Montag, April 29, 2024
StartPolitikEU„Unterordnung unter auf Krawall gebürstete Minderheit“: Experte zu Merkels Pech mit EU-Putin-Gipfel

„Unterordnung unter auf Krawall gebürstete Minderheit“: Experte zu Merkels Pech mit EU-Putin-Gipfel

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auf dem EU-Gipfel am Donnerstag mit dem Vorstoß zu einem EU-Spitzentreffen mit Präsident Wladimir Putin vorerst gescheitert – vor allem wegen des Protests aus Polen und dem Baltikum. Doch hat sie damit Europa „gespalten“, wie deutsche Medien schreiben? Der Russland-Experte Siegfried Fischer bringt es auf den Punkt.„Russlandpläne von Merkel und Macron spalten EU-Gipfel“, schrieb etwa „Der Spiegel“ zu den Ergebnissen des Gipfels. Dabei waren laut einem EU-Diplomaten noch vor dem Gipfelbeginn zwei Drittel der Mitgliedstaaten für den Vorschlag, zum ersten Mal seit 2014 zu direkten Gesprächen mit Russland zurückzukehren, und nur ein Drittel dagegen.„Man konnte sich heute nicht darauf einigen, dass wir auf Leitungsebene, also auf Chefebene, uns sofort treffen“, sagte Merkel noch in der Nacht zum Freitag in Brüssel. Die Idee der erneuten EU-Russland-Gipfel hatte die 66-Jährige am Mittwoch mit Blick auf das relativ gelungene Putin-Biden-Treffen gehabt und dafür Unterstützung vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron bekommen.„Nicht Macron und Merkel wollten die EU und den EU-Gipfel mit diesem Vorschlag spalten“, kommentiert Dr. Siegfried Fischer, Außenwirtschaftsexperte und Senior Fellow am Welttrends Institut in Potsdam, in einem SNA-Gespräch. Aus seiner Sicht ist die EU bereits seit langem „gespalten“ in Bezug auf Russland, und nicht erst seit dem letzten EU-Russland-Gipfel im Januar 2014.

Selbst Biden vernünftiger als die EU?

Sein Fazit: „Wenn vor dem Gipfel zwei Drittel für die Wiederaufnahme dieses Dialogformats mit Russland waren, dann war das eine Mehrheit für einen richtigen Schritt zur Entspannung und partiellen Kooperation zweier schwergewichtiger Bewohner des europäischen Hauses.“ So, wie sich generell das Vetorecht in der EU als ein Bremsklotz für ein pragmatisches realpolitisches Handeln der EU-Institutionen erweise, so habe sich wieder einmal „die Unterordnung einer entspannungswilligen Mehrheit unter eine auf Krawall gebürstete Minderheit“ als eigentlicher Spaltpilz in einem Europa erwiesen, das größer sei als die EU. „Der olympiareife Merkel-Spagat als Ausweg aus einer unsinnigen Konfrontationszuspitzung mit Russland wurde abgeschmettert.“

Das Putin-Biden-Treffen Mitte Juni dürfte auch deswegen stattgefunden haben, weil 2021 der Tiefpunkt in den russisch-amerikanischen Beziehungen erreicht wurde, was nicht zuletzt auch den amerikanischen Interessen schadet. Ebenso realpolitisch sei auch Merkels Idee, meint Fischer. Es müsste jedem Realpolitiker klar sein, dass sich in einer multipolaren Welt derzeit vier „Mächte“ wie die USA, die EU, China und Russland abheben.

„Warum dann also ein solches Treffen dämonisieren und es letztlich verhindern, wenn man wirklich europäische Interessen vertritt? Ist es wirklich von europäischem Interesse, Russlands Stimme unter Sanktionen und teils absurden Unterstellungen begraben zu wollen?“, fragt Fischer zurück.

Sich die Interessenlage der Dialogverweigerer anschauen

Zum besseren Verständnis der Situation weist Fischer auf die offensichtliche Interessenlage der Dialogverweigerer hin. Viel wichtiger als „die moralingetränkten ideologischen Doppelstandards“ sind aus seiner Sicht die Interessen der staatlich formierten Gesprächsverweigerer mit den Regierungen der baltischen Staaten, Polens und Tschechiens an der Spitze. Fischer weiter:

„Alle haben dank amerikanischer und EU-Unterstützung einen gewaltigen wirtschaftlichen Sprung nach vorn gemacht, und je lauter ihre Stimme erklingt, desto sicherer scheint ihnen der Platz an den transatlantischen Fleischtöpfen. Ein EU-Sonderweg im Verhältnis zu Russland, und sei es nur ein erster Schritt, ist weder im amerikanischen noch im Interesse dieser ehemaligen Ostblockstaaten, die sich außerdem noch ein wirtschaftliches und politisches Einflusswachstum durch die Einbindung der Ukraine erhoffen.“Der Versuch einer europabewussten deutschen Regierung, gemeinsam mit Macron, Europa mit einem Spagat zu stärken, soll also an einer „unheiligen Allianz der Unwilligen“ gescheitert sein. „Die scheinbare antirussische Einheit der EU ist zugleich Ausdruck ihrer Schwäche. Für die USA ist eine schwache EU immer noch besser als ein starker und selbstbewusster Bündnispartner.“ Nicht zuletzt seien auch Nato-Interessen im Spiel, sagt Fischer zum Abschluss.Merkel ihrerseits ließ sich nach dem Scheitern nicht klein machen. Es werde trotzdem an Formaten und Bedingungen für einen Dialog mit Russland gearbeitet. „Ich persönlich hätte mir hier einen mutigeren Schritt gewünscht. Aber so ist es auch gut, und wir werden daran weiter arbeiten“, deutete sie nach dem Gipfel an. Wer „Wir“ sind und wie stark sie sein werden, bleibt allerdings offen. Bis jetzt haben sich die EU-Staaten auf ein schärferes Vorgehen gegen „jede weitere böswillige, rechtswidrige und disruptive Aktivität Russlands“ geeinigt.

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