekannt und wurden auch vom russischen Staatschef selbst oft angesprochen. Doch nun will die „Bild“ ein „sensationelles“ Dokument über Putins Tätigkeiten erhalten haben. Ist da was Haltbares dran?

Das Boulevard-Blatt „Bild“ behauptet, dass Putins „geheimer Stasi-Ausweis“ entdeckt worden sei. Dieser soll belegen, dass der heutige russische Staatschef „auch Mitarbeiter des berüchtigten Staatssicherheitsdienstes“ war.

Das entdeckte Dokument wird dabei wie eine Sensation dargestellt und über alle verfügbaren „Bild“-Kanäle verbreitet, sei es die deutsch- oder die englisch-sprachige Internetseite, Twitter usw.

Es sei erst jetzt entdeckt worden, weil es „bis jetzt unentdeckt in als langweilig klassifizierten Akten“ herumgelegen habe.

Zudem verweist das Blatt auf den Chef der Stasi-Unterlagenbehörde (BStU) von Dresden, Konrad Felber.

Dieser erklärt, dass es bislang unbekannt gewesen sei, dass Putin über einen Stasi-Ausweis verfügt habe. Mit dem Stasi-Ausweis konnte Putin laut Felber „ohne Probleme in den Stasi-Dienststellen ein und aus gehen (…) Er musste so niemandem verraten, dass er für den KGB arbeitete“.

 Von der Bild veröffentlichte Kollage

© FOTO: SCREENSHOT/BILD.DEVon der Bild veröffentlichte Kollage

Der Ausweis sei am 31. Dezember 1985 ausgestellt und bis Ende 1989 immer wieder verlängert worden.

Felber selbst, der die Entdeckung des Ausweises bekanntgab, will zumindest von einer „kleinen Sensation“ sprechen. Denn Putins Name sei in den Akten, die die Ausgabe der Ausweise an sowjetische Militärangehörige nachweisen, nicht verzeichnet gewesen.

Eine wahre Sensation? Oder Wahn nach Klicks?

Die vorgebrachten „Argumente“ der „Bild“ scheinen im ersten Moment aufsehenerregend und herausragend zu sein – doch ist das tatsächlich so? Ist nun belegt, dass Putin „Mitarbeiter der Stasi“ war? Wohl kaum.

Die vom Boulevard-Blatt verbreitete Nachricht sowie insbesondere ihre Darbietung als eine Art „Sensation“ ist gleich aus mehreren Hinsichten banal und plakativ:

  • Der russische Präsident hat nie versucht zu verheimlichen, dass er in Geheimdiensteinrichtungen auf dem Territorium der DDR gearbeitet hatte. Im Gegenteil, der russische Präsident äußerte sich immer sehr offenüber seine Tätigkeit in Dresden.
  • Die Existenz eines Stasi-Ausweises für ungehinderten Zugang bedeutet keineswegs automatisch eine Arbeitstätigkeit bei der Staatssicherheit. Das betont auch Dresdens BStU-Chef Felber selbst deutlich. „Das heißt aber nicht automatisch, dass Putin für die Stasi gearbeitet hat“, so der Dresdner Außenstellenleiter der Stasiunterlagenbehörde.
  • Zudem waren KGB und Stasi verbündete Dienste. Dass es dabei eine enge Zusammenarbeit und einen Austausch zwischen diesen Behörden gab, ist sicher alles andere als eine Sensation.
  • Auch ist momentan immer noch nicht das Foto der angeblich „sensationellen“ Dokumente veröffentlicht worden. Im Moment wurden von der „Bild“ lediglich Foto-Collagen gezeigt.

Dass die „Bild“ mit einer angeblich sensationellen Spionage-Geschichte zu Putin groß für Aufmerksamkeit sorgen wollte, ist dabei noch nicht einmal unter westlichen Mainstreammedien etwas Neues.

So hat beispielsweise bereits im Jahr 2015 die BBC einen umfangreichen Artikel herausgebracht, in dem über die Tage und Stunden von Wladimir Putin beim KGB zur Zeit des Mauerfalls gesprochen wird.

Die „Sueddeutsche Zeitung“ hatte gar bereits im Jahr 2010 über Putins Geheimdienstzeit in der DDR berichtet. „Putins Zeit als KGB-Mann in Dresden: Spion und Raser“, titelte bereits damals das Blatt.

Auch andere ähnliche Publikationen über den russischen Staatschef lassen sich leicht finden.

Und so lässt sich festhalten, dass ein nüchterner Blick auf den „Bild“-Artikel eher die Sensationsgeilheit der „Bild“ aufzeigt, als etwas anderes.

Entsprechend gelassen reagierte übrigens auch der Kremlsprecher Dmitri Peskow auf die neuen „Bild“-Publikationen.

„Zu sowjetischen Zeiten waren das KGB und die Stasi befreundete Dienste. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass es auch wechselseitige Ausweise gab“, sagte Peskow gegenüber russischen Medien.

Für nähere Informationen riet er Medien, sich gerne an den russischen Geheimdienst zu wenden und dorthin eine offizielle Anfrage zu richten.

Auch der russische Geheimdienstveteran Alexander Michailow fand keine Sensation in dem Fund des Ausweises. Das Dokument sei höchstwahrscheinlich nichts anderes als ein Eintrittspass in einige Räumlichkeiten des Ministeriums, jedoch sicherlich kein „Mitarbeiter-Ausweis” der Stasi.

„Das Blatt (die „Bild”) kann dieses Dokument bezeichnen, wie es will. Es war höchstwahrscheinlich nur ein Pass, um das Gebäude des Ministeriums zu betreten”, so Michailow gegenüber Sputnik.

Vermutlich habe es im Gebäude der Staatssicherheit einfach Räume gegeben, in denen KGB-Mitarbeiter einige ihrer Unterlagen aufbewahren durften.

Auch umgekehrt hätten Stasi-Mitarbeiter ähnliche Eintrittspässe für Einrichtungen auf dem Territorium der damaligen Sowjetunion gehabt.

„Ich kann Ihnen ein Beispiel geben — zu dieser Zeit hatten wir in Moskau viele Repräsentanzen von fast allen unseren Partnern (aus den Geheimdiensten der sozialistischen Länder), die sich in den Räumlichkeiten unserer Distriktabteilungen (KGB) befunden haben. Deshalb brauchten sie Pässe, um dorthin zu gelangen und diese Eintrittspässe sahen den Mitarbeiter-Ausweisen ähnlich”, erklärte Michailow.

Die aktuelle Reaktion westlicher Medien sei daher absolut unbegründet, so der Geheimdienstveteran.

Quelle!: #zaronews

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