Freitag, April 26, 2024
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Sondieren bis zum Untergang: Wer zieht wen über den Tisch?

Wieder einmal wird in Berlin sondiert. Und wieder einmal winden sich Union und SPD in eingeübter Hassliebe am Verhandlungstisch zu einer möglichen Neuauflage der Großen Koalition (GroKo). Ein Blick auf die Teilnehmer zeigt schnell, wohin die Reise führen soll: Es geht um Ministerposten, Lobbyarbeit und um die Profilierung der Parteispitzen.

Bereits an Tag drei der Sondierungen zwischen Union und SPD titelten einige deutsche Medien: „Der erste Verlierer ist der Klimaschutz“. Doch das ist falsch. Der erste Verlierer der schwarz-roten Sondierungsrunde ist die SPD. Denn schaut man auf die Anzahl der teilnehmenden Politiker, so entsteht der Eindruck, die Sozialdemokraten haben sich schon zu Beginn über den Tisch ziehen lassen: 13 Vertreter der SPD stehen 13 Verhandlungspartnern der CDU und 13 Teilnehmern der CSU gegenüber.

Klima? Egal

Verlierer Nummer zwei ist dann in der Tat der Klimaschutz. Offiziell sollte der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß der Bundesrepublik bis 2020 um 40 Prozent verringert werden. Dies sei nicht einzuhalten und solle deshalb von einer neuen Bundesregierung sehr wahrscheinlich gekippt werden. Das verwundert jedoch nicht sonderlich, denn die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe „Energie/Klimaschutz/Umwelt“ in den Sondierungsgesprächen besteht fast überwiegend aus lobbygesteuerten Politikern.

In der siebenköpfigen Runde sitzt für die CDU unter anderem der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, dem die Kohle-Industrie im Ruhrpott ordentlich im Nacken sitzt. Neben ihm sein CDU-Kollege Thomas Bareiß, ein konservativer Modernisierungsskeptiker. Von Seiten der CSU bekommen sie Unterstützung von der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Die SPD schickt in Sachen Klima den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil ins Rennen, der nicht nur durch VW tief mit der Wirtschaft verbandelt ist.

Schlechte Stimmung? Kein Wunder

Verlierer Nummer drei dürfte dann wohl das Vertrauen zwischen den drei Sondierungsparteien sein. Denn während die Spitzenpolitiker noch bei den „Jamaika“-Verhandlungen vor einigen Monaten medienwirksam vom Balkon gewinkt hatten, vereinbarten Union und SPD eigentlich ein Interview-Verbot und Stillschweigen. Sogar die Fenster im Willy-Brandt-Haus wurden zum Verhandlungsauftakt abgeklebt. Doch zu glauben, dass wirklich nichts nach außen dringen würde, war naiv.

Bereits nach zwei von sechs geplanten Sondierungstagen spaziert CDU-Unterhändler Laschet am Montag vor die Presse und verrät Interna zum Verhandlungsstand – nämlich besagte Aufgabe der Klimaziele. Und er bleibt nicht der Einzige, der aus dem Nähkästchen plappert: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, ebenfalls CDU, kritisierte öffentlich die Tonalität der Sondierungen. Die Sozialdemokraten sind mächtig verstimmt, sie wurden ein weiteres Mal betrogen.

Egoismus als politischer Leitfaden?

Ohnehin sind die Genossen nur mäßig regierungswillig. Während sich der konservative Teil der Partei und Spitzenpolitiker wie Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz oder Fraktionschefin Andrea Nahles eine Neuauflage der GroKo durchaus vorstellen können, sieht es beim linken Flügel um Parteivize Ralf Stegner anders aus. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer ist mehr als skeptisch.

Generell dürfte eine Einigung der Parteien beispielsweise in den Punkten Flüchtlingspolitik, Spitzensteuer, oder Militärhaushalt sehr schwierig werden. Jede Partei will sich profilieren, jede Parteispitze spürt den Druck der Basis. Martin Schulz muss sich in gut einer Woche auf einem SPD-Parteitag in Bonn den Mitgliedern seiner Partei erklären. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht angesichts fallender Umfragewerte und ihrer Verweigerung für eine Minderheitsregierung ihre Macht schwinden. Und dann ist da noch – ganz neu auf dem Berliner Parkett – Markus Söder, der mit Blick auf die bayerische Landtagswahl im Herbst ordentlich Stimmung für sich und die CSU machen will.

Und die Wähler?

Verlierer Nummer vier dürfte also das gemeine Wahlvolk sein. Denn bei all dem Profilierungswillen der verhandelnden Parteien und Druck seitens der Wirtschaft kommt viel zu kurz, was das Ergebnis der vergangenen Bundestagswahl eigentlich ausgedrückt hatte: Laut Umfragen sind mehr als die Hälfte der Deutschen gegen eine neue GroKo, Tendenz steigend. Neben Neuwahlen bliebe also noch eine Minderheitsregierung. Darüber sollte die Union jetzt angestrengt nachdenken. Bei einem „Weiter so“ à la Merkel verliert jeder: Die Parteien, der Fortschritt und die stetig schwindende, kaum mehr existierende Glaubwürdigkeit.

Quelle!

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