Samstag, Mai 4, 2024
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Russland für „Kälte-Krieg“ verantwortlich? Grünen-Abgeordneter Trittin geht auf SNA-Fragen ein

Anders als die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck will der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Jürgen Trittin, Russland keine Erpressung oder Schuld für die gestiegenen Energiepreise zuschieben. Er sieht die Gründe viel differenzierter – und sendet eine klare Botschaft an Präsident Wladimir Putin.Zuvor hatten Baerbock und Habeck Russland mit Blick auf die hohen Energiepreise ein „Pokerspiel“ und politische Erpressung vorgeworfen. Russland halte die Gaslieferungen nach Europa zurück, sagte Baerbock mehrmals, und fülle die deutschen Gasspeicher nicht auf, um die Inbetriebnahme der Nord Stream 2 zu erzwingen. Viele Medien folgten dieser Darstellung, darunter das Magazin „Focus“, das auf der Titelseite seiner letzten Ausgabe Putins „Kälte-Krieg“ enttarnt haben will.Der Grünen-Veteran Trittin sieht die Dinge aber anders. Seine Sicht brachte er am Montag im Gespräch mit Journalisten der ausländischen Presse zum Ausdruck. Die Hauptursache für die global ansteigenden Gaspreise sehe er in der wachsenden Nachfrage und dem Wegfall des vormaligen „Swing Producers“ USA, sagt Trittin gegenüber SNA – weil in der Pandemie die großen institutionellen Investoren in den USA die Finanzierung neuer Gaserschließungen in den USA schlicht und ergreifend gekippt hätten.„Deswegen sind die alle insolvent und das bringt nun im Öl- wie im Gasmarkt OPEC Plus und im Gasmarkt Russland als starken Anbieter in die komfortable Situation, durch Mengensteuerung die Preise bestimmen zu können“, erklärt Trittin weiter. Hier nutze ein kleine Gruppe von Akteuren, die das Angebot bestimmen, ihre Marktmacht. „Das ist nicht politisch, sondern das passiert bei Oligopolen – kann man alles bei Karl Marx nachlesen.“

Andererseits habe auch die EU entschieden, sagte Trittin weiter, nicht mehr mit Festverträgen und langfristigen Lieferverträgen zu agieren, sondern sich auf den Exportmärkten umzuschauen. So habe man Gas im letzten Jahr während der Pandemie sehr billig bekommen, jetzt aber müsse man viel mehr bezahlen. Das bedeute aber nicht, dass Russland Europa hier etwa einen Gaskrieg erklärt habe, betont der 67-Jährige. Russland nutze seine Marktsituation lediglich genauso aus, wie es Saudi-Arabien und Russland gemeinsam im Öl-Sektor tun würden. „Das hat eher was mit Ökonomie und weniger mit Politik zu tun.“ Dagegen helfen könnte es nur, unabhängig von solchen Energieimporten zu werden, findet Trittin.

Trittin: „Putin müsste wissen, wovon ich spreche“

Vor einiger Zeit war FDP-Veteran Wolfgang Kubicki auf der Mitgliederversammlung des Deutsch-Russischen Forums aufgetreten, wo er an der Seite des künftigen Regierungsmitglieds – FDP – für eine Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen plädierte. Die Grünen sollen in der neuen Regierung das Auswärtige Amt übernehmen – und es wird erwartet, dass die deutsch-russischen Beziehungen damit konfrontativer werden könnten. Trittin, Mitglied der deutsch-russischen Parlamentariergruppe und ihr stellvertretender Vorsitzender, sucht nach eigenen Angaben jedoch gerne einen Dialog mit Russland – „auch und gerade dort, wo er strittig ist“.

Er sei auch zu den Potsdamer Begegnungen Anfang November nach Moskau eingeladen und würde dorthin fahren, wenn er nicht an den Verhandlungen zur Bildung der neuen Bundesregierung teilnehmen müsste, sagt er. Wäre er aber da, würde er an Moskau eine ganz konkrete Botschaft senden.

„Ich finde, dass man mit der Zivilgesellschaft nicht so umgehen sollte, wie Moskau das tut“, so Trittin. „Menschen, die nur eine andere Meinung haben, zu Terroristen zu erklären (gemeint ist damit offenbar der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny, dessen Organisation „Antikorruptionsstiftung FBK“ in Russland im Juni als extremistisch eingestuft wurde – Anm. d. Red.). Menschen, die gegen nachweisbare schlimmste Korruption von einzelnen Individuen vorgehen, die nichts Anderes einklagen als die Herrschaft des Rechts. Russlands Präsident ist gelernter Jurist, der müsste eigentlich wissen, wovon ich spreche, dass so etwas in einem gemeinsamen Haus Europa und auf der Basis auch der Verträge, die Russland, zum Teil die Sowjetunion noch unterschrieben hat, nicht akzeptiert werden kann“, legt Trittin nach.

Jürgen Trittin Grünen-Bundestagsabgeordneter

„Entweder Wasserstoff oder Strom“

Nichtsdestotrotz würden die Grünen, merkt er dabei an, mit Russland, dem „unbequemen Partner“, weiter zusammenarbeiten, um etwa eine Destabilisierung in Libyen zu verhindern und den syrischen Bürgerkrieg nicht wieder aufflammen zu lassen. „Selbstverständlich“ seien die Grünen der Auffassung, dass Russland keine fossilen Energien mehr nach Europa exportieren müsse. Das müsse aber nicht das Ende der energetischen Zusammenarbeit sein, so Trittin. „Es macht in bestimmten Situationen durchaus Sinn, entweder Wasserstoff oder Strom zu exportieren, denn wir reden ja nicht von Autarkie. Wir reden davon, dass wir unsere Abhängigkeit deutlich mindern wollen. Aber ich glaube auch nicht, dass aller Strom, den wir brauchen, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erzeugt wird“, sagt Trittin abschließend.

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