Sonntag, April 28, 2024
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Stunde der Heuchler in Potsdam – Medienpreis für Nawalny und peinliche Propagandareden

In Potsdam wurde am Mittwochabend der M100-Medienpreis an den russischen Blogger Alexej Nawalny und seine aufgelöste Stiftung überreicht. Die Laudatio hielt FDP-Chef Christian Lindner. Nawalnys früherer Stabschef, Leonid Wolkow hielt die Dankrede. Wie leider zu erwarten war, wurde die Preisverleihung eine peinliche antirussische Hetzveranstaltung.Nicht wenige Medienpreise teilen das Los vieler anderer Auszeichnungen, selbst nach Jahren von Verleihungen und mehr oder weniger aufwendigen Verleihungszeremonien, bleiben sie einer breiten Öffentlichkeit doch relativ unbekannt und damit auch relativ uninteressant.Manche Medienpreise haben dieses Los durchaus verdient. Selbst wenn sie vereinzelt Jahrgänge aufweisen, in denen die Ausgezeichneten ehrenwerte Zeitgenossen mit ehrenwerten Motiven sind, die ihren medialen Tätigkeiten zugrunde liegen.Der M100-Medienpreis gehört in diese Kategorie. Dass er trotz seiner Verleihungspraxis seit 2005 und einer Gemeinschaft von prominenten Förderern, die erhebliches Gewicht als multimediale Player mit exzellenter Vernetzung in Politik und Wirtschaft in Deutschland auf die Waagschale bringen können, einer breiteren Öffentlichkeit dennoch beinahe unbekannt ist, könnte vielleicht auch daran liegen, dass im Hintergrund „Partner“ wirken, die eine Agenda verfolgen, die möglichst nicht zu offensichtlich ins Rampenlicht gerückt werden soll. Denn normale Menschen erkennen relativ schnell, dass es bei manchen Medienpreisen nicht um Würdigung von echten journalistischen Leistungen, sondern um – leider müssen wir es beim M100 Media Award 2021 so konstatieren – um plumpe Propaganda geht.

US-finanzierte Propaganda-Stiftung NED – Wieder einmal

Denn wenn die vom US-Kongress gegründete und finanzierte NED, die National Endowment for Democracy, irgendwo auftaucht, wie im Kreis der Ausrichter und Förderer des M100-Medienpreises, dann kann die Uhr gestellt werden, bis die üblich schwülstigen Beschwörungen von den unschlagbaren und natürlich haushoch überlegenen Vorzügen von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat des Westens auf die Zuhörer und Zuschauer niedergehen. Selbstverständlich wird niemand, der versucht, sich auf den Internetseiten der M100-Initiative ein etwas genaueres Bild über die Hintermänner und –frauen zu verschaffen, informiert darüber, wer und was eigentlich hinter der NED steht, von anderen „Partnern“ oder „Sponsoren“ wie der zwielichtigen „Media Tenor“ nicht zu reden.

Doch bleiben wir bei der NED. Der seinerzeitige, zum rechten Flügel der republikanischen Partei im Repräsentantenhaus zählende Abgeordnete Ron Paul, hielt fast auf den Tag genau 18 Jahre vor der gestrigen Preisverleihung im Theater des Neuen Palais in Potsdam, am 7. Oktober 2003 vor dem Repräsentantenhaus in Washington D.C. eine Rede, in der er Klartext über die NED sprach, weshalb er von den transatlantischen Vorbetern auch inbrünstig gehasst wird. Paul erklärte seinerzeit:

„Die fälschlicherweise als National Endowment for Democracy (NED) bezeichnete Stiftung ist nichts anderes als ein kostspieliges Programm, das mit Geldern der amerikanischen Steuerzahler bevorzugte Politiker und politische Parteien im Ausland fördert. Madam Speaker, was die NED im Ausland über ihre Empfängerorganisationen, das National Democratic Institute (NDI) und das International Republican Institute (IRI), tut, wäre in den Vereinigten Staaten zu Recht illegal. Die NED mischt sich mit ‚weichem Geld‘ in die nationalen Wahlen ausländischer Länder ein, um die eine oder andere Partei zu begünstigen. Stellen Sie sich vor, was ein paar hunderttausend Dollar bewirken, um einen Politiker oder eine politische Partei in einem relativ armen Land im Ausland zu unterstützen. Es ist besonders orwellianisch, die Manipulation ausländischer Wahlen durch die USA als ‚Förderung der Demokratie‘ zu bezeichnen. Wie würden sich die Amerikaner fühlen, wenn die Chinesen mit Millionen von Dollar ankämen, um bestimmte Kandidaten zu unterstützen, die als China-freundlich gelten? Würde man dies als demokratische Entwicklung ansehen?“Ron Paulehemaliges Mitglied des US-Repräsentantenhauses für die RepublikanerWir könnten die Berichterstattung über den diesjährigen M100-Medienpreis eigentlich an dieser Stelle beenden, weil es dutzende Beispiele für diese dreisten Einmischungsversuche der NED in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten gibt, die verlogen als „Förderung der Demokratie“ bezeichnet werden und sich dieser Medienpreis damit selbst in ein trübes Licht rückt. Wir könnten hier abbrechen, um notorisch antirussischen Hetzern nicht unnötig Kredit zu geben, zumal, wie erwähnt, der pompös aufgeblasene Medienpreis, trotz liebevoller Verbreitung durch wichtige deutschsprachige Medien, nicht die Resonanz in der eigentlichen Zielgruppe, der deutschen Bevölkerung hat, die er nach dem Willen der Spin-Doktoren im Hintergrund eigentlich haben sollte.

