Dienstag, April 30, 2024
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Hartz IV war gestern – Das ist das neue Sozialstaatskonzept der SPD

Bis heute streiten sich Experten, ob die Agenda 2010 die Geburtsstunde eines Jobwunders war oder eine neoliberale Armutsreform. Die SPD hat auf ihrem aktuellen Bundesparteitag nun den wichtigen Schritt getan, Agenda-Politik und Hartz IV zu überwinden. Das neue Sozialstaatskonzept könnte das System in Deutschland grundlegend verändern.

Es geht um bessere Lebensverhältnisse: Die SPD will auf ihrem derzeitigen Bundesparteitag in den Berliner Messehallen ein Zeichen setzen. Mit dem am Samstag beschlossenen Sozialstaatskonzept will die Partei die mittlerweile ungeliebte Agenda 2010 und das Hartz IV-Konzept überwinden und durch eine sozialere Alternative ersetzen. Durch die übermäßig vielen Wortmeldungen und Änderungsanträge zu dem Thema verzögerte sich der Ablauf des Parteitags um mehr als zwei Stunden.

Eine Kehrtwende…

An dem neuen Sozialstaatskonzept haben prominente Sozialdemokraten mitgewirkt. Unter anderem Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil, Familienministerin Franziska Giffey, die Rheinland-Pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, oder auch Juso-Chef Kevin Kühnert und – vor ihrem Rücktritt – die ehemalige Parteichefin Andrea Nahles. Auf dem Parteitag erklärte Dreyer:

„Es bedeutet mir sehr, sehr viel, dass die SPD sich mit diesem Sozialstaatskonzept wirklich neu aufstellt. Dieses Sozialstaatskonzept ist für eine gerechtere Welt, für eine gerechtere Gesellschaft.“

Arbeitsminister Heil fügte hinzu, dass es ein völlig falsches Menschenbild sei, dass Arbeitslose als faul und arbeitsunwillig gelten würden: Im Gegenteil, die meisten Menschen ohne Job würden sogar sehr gerne wieder in Arbeit kommen, so Heil.

Das beschlossene Konzept sieht eine ganze Reihe von Neuerungen und Veränderungen vor. Unter anderem soll der Wert der Arbeit gestärkt werden. Das heißt im Einzelnen, dass der Mindestlohn auf zwölf Euro steigen und die Tarifbindung mit einem bundesweiten Tariftreuegesetz gestärkt werden soll. Außerdem soll eine Familienarbeitszeit mit Familiengeld und persönlichem Zeitkonto eingeführt werden. Zudem soll die Arbeitsagentur zu einer „Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung“ weiterentwickelt werden – Umschulungen und Weiterbildungen sollen gefördert werden.

Bürgergeld statt Hartz IV

Kernpunkt des Konzepts ist das „Bürgergeld“ – so soll die bisherige Grundsicherung künftig heißen und damit Hartz IV ersetzen. Die SPD verspricht „mehr Respekt vor der Lebensleistung des Einzelnen“, der neue Sozialstaat solle „empathisch, unterstützend und bürgernah“ sein. Das Konzept sieht auch das Recht auf das Nachholen einer Berufsausbildung sowie einen Bonus für Weiterbildungen vor.

Auch das Wohngeld soll reformiert werden und eine zweijährige Schutzzeit für die Heranziehung von Vermögen und die Überprüfung der Wohnungsgröße eingeführt werden. Bürger sollen keine Bittsteller mehr sein, der Sozialstaat habe stattdessen eine Bringeschuld. Der Sozialstaat müsse den Einzelnen und sein Schicksal respektieren. Weiter heißt es, der Staat müsse Instrumente schaffen, die den individuellen Anforderungen und unterschiedlichen Problemstellungen der Menschen gerecht werden. In dem Sozialstaatskonzept heißt es außerdem, „unwürdige Sanktionen“ sollen abgeschafft werden. Über diesen Punkt wurde auf dem Parteitag lange gestritten, vor allem Vertreter der Jusos wollten die Sanktionen komplett beenden, was unter den Delegierten jedoch keine Mehrheit fand. Stattdessen lautet die Formulierung nun, dass auch bei möglichen Sanktionierungen das Existenzminimum nicht unterschritten werden darf.

Mit oder ohne Union?

Fraglich bleibt, welche Punkte in dem neuen Papier der SPD mit den Koalitionspartnern CDU und CSU umzusetzen sind. Aus der Union gab es bereits kritische Töne zu den Vorhaben. Auch das wirtschaftsnahe ifo Institut für Wirtschaftsforschung verurteilte die Forderung nach einem höheren Mindestlohn, der nach Meinung des Instituts Arbeitsplätze kosten könne. Doch selbst wenn das Sozialstaatskonzept nicht in der aktuellen Bundesregierung komplett umzusetzen ist, will die SPD die Neuerungen in das Partei- und das künftige Wahlprogramm einbauen.

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