Donnerstag, April 25, 2024
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Behörden in der Kritik – Messerangreifer vor Berliner Synagoge wieder auf freiem Fuß

Der Mann, der am 4. Oktober vor der Großen Synagoge in Berlin mit einem Messer Wachpersonal bedroht hatte, ist wieder auf freiem Fuß. Die Freilassung hat eine erregte Debatte in Berliner Medien nach sich gezogen. Die alles beherrschende Frage: Warum wird ein solcher Mann einfach freigelassen?

Mohamad M. überwand die Absperrung an der Großen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin Mitte und ging mit einem Messer in der Hand auf das Wachpersonal zu. Ob er dabei tatsächlich „Allahu Akbar!“ (Gott ist groß!) oder „Fuck Israel!“ gerufen hat, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen, es wird auch berichtet, er habe unverständliche Worte gemurmelt. Fest steht, dass der Objektschutz der in der von Touristen regelmäßig bevölkerten Berliner Mitte gelegenen Großen Synagoge die Handlungen von Mohamad M. als Bedrohung wahrgenommen und entsprechend mit gezogenen Waffen ihn zum sofortigen Anhalten und Niederlegen des Messers aufgefordert hat. Mit Pfefferspray wurde der 23-jährige Mann außer Gefecht gesetzt und festgenommen.

Soweit zu den bislang gesicherten Erkenntnissen. Zu allen anderen Fragen, insbesondere zu Motiven, darüber gibt es, wie beinahe immer in solchen Fällen, unterschiedliche Erzählungen oder schlicht nur Mutmaßungen. So wird berichtet, der Mann stamme aus der syrischen Hauptstadt Damaskus, habe eine Aufenthaltserlaubnis bis 2020 und leide seit einiger Zeit an psychischen Problemen. Der Berliner Staatsschutz habe die Ermittlungen aufgenommen, da eine politisch motivierte Gewalttat nicht auszuschließen sei.

Polizei: Mann wollte „augenscheinlich“ niemanden verletzen, sondern „nur“ bedrohen

Warum ein solcher Mann nach nicht einmal 24 Stunden im Polizeigewahrsam wieder auf freiem Fuß ist, das beschäftigt die hauptstädtische Presse. Tatsächlich erscheint es mindestens zweifelhaft, dass der Mann „augenscheinlich“ niemanden verletzen wollte, sondern nur bedrohen, wie ein Polizeisprecher tatsächlich als Begründung für die Freilassung gegenüber Medienvertretern anführte. Wer die Touristenströme kennt, die sich tagtäglich in der Oranienburger Straße, zwischen Monbijoupark und Friedrichstraße auch an der Großen Synagoge vorbeibewegen, der kann sich gut vorstellen, dass es für einen solchen Täter keinen Unterschied darstellt, ob er einen Wachmann oder einen Touristen mit seinem Messer angreift.

Wie bislang bekannt ist, haben die Berliner Ermittlungsbehörden darauf verzichtet, Mohamad M. einem Haftrichter vorzuführen, seinen Geisteszustand überprüfen zu lassen beziehungsweise mögliche terroristische Hintergründe überhaupt in Erwägung zu ziehen. Wenig verwunderlich sind daher erste verständnislose Reaktionen aus der Jüdischen Gemeinde, die es als Hohn empfinden, dass ein Mann einfach wieder auf freien Fuß gesetzt wird, der eben nicht die evangelische Sophienkirche, 300 Meter Luftlinie von der Synagoge entfernt in der Großen Hamburger Straße, ausgesucht hatte, auch nicht vor dem ebenfalls knapp 300 Meter entfernten Katholischen Militärbischofsamt an der Spree in Erscheinung trat und auch nicht die ebenfalls rund 300 Meter entfernte Museumsinsel heimsuchte, sondern ausdrücklich vor der Großen Synagoge aktiv wurde, in der sich das Centrum Judaicum befindet.

Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung: Antisemitismus kann zur Abschiebung führen

Die israelische Botschaft in Berlin teilte ihre Besorgnis mit, dass der Vorfall nicht umfassend genug aufgeklärt werde. Die Botschaft des Staates Israel wurde mit voller Absicht aus Berlins Mitte in das noble Villenviertel Schmargendorf verlagert, wo die diplomatische Vertretung deutlich besser zu schützen ist. Der Beauftragte für Antisemitismus der Bundesregierung, Felix Klein, glaubt an einen antisemitischen Vorfall. Klein, der als zurückhaltend und vorsichtig bei der Bewertung von arabisch geprägtem Antisemitismus gilt, wie er vor allem in der palästinensischen Gemeinschaft anzutreffen ist, meinte gegenüber der BILD-Zeitung, „wer antisemitische Straftaten verübt, sollte die volle Härte unserer Gesetze zu spüren bekommen. Das kann bei Ausländern auch zur Abschiebung führen.“

Um einen Tatverdächtigen in Untersuchungshaft zu nehmen, muss ein Haftrichter verschiedene Kriterien abwägen und einschätzen. In diesem Fall habe, so berichten hauptstädtische Medien, der Bereitschaftsstaatsanwalt entschieden, dass von Mohamad M. keine akute Gefahr für sich oder andere ausgeht, keine Fluchtgefahr besteht, keine Anzeichen für eine schwere psychische Störung vorliegen, die eine Gefährdung der Öffentlichkeit bedeuten könnten, weshalb „im Ergebnis“, wie die Juristen das dann nennen, kein Haftgrund vorliege.

Eine solche Einschätzung erscheint mindestens zweifelhaft,

  • weil Wachschutz nicht ohne Grund vor jüdischen Einrichtungen in Berlin steht,
  • weil es nicht der erste Vorfall in Berlin ist, der bereits beim ersten Anschein den Verdacht aufkommen lässt, es handele sich um einen antisemitischen Akt, gespeist aus dem Hass des Nahost-Konflikts,
  • weil die Umstände des Vorfalls eine „allgemeine“, unmotivierte, „einfache“ Bedrohung fragwürdig erscheinen lassen,
  • weil die Polizei selbst von unklarer Motivlage spricht, was in Verbindung mit der Benutzung eines Messers und Erfahrungswerten die Ermittlungsbehörden mindestens argwöhnisch werden lassen müsste,
  • weil bereits eine simple Nachfrage von Medienvertretern beim Vater von Mohamad M. mindestens Verdachtsmomente auf eine psychische Störung zu Tage förderte, der wenigstens nachgegangen werden sollte.

Mohamad M. ist jetzt auf freiem Fuß und mit unbekanntem Aufenthaltsort in Deutschland unterwegs. Es bleibt zu hoffen, dass er auch weiterhin „nur bedrohen“ und „niemanden verletzen“ möchte.

Quelle!:

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