Allerdings war die Laudatio von FDP-Chef Christian Lindner derart widerlich heuchlerisch, dass wir uns doch etwas ausführlicher mit der gestrigen peinlichen Veranstaltung befassen wollen.

Wenn Christian Lindner es mit Ironie versucht

Christian Lindner weiß natürlich, wer im Hintergrund des M100-Medienpreises steht, und natürlich weiß er auch, wer die NED und was ihr Ziel ist. Vielleicht zog er es deshalb vor, seine Laudatio mit dem Versuch zu beginnen, besonders witzig erscheinen zu wollen. Lindner erklärte in spöttischem Tonfall, er hätte vor der Veranstaltung „auf der Nachrichtenseite einer russischen Trollfabrik“ lesen müssen, „dass diese Preisverleihung lediglich eine Plattform ist, um im heimtückischen Komplott des Westens, die extremistische Organisation rund um Nawalny zu finanzieren“. Selbst intensive Suche nach dieser ominösen Quelle für einen Textvergleich, blieb bis Redaktionsschluss ergebnislos, aber wir haben Herrn Lindner natürlich eine Bitte um Nennung dieser geheimnisvollen Quelle übermittelt. Wir werden Sie, liebe Leser, über eine Antwort informieren.

Lindner behauptete sodann von dieser angeblichen oder tatsächlichen „Trollfabrik“, dort habe ein Politologe gemutmaßt, Nawalny sei für ihn „ein Hebel sei ins deutsche Außenministerium“. Lindner, unverändert im gespielten Ironiemodus und bekanntlich kurz vor Sondierungsgesprächen mit SPD und Grünen, meinte dazu in Potsdam: „Ich kann bekennen, was den Hebel ins Außenministerium angeht, schon der Blick in den deutschen Qualitätsjournalismus offenbart, dass wir über andere Pläne verfügen.“ Diese Aussage interpretierte die Deutsche Presse-Agentur (DPA) allen Ernstes als „FDP-Chef Lindner macht Andeutungen für Ministerwunsch“, was selbstredend von diversen deutschsprachigen Medien wiederholt wurde, obwohl vor dem Hintergrund des mehrfach multimedial von Lindner vorgetragenen Wunsches, Finanzminister werden zu wollen, diese DPA-Meldung eine klassische Antwort auf eine Frage ist, die niemand gestellt hat.Lindner sagte deshalb auch den einzigen tatsächlich zutreffenden Satz seiner Rede, wahrscheinlich ohne zu realisieren, dass er sich und seinen verkorksten Sinn für Ironie damit selbst kommentierte: „Diese kleine Anekdote zeigt aber, wie wichtig und unverzichtbar der Kampf gegen Desinformation ist.“ In der Tat, lieber Herr Lindner, in der Tat. Aber Sie können uns ja noch darüber informieren, wie die Trollfabrik und wie der Politologe hieß, damit wir pflichtschuldigst das Schenkelklopfen nachholen.

Wenn Christian Lindner es mit abgestandenen Gruselgeschichten versucht

Natürlich breitete Lindner dann noch einmal die Gruselgeschichte vom mordlüsternen russischen Regime aus, das angeblich nach dem Leben von Alexej Nawalny trachtete, indem es ihn mit einem Nervengift töten wollte, das im Westen als das tödlichste überhaupt von Menschen erschaffene beschrieben wird, weil es schon in beinahe homöopathischen Dosen absolut todbringend sei, aber irgendwie dann doch nicht so tödlich ist, wie immer behauptet. Selbstredend konnte auch Christian Lindner an diesem Potsdamer Oktoberabend nicht einen einzigen nachprüfbaren Beleg für diese Mordtheorie vorbringen, auf den die Welt bis heute wartet, sondern auch er präsentierte erneut nur die inzwischen gähnend langweiligen Unterstellungen und Behauptungen an die Adresse des Kreml. Theaterdonner eben, passend zur Kulisse, er stand ja auf der Bühne im Theater des Neuen Palais, da war Shock and Awe gut aufgehoben.

