Freitag, April 26, 2024
StartPolitikAggressionSturm der Entrüstung: Deutschland kontert Hartz IV-Aussagen von Jens Spahn

Sturm der Entrüstung: Deutschland kontert Hartz IV-Aussagen von Jens Spahn

Ob in den sozialen Medien, in der Opposition, bei Sozialverbänden, sogar bei Parteikollegen: Die Aussage des designierten Bundesgesundheitsministers Jens Spahn trifft auf massiven Gegenwind. Der CDU-Politiker hatte behauptet, mit Hartz IV habe „jeder das, was er zum Leben braucht“.

Der Armutsforscher und Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge bringt auf den Punkt, was viele Menschen aktuell denken. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk kritisiert er:

„Von 416 Euro im Monat – dem Regelsatz [zu leben], das bedeutet pro Tag 4,77 Euro für Essen und alkoholfreie Getränke. […] Das jetzt hinzustellen, als sei das ein gutes Leben, das finde ich schon empörend.“

In ganz Deutschland wird die Aussage von Jens Spahn über Hartz IV kontrovers diskutiert und von einer Mehrheit verurteilt. Spahn hatte darüber hinaus der Funke Mediengruppe in der Debatte über den vorübergehenden Aufnahmestopp für Ausländer bei der Essener Tafel gesagt, die Tafeln „helfen Menschen, die auf jeden Euro achten müssen. Aber niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe.“ Für die Opposition ein Unding.

Auch für den Paritätischen Wohlfahrtsverband in Deutschland ist klar, dass eine halbwegs gesunde Ernährung mit den Hartz IV-Regelsätzen kaum zu vereinbaren ist. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider, verweist darauf, dass beispielsweise die vernünftige Ernährung eines Kindes aus einer Hartz IV-Familie mit 2,70 Euro am Tag kaum möglich sei. Etwas verhaltener, dennoch kritisch gegenüber Spahn äußerte sich die neue CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer im ZDF:

„Ich warne immer davor, wenn Menschen, die so wie er oder ich gut verdienen, versuchen zu erklären, wie man sich mit Hartz IV fühlen sollte.“

Die SPD als neuer und alter Koalitionspartner der CDU äußerte ähnliches Unverständnis. Der kommissarische SPD-Chef Olaf Scholz erklärte gegenüber der ARD, seine Partei habe andere Vorstellungen. Auch sein Parteigenosse Ralf Stegner fand auf Twitter klare Worte:

Überraschend schaltete sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in die Debatte ein. Er mahnte, das Ziel Deutschlands müsse höher gesteckt sein, als dass die Menschen von Hartz IV oder anderen Transferleistungen leben. Das Zentrale sei, dass Menschen von ihrem Einkommen aus Arbeit leben könnten, so Steinmeier gegenüber der Rheinischen Post.

Hartz IV wurde Anfang 2005 als Arbeitslosengeld II in Deutschland eingeführt und ist eine Konsequenz der aus SPD und Grünen gebildeten Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder. Seitens der Linkspartei heißt es deshalb als Antwort auf die aktuelle Debatte auf Twitter:

„Mit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 gab es einen sprunghaften Anstieg der Tafeln. Waren es 2005 noch 480, sind es heute 934 Tafeln, mit 2100 Läden. Hartz IV bleibt Armut per Gesetz!“

Zuspruch bekam Jens Spahn derweil von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrinth. Dieser nahm den neuen Gesundheitsminister in Schutz. Er machte darauf aufmerksam, dass Hartz IV eine Solidarleistung zur Sicherung der Lebensgrundlagen sei. Die Tafeln seien unterstützenswert. Eine Kritik an angeblich zu geringen Sozialleistungen in Deutschland lehne er aber als unsachlich ab. Dem widerspricht Annelie Bundesbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes:

„Jens Spahns Aussage, die Regelsätze würden mit großem Aufwand genau bemessen, zeugt von großer Ahnungslosigkeit. Tatsächlich sind die Regelsätze politisch motiviert kleingerechnet worden.“

Dass sich an den Regelsätzen in der kommenden Legislaturperiode etwas ändern wird, ist nicht zu erwarten. Im neuen Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD findet sich zu Hartz IV kein Eintrag. Zwar fordern die Grünen jetzt eine Sozialwende und eine Überarbeitung des Hartz IV-Systems. In den gescheiterten Jamaika-Sondierungen war dies jedoch kein Thema.

 

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