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Was Translationale Medizin bei Krebs bewirkt

Translationale Medizin vermittelt zwischen Labor und Klinik. In der Onkologie soll die Entschlüsselung der DNA von Tumorzellen die Forschung vorantreiben.

Zwischen Molekularbiologie und klinischer Forschung sucht die Translationale Medizin nach der Funktion unserer Gene – ein komplexes Unterfangen

Wien – Es war die Mondlandung der Molekularbiologie: 2003 entschlüsselten über

 1.000 Mitarbeiter eines Humangenomprojekts erstmals die menschliche DNA. Damals entstand die Hoffnung, den menschlichen Körper von seinen kleinsten

Einheiten her zu verstehen und neue therapeutische Ansätze von genetisch bedingten Erkrankungen zu entwickeln. Die Krebsforschung sucht als eine der ersten Disziplinen nun Wege in der Translationalen Medizin, um die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in die Praxis zu übersetzen. Der Pharmakonzern Novartis veranstaltete dazu vergangenen Montag ein Expertengespräch über die Hintergründe des Forschungszweiges

  • Krebszellen sind entschlüsselt, aber nicht entschärft

"Die erste Sequenzierung eines Genoms war ein Meilenstein, letztlich ist es aber auch eine weitere anatomische Analyse. Im Atlas der Anatomie wissen wir, welches Organ wofür gut ist, aber beim Cancer Genom Atlas können wir nicht genau erklären, welche Veränderungen in den Genen tatsächlich für die Entwicklung einer Krebserkrankung entscheidend und welche unbedeutend sind", sagt Christoph Zielinski, Vorstand der Klinik für Innere Medizin I an der MedUni Wien und Onkologe und Koordinator des Comprehensive Cancer Center (CCC).

In der Translationalen Medizin arbeiten Wissenschafter aus der Grundlagenforschung eng mit klinischen Forschern zusammen, um theoretisches und praktisches Wissen zu verbinden. Im Labor für Translationale Thorakale Onkologie des CCC werden Blut- und Gewebeproben von Patienten auf ihre genetische Struktur hin analysiert. So wollen die Forscher herausfinden, wie das Wachstum der Zelle außer Kontrolle gerät und die internen Sicherheitsnetze des Körpers ausgeschaltet werden. Die Entschlüsselung des Genoms von Krebszellen soll auch dem Patienten helfen: Ziel ist es, bei der Behandlung das spezielle genetische Profil des Tumors als einen von mehreren Einflussfaktoren zu berücksichtigen und die Therapie so in Zukunft effektiver zu gestalten.

Ein Meer aus Basenpaaren

"Wir kennen unglaublich viele Mutationen, müssen aber noch herausfinden, welche entscheidend sind", sagt Grundlagenforscher Josef Penninger, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Molekulare Biotechnologie. Dabei sind Forscher mit riesigen Datenmengen konfrontiert: Auf über drei Milliarden Basenpaaren breitet sich der Bauplan einer menschlichen Zellen aus. Unsere DNA reguliert nicht nur die Abläufe in unserer Zelle, sondern bestimmt auch, wie sie sich im großen Ganzen des Organismus zu verhalten hat. Das Wissen, welche Gene das Krebswachstum beschleunigen und welche es hemmen, könnte als eine Strategie für zielgerichtete Behandlungsmethoden dienen.

Nicht nur die Komplexität der DNA macht die Forschung schwierig, sondern auch die Wandelbarkeit und Vielgestaltigkeit von Tumorzellen. "Tumore sind oft heterogen. Ein Teil der Tumorzellen hat bestimmte Mutationen, ein anderer Teil nicht", so Penninger. So kann eine Behandlung teilweise anschlagen, während andere Krebszellen dagegen Resistenzen aufbauen. Krebs, der durch die Mediekamente behandelt wird, wandelt sich im Laufe der Zeit.

Immunsystem als Ansatzpunkt

Anstatt bei der Krankheit anzusetzen, beschäftigt sich die Translationale Medizin daher auch mit den körpereigenen Schutzmechanismen. "Hier therapiert man nicht den Krebs, sondern das Immunsystem, das den Krebs besiegt", sagt Grundlagenforscher Penninger. Die Krebszelle schafft es manchmal, das Immunsystem zu überlisten und zu bremsen. Wenn die Wissenschaft mehr über diese Beeinflussung der körpereigenen Abwehrkräfte erfährt, könnten diese Tricks des Tumors vielleicht verhindert werden.

"Wir sind weit davon entfernt, Krebs zu heilen", attestiert Zielinski. Trotzdem verbessern Grundlagenforscher in medizinischen Teams seiner Erfahrung nach die Qualität der Behandlungsplanung. Die Forschung zeigt einmal mehr die Komplexität der Zelle auf – gerade deshalb bleibt die Molekularbiologie und ihre Übersetzung in die Praxis ein wichtiger Treiber für neues Wissen in der Medizin.

(stum, derStandard.at, 19.3.2015)

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