Selbstverständlich verdrehte Lindner die Tatsache, dass nicht die Berliner Charité Nawalnys Leben rettete, sondern die angeblich bösen russischen Mediziner in Omsk. Selbstverständlich leierte Lindner ein Zahnschmerzen verursachendes Heldenepos eines Mannes herunter, der vor Lindners Rede mit einem Zusammenschnitt von Videos vorgestellt wurde, wobei natürlich jene Videos fehlten, in denen der Held mit einer Waffe herumgestikulierend Menschen aus dem Kaukasus als Kakerlaken bezeichnet. Aber wir haben ja inzwischen gelernt, dass der gute Mann seine rassistische und nationalistische Phase zuverlässig abgelegt hat und jetzt das Superman-Kostüm über das Batman-Kostüm gestreift hat.So richtig Brechreiz verursachend wurde es dann aber, als Lindner erzählte: „Und dann im Januar haben wir erfahren, dass er beabsichtigt, zurückzukehren nach Moskau. Und ich erinnere mich sehr gut an meine Gefühle, die ich hatte, als ich diese Nachricht gehört hatte. Er wusste was ihn erwartet. Er musste mit Sicherheit davon ausgehen, dass ihm ein Prozess gemacht werden würde, der nicht unseren rechtsstaatlichen Standards genügen konnte.“

Ob er damit jene rechtsstaatlichen Standards meinte, mit denen ein richtiger Journalist und Whistleblower wie Julian Assange seit mehreren Jahren von den westlichen Fackelträgern des heiligen Rechtsstaatsprinzips gequält und bedroht wird, ließ Christian Lindner natürlich nicht durchblicken. Und Einmischung in und Anstiftung zur Manipulation von Wahlen eines anderen Staates sind bei Christian Lindner Lobgesänge auf die Methode des sogenannten Smartvoting oder scheinbar unschuldige Sätze wie: „Es könnte ratsam sein, dass der internationale unabhängige Qualitätsjournalismus in russischer Sprache künftig auch stärker öffentlich finanziert wird.“

Wenn Leonid Wolkow seine Instrukteure vom „Führungskräfteseminar“ in den USA stolz macht

Zur Rede des sich nach wie vor notorisch präpotent fühlenden Leonid Wolkow gibt es nicht viel zu sagen, außer dass sie vielleicht stolz an die Tafel der Besten im „Maurice R Greenberg World Fellows Programm für aufstrebende globale Führungskräfte“ gepinnt werden könnte, als Beleg für die unvergleichliche Durchschlagskraft dieser mit US-Geheimdiensten vernetzten Kaderschmiede für „Demokratieexport“ nach gusto der USA, an der neben Wolkow natürlich auch Alexej Nawalny zum überzeugenden Unschuldslamm ausgebildet wurde.

Doch wie wir aus dem Filmklassiker „Das Schweigen der Lämmer“ wissen, können die niedlichen Wollknäuel manche Gemüter auch um den Verstand bringen. Dann wird es schwierig mit der Realitätswahrnehmung. Wolkow verkündete in Potsdam beispielsweise: „Als wir die Stiftung 2011 gründeten, da gab es nur 15% der russischen Wähler, nach unabhängigen Umfragen, die sagten, das Korruption ein großes politisches Problem sei. Zehn Jahre später und 100 Millionen Viewer unser Videos später, ist diese Zahl auf 60% angestiegen, von 15 auf 60, also eine tektonische Veränderung für die russische Gesellschaft, mit anderen Worten.“Da scheint der gute Mann die – ebenfalls unabhängigen Umfragen des Meinungsforschungsinstitutes Levada vom Februar 2021 komplett zu ignorieren. Die besagen, dass nur 19% der Russen die Aktivitäten von Nawalny, Wolkow und Getreuen gut finden, 56% dagegen nicht. Und dass selbst unter den 18-24-jährigen Russen, die nach westlichen Mediendarstellungen angeblich so versessen auf den Blogger sind, zwar immerhin 36% Zustimmung für ihn signalisieren, aber 43% in der Altersgruppe eben ausdrücklich nicht.Vor diesem Hintergrund klang Wolkows Schlusswort auf der Bühne des Theaters im Neuen Palais mehr wie eine verzweifelte Ansprache an das eigene Spiegelbild: „… am Ende des Tages werden wir gewinnen.“ Vielleicht sollte Leonid Wolkow lieber Laotse beachten: „Wer sich selbst rühmt, der kann nicht gewinnen.“Die Preisverleihung mit Begrüßung durch den Moderator Ali Aslan, einer Ansprache des Potsdamer Oberbürgermeisters Mike Schubert, der Laudatio von Christian Lindner und der Dankrede von Leonid Wolkow starten nach dem Mitschnitt des Colloquiums ab 1:54:44.

Quelle!:

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