Freitag, April 26, 2024
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Wie ein „historischer Zufall“ Israels Wahl entscheiden könnte

Demonstranten vor dem Gebäude der US-Israel-Lobbygruppe Aipac, wo Israels Premier Netanjahu am Montag sprechen sollte. Tags darauf wollte er den US-Kongress vor einem Iran-Deal warnen. Ob dies eine Verstimmung mit dem Weißen Haus wert ist, ist in Israel umstritten.

Israels Premier Benjamin Netanjahu streitet vor seiner Rede in den USA jede Wahlkampf-Absicht ab. Sie kann trotzdem seine Zukunft bestimmen

"Entweder wir oder

sie" lautet ein Slogan, mit dem der rechtskonservative Likud für seinen Chef, Premier Benjamin Netanjahu, wirbt. In einem Wahlkampf, in dem man sich mehr auf die Person des

Gegners als auf Sachfragen konzentriert, ist allen Israelis klar, was gemeint ist: Netanjahus linksliberale Tandemrivalen Yitzhak Herzog und Zipi Livni seien zu weich und weltfremd, als dass man ihnen das Land anvertrauen könnte.

Doch während des Countdowns zur Rede, die der Premier am Dienstag in Washington halten sollte, schien der Kampfruf durchaus auch für andere Fronten zu taugen: Etwa jene zwischen Netanjahu und US-Präsident Barack Obama, oder für die zwischen Israel und dem Iran. Israels Parlamentswahlen am 17. März, die amerikanisch-israelischen Beziehungen und das iranische Nuklearprogramm – diese drei Themen haben sich in der spitzen Debatte um Netanjahus Auftritt vor dem US-Kongress verzahnt.

"Schicksalhafte Angelegenheit"

Kommentatoren und politische Gegner haben Netanjahu empfohlen, die Rede zu verschieben, weil sie nach Wahlpropaganda aussehe. Netanjahu hält dagegen, dass er sich den Zeitpunkt nicht aussuchen konnte. Es sei ein historischer Zufall, dass die Verhandlungen mit dem Iran gerade jetzt in die Entscheidung gehen.

Und es zeichne sich ein Deal ab, so Netanjahu vor der Abreise, bei dem "die Großmächte sich damit abfinden, dass der Iran stufenweise über einige Jahre die Kapazitäten entwickelt, spaltbares Material für sehr viele Atombomben zu erzeugen" – das sei "eine schicksalhafte Angelegenheit, die darüber entscheiden kann, ob wir existieren oder nicht".

Dass das Abkommen, soweit es bekannt ist, "problematisch" oder gar "katastrophal" sei, darüber herrscht unter Politikern und Militärexperten in Israel ein breiter Konsens. "Wir haben alle das gleiche Ziel, das iranische Nuklearpotenzial zu neutralisieren", sagte etwa auch Oppositionschef Herzog. Doch Netanjahus Weg sei "falsch und sehr gefährlich". Israel sollte einen stillen Dialog mit den USA führen, statt Obama durch eine Rede zu verärgern: "Diese Reden haben keinen Wert. Denn in den letzten Jahren hat Netanjahu viele Reden gehalten, und die Welt hört ihm nicht mehr zu."

"Öfter peinliche Momente"

Gegenargument des Likud- Lagers: Nur dem beharrlichen Mahnen über Jahre sei es zu verdanken, dass die Welt auf das mutmaßliche Waffenprogramm aufmerksam geworden sei und Sanktionen verhängt habe. Im Verhältnis zu den USA habe man öfter peinliche Momente erlebt, etwa 1990, als Ex-US-Außenminister James Baker die Telefonnummer des Weißen Hauses deklamierte und ätzte: "Wenn ihr es mit dem Frieden ernst meint, ruft uns an."

Kaum noch zu verbergen ist, dass Obama und Netanjahu, die 2009 fast gleichzeitig in ihre Ämter gekommen sind, jeweils sehnsüchtig auf den Abgang des anderen warten. Obama ist in Israel alles andere als populär. Aber seine Netanjahu-Verdrossenheit wird von vielen Israelis geteilt. Darauf setzt Herzog. Er versucht nicht etwa durch ein Sozialprogramm oder einen Friedensplan zu punkten, sondern damit, dass er nicht Netanjahu ist: "Ich bin der Einzige, der Netanjahu ablösen kann."

In den letzten UMFRAGEN lag das "Zionistische Lager" (so nennt sich ein von Herzogs Arbeiterpartei geführtes Bündnis) knapp vor dem Likud. Zwar könnte weiter nur Netanjahu eine halbwegs harmonische Koalition bilden. Aber er muss sich Sorgen machen. Nach einem beißenden Kontrollbericht über die Ausgaben in Premier-Residenzen, und wohl auch wegen der Scharmützel mit Washington, sind ihm Sitze davongedriftet. Wird Netanjahu nun als "Retter" oder als Blamierter heimkehren? Die Kongress-Rede könnte den Trend in den letzten Wochen vor der Wahl mitbestimmen. (Ben Segenreich aus Tel Aviv,

DER STANDARD, 3.3.2015)

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