Freitag, April 26, 2024
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Wahlmanipulation in Deutschland: Post-Tochter vermietet Kundendaten an CDU und FDP

Wie Wahlen im Westen manipuliert werden, zeigt ein aktueller Zeitungsbericht über eine Tochter der Deutschen Post. Diese hat im großen Stil Kundendaten für gezielte Wahlwerbung an Parteien vermietet.

Vor dem Hintergrund ständiger Vorwürfe an Russland, Wahlen zu manipulieren, hat Sputnik die Parteien im Bundestag zu ihren Datenkaufpraktiken befragt.
Wenn es darum geht, Russland Wahleinmischungen vorzuwerfen, dann kann es einigen gar nicht schnell genug und in der Wortwahl gar nicht deftig genug gehen. Fragt hingegen ein russisches Medium wie Sputnik die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, wie sie den jetzt aufgeflogenen Datenhandel und die aktuellen Datenkaufpraktiken der Parteien bewerten, dann geschehen in einigen Parteizentralen interessante Dinge. Die Ähnlichkeit der enthüllten Praktiken mit dem Vorgehen der britisch-US-amerikanischen Firma Cambridge Analytica fällt dabei ins Auge.

Massenhafter Datenhandel
Die Vorgänge rund um die Deutsche Post Direkt GmbH sind ein Lehrstück in Sachen Wahlmanipulation. Einem Bericht der „Bild am Sonntag“ zufolge verkauft diese Tochtergesellschaft der Deutschen Post seit Jahren massenhaft Kundendaten an politische Parteien. Die organisieren damit gezielte Wahlwerbung. Das spart Kosten und vor allem Personalaufwand. Konkret soll es um die CDU und die FDP gehen. Damit diese Parteien gezielt und ressourcensparend auf Wählerfang gehen können, benötigen sie allerdings mehr als nur Adressdaten.

Auf der Internetseite der Deutsche Post Direkt GmbH wird ganz offen mit dem Versprechen geworben: „Ihre Zielgruppen werden präzise charakterisiert – mit soziodemografischen, Konsum-, Struktur- und regionalen Daten sowie Branchen- und Lebenswelt-Informationen.“ Offen bleibt, wie dabei der Datenschutz gewährleistet werden soll. Denn dessen Einhaltung beschwört die Deutsche Post in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber Sputnik wie folgt:

„Unser Tochterunternehmen Deutsche Post Direkt GmbH speichert und verarbeitet geschäftsmäßig personenbezogene Daten bei strikter Einhaltung des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Tätigkeit der Deutsche Post Direkt ist bei der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, angemeldet. Die Aufsichtsbehörde hat sich das Geschäftsmodell bei der Deutsche Post Direkt vorstellen und erläutern lassen, ohne dass es Beanstandungen gegeben hätte.“

„Flächendeckend“ und „zielgruppengenau“
Das stellt die „Bild am Sonntag“ allerdings etwas anders dar. Demnach „verhökere“ die Posttochter ihre Kundendaten an Parteien wie die CDU und die FDP. Mit ihren Datensätzen ermögliche sie, dass die Parteien gebäudegenaue Wahlwerbung platzieren könne. Das taten die beiden genannten Parteien im Bundestagswahlkampf 2017 auch ausgiebig. Sie sollen dafür jeweils einen fünfstelligen Betrag gezahlt haben. Vielleich erklärt das auch das beredte Schweigen gerade dieser beiden Parteien auf entsprechende Anfragen seitens Sputnik.

Die Deutsche Post Direkt GmbH erklärt auf ihrer Internetseite die „Vorteile“ ihres „microdialog“ unter anderem so: „Hohes Ansprachepotenzial: microdialog ist nahezu 100 % flächendeckend. Anschauliche Bewertung von Adressen, z.B. nach Typen oder Milieus, Lokalisierung von Zielgruppen bis auf Gebäudeebene, Zielgruppengenaue voll-, teil- oder unadressierte Direktwerbung, Segmentierung von Kundenadressen, Minimierung von Streuverlusten und Kosten.“

Angebliche Datenschutzkonformität
Die Post Direkt betont, genauso wie die Konzernmutter, dass alles gesetzeskonform ist: „BDSG-konform: microdialog arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten ohne Personenbezug“. Die Deutsche Post formuliert es so: „Es werden dabei keine personenbezogenen Daten, sondern nur statistische Wahrscheinlichkeitswerte dargestellt.“

Diese Argumentation klingt den Beteuerungen erstaunlich ähnlich, die im Zusammenhang mit den Manipulationsversuchen der Firma Cambridge Analytica auftauchten. Diese vom US-amerikanischen Milliardär Robert Mercer gegründete und finanzierte Datenanalysefirma hat wahrscheinlich mit den Daten von Millionen Facebook-Nutzern in so wichtige Wahlen eingegriffen wie das EU-Austrittsreferendum Großbritanniens und die Präsidentschaftswahlen in den USA.

