Montag, April 29, 2024
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„Politische Katastrophe“: Kurswechsel der Grünen bei Drohnenbewaffnung – Interview mit MdB Pflüger

Für die Grünen war der Einsatz von bewaffneten Drohnen bisher undenkbar. Ihre Position hat sich aber nach dem letzten Parteitag gewandelt: Die Partei lehnt die Bewaffnung von Drohnen nicht mehr explizit ab. Für Tobias Pflüger von der Linksfraktion ist das eine „politische Katastrophe“. Warum, erklärt er im SNA-Interview.Durch politischen Druck von Innen und Außen hätten zivilgesellschaftliche Akteure, die Friedensbewegung und die Linkspartei erreicht, dass die SPD eine Entscheidung über die Bewaffnung von Drohnen bis zum Ende der Legislaturperiode aufgeschoben hat. Das sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Tobias Pflüger, im SNA-Interview. Nach dem Parteitag der Grünen befürchtet er aber nun, dass in der neuen Legislaturperiode in einem potenziellen Koalitionsvertrag zwischen den Grünen und CDU/CSU eine Anschaffung von bewaffneten Drohnen vereinbart werden könnte.„Ich halte das politisch für eine Katastrophe“, sagt Pflüger. „Das ist etwas, wogegen wir jahrelang gekämpft haben. Umso problematischer sind dieses Umfallen und die veränderte Position der Grünen. Ich bedauere das ausdrücklich“, so der Friedensforscher und Linke-Politiker. Bemerkenswert sei, dass es „im Vorfeld des Parteitages von Seiten des dortigen Vorstandes keine Formulierung im Programm zu Drohnen“ gegeben habe. Letztendlich wurden drei verschiedene Anträge durch Abgeordnete oder ehemalige Abgeordnete gestellt.In ihrem am Wochenende verabschiedeten Wahlprogramm schreiben die Grünen einerseits: „Die bewaffneten Drohnen werden vielfach auch von unseren Bündnispartnern für extralegale Tötungen und andere völkerrechtswidrige Taten eingesetzt.“ Andererseits „können bewaffnete Drohnen einen Beitrag zum Schutz deutscher Streitkräfte und Zivilisten in unterschiedlichsten Bedrohungssituationen leisten“. Die Partei will hierfür „strenge und transparente Einsatzregeln dieser Systeme“ formulieren. „Daher wollen wir die Bewaffnung für Drohnen der Bundeswehr ermöglichen“, heißt es in ihrem Programm.

„Man verarscht die Bevölkerung“

Die Formulierung der Grünen sei ähnlich wie die des Verteidigungsministeriums. „Es ist wie bei Drogen: Es bedarf immer einer Einstiegsdroge, und dann wird auch richtig konsumiert. Man verarscht im Grunde die Bevölkerung damit. Man bringt ein Szenario in die Debatte, dass eher zu den untergeordneten Szenarien von bewaffneten Drohnen gehört“, kritisiert der Friedensforscher. Schutz von Soldaten bedeute ja auch militärisches Ausschalten von Gegnern durch bewaffnete Drohnen.

„Insofern ist es eine neue Art der Kriegsführung“, sagt der Verteidigungsexperte. Er verweist dabei auf US-Drohneneinsätze, die über die Relaisstation auf der Ramstein Air Base laufen sollen. „Das ist in weiten Teilen so, dass damit angeblich gezielte Tötungen laufen sollen. In der Realität ist es aber so, dass sehr viele sogenannte Kollateralschäden entstehen. Das heißt übersetzt, viele zivile Tote“, so der Sicherheitsexperte.Pflüger spricht dabei von Einsätzen der Vereinigten Staaten in Somalia, im Jemen, in Afghanistan. Immer mehr Staaten würden bewaffnete Drohnen einsetzen: „Es ist ein internationaler Dammbruch.“Daran sollte sich Deutschland seiner Meinung nach aber nicht beteiligen. „Es bedarf eines Landes, das versucht, die unglaublich fatale Entwicklung zu stoppen.“ Er schlägt vor, dass sich die Bundesrepublik für ein „internationales Moratorium gegen bewaffnete Drohnen“ einsetzt – „ähnlich wie bei der Streumunition oder bei Minen“. Auch dort sei damals eine andere Kriegsführung ermöglicht worden.

Paradigmenwechsel bei den Grünen

Im Bundestagswahlprogramm der Grünen aus dem Jahr 2017 hieß es noch: „Wir sind gegen die Beschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen für die Bundeswehr.“ Noch im Dezember 2020 hatte Grünen-Chef Robert Habeck betont, mit den bewaffneten Drohnen, die bisher im Einsatz seien, seien häufig völkerrechtswidrige Hinrichtungen aus der Luft vorgenommen worden. Es drohe eine weitere Automatisierung des Krieges, „ohne dass es klare Einsatzregeln gibt“.Ein weiterer Antrag gegen die Bewaffnung von Drohnen scheiterte. In dem Antrag der grünen Bundestagsabgeordneten Katja Keul heißt es: „Auch legal werden bewaffnete Drohnen vorrangig in Anti-Terror-Einsätzen genutzt. Sie können die Hemmschwelle zum Einsatz militärischer Gewalt senken. Mit der Verfügbarkeit bewaffneter Drohnen droht die Veränderung militärischer Einsatzszenarien. Für mögliche Opfer gibt es keinen adäquaten Rechtsschutz. Wir halten die Bewaffnung daher für falsch.“Der Streit um die Beschaffung bewaffneter Drohnen innerhalb der Koalition von Union und SPD führte dazu, dass die eigentlich erwartete Bundestagsentscheidung dazu im Dezember 2020 von der SPD auf unbestimmte Zeit verschoben worden war. Die Sozialdemokraten äußerten damals den Wunsch nach einer weiterführenden Diskussion zu dem Thema. Beim Koalitionspartner Union sorgte das für Unverständnis und Kritik.

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