Wahlmanipulation mit Steuergeldern
Besonders interessant an der Erklärung der Deutsche Post Gruppe ist folgendes. Die Kundendaten wurden demnach gar nicht an CDU und FDP verkauft, sondern vermietet. Die Post schreibt Sputnik:

„Die Daten beziehen sich somit nicht auf einzelne Haushalte, sondern nur auf eine sogenannte Mikrozelle (6,6 Haushalte). In diesem Zusammenhang werden die Daten nicht verkauft, sondern vermietet. Eine direkte Übermittlung der Adressdaten an werbungtreibende Kunden ist ausgeschlossen. Vielmehr übermittelt der Adressdienstleister die Adressdaten für das Mailing an einen sogenannten Lettershop, der von dem Auftraggeber mit dem Druck und Versand des Mailings, also der Werbeaussendung, beauftragt wurde. Der Auftraggeber als Absender kennt nicht die Adressdaten, die für sein Mailing eingesetzt werden. Der Lettershop löscht die Adressdaten im Anschluss an die Verarbeitung.“

Dieser Beteuerung müssen die Wähler und Verbraucher bis zum Beweis des Gegenteils erst einmal Glauben schenken. Genauso wie die Wählerinnen und Wähler hinnehmen müssen, dass solche Geschäfte und damit auch die Manipulation von Wahlen auch mit Steuergeldern betrieben werden. Denn der Bund, also die Gemeinschaft der Steuerzahler, ist immer noch mit rund 20 Prozent an der Deutschen Post Gruppe beteiligt. Das zuständige Bundesfinanzministerium antwortet auf die Frage von Sputnik, warum der Bund sich de facto an so etwas beteiligt:

„Das Bundesfinanzministerium gibt zur Geschäftstätigkeit von privaten Unternehmen keine Auskünfte oder Stellungnahmen. Die Deutsche Post AG ist ein börsennotiertes Unternehmen, das seine Entscheidungen nach unternehmerischen Kriterien und nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen trifft. Einflussnahmen des Bundes auf operative Entscheidungen des Unternehmens, gestützt auf eine staatliche Aktienbeteiligung, sind nicht möglich. Dies ist im deutschen Aktienrecht nicht vorgesehen. Entsprechend dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebot ist es dabei unerheblich, dass der Bund mittelbare über die Kreditanstalt für Wiederaufbau 20,6 Prozent der Aktien der Deutsche Post AG hält.“

Wie gut, dass die Post nur noch eine Minderheitsbeteiligung des Bundes ist. Denn so gilt der „Good Governance Codex“, den sich die Bundesregierung für alle ihre unternehmerischen Beteiligungen auferlegt hat, im Fall der Deutschen Post nur als Empfehlung.

Anregungen zum Umdenken
Die Befragung des Whistleblowers Christopher Wylie vor dem britischen Parlament im Zusammenhang mit der Manipulation der US-Präsidentschaftswahlen durch die britisch-US-amerikanische Firma Cambridge Analytica hat es erwiesen: Personalisierte Wahlwerbung führt auch dazu, dass den Adressaten zum Teil gänzlich andere Inhalte präsentiert werden als anderen Nutzern. Das soll sie zu einem bestimmten Umdenken anregen, das schließlich in ein geändertes Wahlverhalten münden soll. So etwas ist grundsätzlich auch mit „nur“ gebäudegenauen Analysen des Wahlvolkes möglich.

AfD und SPD: unbeteiligt
Womit wir wieder bei den Parteien sind. Die Anfrage von Sputnik wurde am Dienstag an alle im Bundestag vertretenen Parteien verschickt. Am schnellsten antwortete die Alternative für Deutschland (AfD), die nach eineinhalb Stunden kurz und bündig verneinte, von der Deutsche Post Direkt GmbH Adressdaten für individualisierte Wählerwerbung gekauft zu haben. Sie plane derartiges auch nicht.

Am selben Tag antwortete auch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), die ebenfalls kurz und knapp erklärte, weder von der Post Direkt noch von anderen Anbietern Adressdaten für personalisierte Wahlwerbung erworben zu haben. Sie habe es auch nicht vor. Allerdings bewerte sie solcherlei Geschäfte auch nicht.

Linkspartei: „Privateste Informationen werden verscherbelt“
Die Partei Die Linke benötigte einen Tag, um es AfD und SPD gleichzutun. Sie merkte zusätzlich an:

„Es ist nicht in Ordnung, dass ohne das ausdrückliche Einverständnis der Leute hier privateste Informationen an Dritte verscherbelt werden. Die Linke unterstützt dieses Vorgehen nicht und legt großen Wert auf Datenschutz. Es ist problematisch, wenn Parteien sich nicht die Mühe machen, mit allen Menschen zu reden, sondern im Vorfeld aussieben. Die Linke macht Haustürbesuche in Villenvierteln und sozialen Brennpunkten – das ist mehr Arbeit, als sich die Informationen über die Leute zu kaufen, aber demokratische Willensbildung kennt keine Abkürzungen.“

Grüne, FDP, CDU/CSU: Schweigen
Die Partei Bündnis 90/Die Grünen antwortete weder auf schriftliche noch telefonische Anfragen und Nachfragen, ebenso die Freie Demokratische Partei (FDP). Bei letzterer war es vielleicht schlechtes Gewissen, steht doch auch die FDP im Verdacht, mit personalisierter Werbung Wählerpicking betrieben zu haben. Das bedeutet, dass die FDP bestimmte Wählergruppen gar nicht mehr ansprechen will, weil sie nicht an die Überzeugungskraft ihrer politischen Angebote und Argumente glaubt. Da hilft auch nicht, dass der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, in seinem Facebook-Auftritt beschwörend von der „Datenschutzpartei“ FDP schrieb und sich auch ansonsten streng datenschutzrechtlich verteidigte. Offenbar hat er keinerlei grundsätzliche demokratische Probleme mit diesem Wählerpicking.

CDU und CSU haben die Sputnik-Anfrage ebenfalls nicht einer Antwort für würdig befunden. Die Pressestelle der Unions-Bundestagsfraktion verwies rechtlich korrekt und freundlich auf die Kolleginnen und Kollegen in den Bundeszentralen der Schwesterparteien. Die CSU-Pressestelle in München beteuerte zwar in einem Telefonat, sie wolle „mal schauen“. Doch dabei blieb es. Die CDU-Zentrale schwieg völlig. Sollte sich das ändern, wird Sputnik darüber berichten.

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